Der Typ des "schnorrend-knickerigen Pfarrers"
ist nach dem zweiten Weltkrieg entstanden,
in einer Zeit also, in der wirk-
lich für viele Pfarrer und ihre Familien Not herrschte und
sie nicht wußten;
wie sie die hungrigen Mäuler ihrer meist zahlreichen Kinder
stopfen sollten.
In den Nachkriegsjahren waren die
Pfarrer dieses Typs gefürchtete Kindtauf-
feierbesucher! Auch bei Konfirmationen, beim Leichenschmaus oder
bei der
Hausschlachtung stellten sie sich - ob geladen oder ungeladen
- ein, um die
Versorgungslage ihrer Lieben für viele kommende Monate zu
verbessern. Sie
traten meist mit Rucksäcken auf den Plan, in die man einen
halben Mastochsen
hätte verstauen können, gegen den sie - wäre er
angeboten worden - nichts einzu-
wenden gehabt hätten. (Von BSE wußte man noch nichts.)
Als sich die Zeiten besserten, verlagerte
sich das Schnorren oft auf den pekuni-
ären Gegenwert der nun nicht mehr notwendig gebrauchten Lebensmittel;
auch
kam die Wohlfahrt der inzwischen am Wirtschaftswunder teilhabenden
Pfarr-
familie aus - und dafür die Kollektenkasse der betreuten
Kirchengemeinden in
den Blick. Wobei die größte Freude dieser Pfarrerspezies
darin besteht, daß
sich in Kollektenkassen und auf den (schwarzen!) Spendenkonten
der Gemeinde
die Gelder reichlich sammeln, die Zinsen und Zinseszinsen akkumulieren
und
panaschieren. - Für einen Satz neuer Gesangbücher zum
gottesdienstlichen Ge-
brauch oder für ein kleines Weihnachtsgeschenk für die
verdienten Mitarbeiter
in der Jungschar allerdings, würde niemals auch nur eine
Mark abgezweigt.
Selbst für den Blumenschmuck am Altar wird Unverderbliches
aus Trockenblumen
bevorzugt, von dem man den Eindruck hat, es wäre bei der
letzten Beerdigung nach
dem Einebnen des Grabhügels übergeblieben..
In unseren Tagen ist dieser Pfarrertyp
nun sozusagen in die Dritte Generation ge-
gangen: Er hat seinen Trieb zum Schnorren auf Texte, meist Ansprachen
und Pre-
digten, kapriziert. Er durchforstet Bücher und Theologische
Zeitschriften auf für die
Verkündigung verwendbare Texte, die er skrupellos verwertet,
ohne je die Herkunft
zu nennen oder gar dem Urheber der Texte ein Dankeschön zukommen
zu lassen.
Im Internet hat dieser Pfarrertyp nun das ihm zu 100 % kompatible
Jagd- und Sammel-
revier gefunden: Hier kann er aus der Fülle der Predigtbanken,
der Materialienbörsen
und der liturgischen Fundgruben schöpfen - wofür diese
ja auch gedacht sind!
Dabei käme es ihm allerdings niemals in den Sinn - hier schlägt
sein enges Herz! - ein-
mal den Gebrauch einer Ansprache, einer Predigt, eines schönen
Gedankens an die Ur-
heber der Ideen und Texte zurückzumelden, um diesen ein wenig
Ansporn und Ermuti-
gung für ihre oft intensive, ja aufopferungsvolle Arbeit
für andere zurückzuschenken.
Was hat dieser Pfarrertyp für
gute Eigenschaften? - Bei all seiner Undankbarkeit: Er
rettet doch gleich einem Museum archaische Verhaltensweisen, wie
sie vor vielen Jahren
noch sinnvoll gewesen sein mögen, in die moderne Zeit hinüber,
in der die Geschwister-
lichkeit, der Teamgeist und die gegenseitige Hilfe namentlich
unter Kolleginnen und
Kollegen verbreitet sein sollen - aber doch nicht sind. So hilft
der "schnorrend-knicke-
rige" Pfarrer menschliche Eigenschaften auch unter den AmtsträgerInnen
am Leben zu
halten, die sonst vielleicht schon unwiederbringlich ausgestorben
wären und die mit dafür
sorgen, daß wir Kollegen und Kolleginnen nicht allzu vertraut
miteinander werden und
der für das pfarramtliche Kratzen auf dem eigenen Mist nötige
Abstand gewahrt bleibt,
der ja doch allen dient.