Predigt am 12. So. nach Trinitatis - 7.9.2003

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Eine Predigt zur Einführung der neuen Kirchenvorsteher findet sich unter http://www.predigt-eichendorf.de/Texte/DBArchiv01/14812_sontrinKV.htm

Für einen Familiengottesdienst oder ein Gemeindefest zu diesem Anlaß eignet sich: http://www.dike.de/public_html/Texte/Archiv07bf/01kirjubi.txt

Textlesung: Mk. 7, 31 - 37

Und als er wieder fortging aus dem Gebiet von Tyrus, kam er durch Sidon an das Galiläische Meer, mitten in das Gebiet der Zehn Städte.

Und sie brachten zu ihm einen, der taub und stumm war, und baten ihn, daß er die Hand auf ihn lege. Und er nahm ihn aus der Menge beiseite und legte ihm die Finger in die Ohren und berührte seine Zunge mit Speichel und sah auf zum Himmel und seufzte und sprach zu ihm: Hefata!, das heißt: Tu dich auf!

Und sogleich taten sich seine Ohren auf, und die Fessel seiner Zunge löste sich, und er redete richtig. Und er gebot ihnen, sie sollten's niemandem sagen. Je mehr er's aber verbot, desto mehr breiteten sie es aus. Und sie wunderten sich über die Maßen und sprachen: Er hat alles wohl gemacht; die Tauben macht er hörend und die Sprachlosen redend.

Liebe Gemeinde!

Wir können diese Geschichte vordergründig hören oder lesen: Dann wird uns gerade an dieser Heilung erstaunen, wie deutlich beschrieben wird, was Jesus tut. "Er legte ihm die Finger in die Ohren und berührte seine Zunge mit Speichel und sah auf zum Himmel und seufzte..." So etwas erfahren wir bei anderen Wundergeschichten nicht. Dann werden wir sicher noch beachten, wie schnell das geht, daß sich die Ohren des Kranken öffnen und die Fessel seiner Zunge sich löst. Auch daß Jesus verbietet, von der Heilung weiter zu erzählen, wird unsere Aufmerksamkeit beanspruchen und schließlich noch die Tatsache, daß sich die Menschen natürlich nicht an dieses Verbot halten. Und weiter? Ich fürchte, so gelesen wird das, was uns die Geschichte vermittelt, nicht viel weiter gehen?

Aber es gibt auch ein Hören auf diese Wundergeschichte, das nach ihrem Kern sucht, das sozusagen ihren Hintergrund und die tiefere Bedeutung beleuchtet. Das wollen wir jetzt tun.

Jesus Christus hat offenbar die Macht, Menschen das Ohr zu öffnen und die Zunge zu lösen. Dazu muß einer gar nicht wirklich stumm gewesen sein. Es gibt ja auch Menschen, die dort schweigen, wo sie eigentlich reden müßten! Und es gibt auch eine Taubheit, die nichts mit einer Krankheit der Ohren zu tun hat. Viele Menschen hören ja auch nicht hin, wenn es um die wichtigsten Dinge des Lebens geht! - Wir erfahren also in dieser Wundergeschichte - wenn wir alle Details der Handlung um Handauflegen und Speichel, Seufzen und Aufblick zum Himmel einmal ausblenden - davon, daß Menschen bei Jesus das rechte Hören und Sprechen lernen. - War das so? Ist das vielleicht auch bis heute so?

Mir fallen - was das Damals angeht - gleich eine Fülle von Menschen ein: Denken wir nur an Petrus. Ein kleiner Fischer, nicht sehr gebildet, gar nicht redegewandt - am Anfang. Nach Jesu Auferstehung und Himmelfahrt legt er in Jerusalem eine Rede hin, die so gekonnt, so überzeugend gewesen ist, daß sich noch am selben Tag 3000 Menschen taufen lassen (Apg. 2,14ff)! Oder Paulus! Vom Verfolger der Christen und Hetzredner gegen die erste Gemeinde wird er zum glühendsten Verkündiger des Evangeliums von Jesus Christus mit dem gesprochenen und geschriebenen Wort.

Und was das Hören angeht, da fällt mir Zachäus ein, der Oberzöllner in Jericho, der jahrelang taub war für die Klagen und Bitten der Menschen, denen er an den Zollstellen viel zu viel Geld abnahm. Nachdem er Jesus kennengelernt hatte, nachdem der Herr bei ihm zu Besuch gewesen ist und mit ihm Tischgemeinschaft hatte, konnte er auch richtig hören und verstehen, bereuen und dann entsprechend handeln: "Siehe, Herr, die Hälfte von meinem Besitz gebe ich den Armen, und wenn ich jemanden betrogen habe, so gebe ich es vierfach zurück." (Lk. 19,8) Und die ungezählten Menschen kommen mir in den Sinn, die Jesu neue, so ganz andere Predigt gehört haben: Von der Feindesliebe, davon, daß schon ein begehrlicher Blick auf die Frau eines anderen die Ehe bricht, und daß die Sanftmütigen das Erdreich besitzen und die Friedfertigen Gottes Kinder heißen werden. (Mt. 5-7) Wie vielen mag Jesus mit diesen Gedanken das Gehör geöffnet haben und das Herz?

Bevor wir nun selbst zum Himmel blicken und seufzen: Ja, damals...als ER noch über diese Erde ging...schauen wir unsere Welt heute an, und besonders unsere Gemeinde: Gewiß hat es Jesu Botschaft, das Evangelium, heute schwer. Es muß sich gegen so viele Ablenkungen, Zerstreuungen und Versuchungen behaupten. Manchmal meinen wir, die Sache Jesu wäre heute fast verloren. Aber dann tritt doch wieder einer auf - vielleicht in der Presse, vielleicht in einer Unterhaltungssendung im Fernsehen - der spricht von seinem Verhältnis zu Gott, der sagt freimütig, daß er betet und täglich in der Bibel liest und bringt damit sicher viele Menschen zum Hören und Nachdenken. Und von Zeit zu Zeit wird uns auch ein Prominenter geschenkt, der offen ausspricht, daß er gläubig ist und alles, was er erreicht hat, der Führung Gottes verdankt.

Aber es gibt auch noch andere Erfahrungen mit dem Hören auf das, was Jesus uns lehrt und tut und dann dem Reden davon, die spielen mehr im Hintergrund des Alltäglichen und haben doch eine große Wirkung: Vielleicht wenn der Arzt, der uns erfolgreich operiert hat, hinterher so spricht: "Danken sie nicht mir! Gott hat sie gesund gemacht. Ich bin nur sein Werkzeug gewesen!" Oder wenn ein Mitmensch bei einer eigentlich ganz "weltlichen" Gelegenheit wie einem Gespräch im Supermarkt so etwas sagt: "Daß mein Mann wieder eine Arbeit gefunden hat, obwohl er doch schon 45 ist, das ist so wunderbar...ich weiß, das hat Gott uns geschenkt!" - Ich glaube fest, so etwas haben sie auch schon erlebt!

Was könnten wir heute also von der Geschichte von der Heilung des Taubstummen mitnehmen?

Nun, gewiß nicht nur, daß es solche Menschen Gott sei Dank noch gibt, die auf Jesus hören und von ihm reden. Sondern auch, daß wir endlich anfangen, richtig hinzuhören, was Jesus gerade uns sagen will und daß wir beginnen, von ihm zu sprechen, zu zeugen und zu verkündigen - auch wo wir weder prominent noch zum Predigen bestellt sind.

Ich denke mir, das ist erst einmal ein ziemlicher Schock für sie: "Richtig hinhören", "verkündigen", "zeugen", gar "predigen"... Dabei ist der Anfang auch hier ganz einfach. Vielleicht hat sie ja schon manchmal ein Gedanke hier aus dem Gottesdienst bis nach Hause begleitet. Hin und wieder haben sie sogar noch am Montag an ihn gedacht. Vielleicht hat er sie angespornt, es mit diesem oder jenem Wort einfach einmal im Alltag zu versuchen oder eine neue Lebensart auszuprobieren? Nun haben sie sicher auch Menschen in ihrer Umgebung. Warum also nicht einmal einen solchen Gedanken, der ihnen gefallen, der sie angeregt oder überzeugt hat, mit einem solchen Menschen teilen. Wäre das zu schwer, einmal so zu sprechen: "Heute in der Kirche wurde davon gepredigt, daß Jesus auch heute noch "Taubstumme" heilt, also im übertragenen Sinn Menschen zum Hören und Reden bringt. Was hältst du davon?" Wie das wohl weiterginge? Ob da nicht auf einmal noch ein anderer Mensch hören und vielleicht reden würde?

Oder wenn sie das vielleicht wären, dem die Frau im Supermarkt so voller Freude davon berichtet hat, daß sie es Gott verdankt, daß der Mann wieder Arbeit hat. Ich denke nicht, daß wir darüber schweigen müssen. Das dürfen wir ganz gewiß weitertragen, vielleicht so: "Stell dir vor, mir hat heute eine Frau davon erzählt, daß sie Gott dankbar ist, weil ihr Mann wieder Arbeit gefunden hat. Und auch noch im Supermarkt!" Das fördert bestimmt auch das Wissen, daß Gott auch heute noch im Verborgenen wirkt und die Einsicht, daß man darüber nicht schweigen muß, sondern überall fröhlich davon reden darf!

Am Besten wäre es nun aber und am meisten im Sinne der Wundergeschichte von heute, wenn wir Jesus selbst an uns handeln ließen: Er kann uns die Ohren öffnen und die Zunge lösen. Wir müssen es ihm einfach zutrauen und es wollen! Er spricht uns heute an. Er sagt es uns heute wieder zu, jedem und jeder persönlich: Ich kann dein Leben heil machen und erfüllen. Ich kann deine Last mittragen. Ich will dich führen und begleiten, wo immer du hingehst. Du bist nicht allein. Ich zeige dir eine Aufgabe und ein Ziel. Du sollst in Ewigkeit nicht verloren gehen.

Wenn wir das nur wirklich recht mit den Ohren hören und mit dem Herzen aufnehmen, dann wird es uns verwandeln, froh und dankbar machen und wir werden darauf brennen, davon denen weiterzusagen, die in unserer Nähe sind und vielleicht sogar denen, die mehr in der Ferne von uns leben.

Und wir werden ganz gewiß nicht daran zweifeln, daß Jesus damals einem Taubstummen Gehör und Stimme geschenkt hat! Vielmehr werden wir einstimmen können in das Lob der Menschen: Er hat alles wohl gemacht; die Tauben macht er hörend und die Sprachlosen redend.