Hier
werden keine Pfarrer oder Pfarrertypen "vorgeführt"!
Die Seiten über Pfarrertypen sind - dank einer speziellen
Software "gratia-view" nur auf PfarrerInnen-PC's zu lesen!
Selbst Pfarrer - insofern sie vom jeweiligen Typ nicht betrof-
fen sind - sehen auf dieser Seite nur unleserliche Hierogly-
phen. Sollten Sie also - als Unbetroffene/r hier etwas lesen
können, dann hat die Software leider versagt!
Der Typ des "Landpfarrers, der im aktiven Dienst 50 wird"
ist schon heute ein Relikt aus einer
Zeit, in der die Kirchenleitung dem Landpfarrer und seiner
Arbeit am besten und geistlich fruchtbarsten Boden der Kirche
noch einige Wertschätzung und
Würdigung entgegenbrachte. Man kann voraussagen, daß
dieser Pfarrertyp bald den Weg der
Saurier oder der amerikanischen Büffel gehen und aussterben
wird. Grund genug, ihm hier einen
antehumen Nachruf zu widmen.
Aber warum und wodurch ist der Landpfarrer,
der im Amt seinen 50. Geburtstag erreicht,
vom Aussterben bedroht?
Das hat mit der Tatsache zu tun, daß auf den Landpfarrer
wirklich zutrifft, was man von allen
Christen immer einmal - meist ohne selbst daran zu glauben - behauptet:
Sie wären immer im
Dienst. Beim Pfarrer auf dem Dorf aber stimmt es - je länger
er es ist, je mehr!
Wenn etwa ein Stadtpfarrer aus seiner
Dienstwohnungstür tritt, um durch die Straßen seiner
Gemeinde zu spazieren, kennt ihn meist kein Schwein von seinen
Schäfchen. Verläßt dagegen
der Landpfarrer sein Pfarrhaus, setzt er sich schutzlos dem Begehren
seiner Gemeindeglieder
nach Gespräch, Antwort, Seelsorge, Estimation und Ratschlag
aus und bringt für die Dauer
seines Aufenthaltes im Freien einige Bewegung unter die Menschen
und sich selbst in große
Gefahr!
Kaum werden die ersten Seelen seines
Dorfes seiner ansichtig, stürzen sie sich auf ihn, um
nach dem Konfirmationstermin für ihren Dreijährigen,
der Bereitschaft zur Beerdigung eines vom
Töchterchen heiß geliebten Mehr- oder Wenigerschweinchens
und der Einschätzung der Chancen
auf die Auferstehung von den Toten ihrer 1876 verstorbenen Urururgroßmutter
zu fragen.
Es dauert meist keine zwei Minuten und der Dorfpfarrer ist umringt
von Menschen, die gestiku-
lierend und atemberaubend auf ihn einreden. Er muß sehr
aufpassen, daß er nicht Müllers Grete
auf die Hühneraugen oder dem 10. Sohn des Ortsdieners (der
die Garderobe seiner 9 Brüder
aufträgt) auf die Hosenaufschläge tritt.
Wenn es im sommerlichen Dorf durch milde Temparaturen zu besonders
umfangreichen Zusam-
menrottungen von Menschen um den Landpfarrer herum kommt, trägt
der Kirchendiener auf
Anordung des Dorfpolizisten dem Zug ein Schild mit der Aufschrift
voraus: "Spaziergang des
Pfarrers - keine Demonstration!"
Man wird sich denken können, daß der Erholungswert
solcher Ausflüge eher gering ist, vielmehr
mit chronischem Asthma und Nervenleiden wie Augenzucken oder Agoraphobie
bezahlt wird.
Dennoch unternimmt sie der Landpfarrer immer wieder gern, ist
er doch meist mit zwei gehörigen
Portionen Menschenliebe und Selbstverleugnung ausgestattet.
Die Preisgabe jeder Anonymität
und aller Rückzugsmöglichkeiten ins Private nähme
jeder rechte
Landpfarrer ja noch in Kauf, würde ihm dafür von seiner
Kirchenleitung irgendeine Anerkennung
gezollt. Aber das Gegenteil ist der Fall: Als "Kirche der
Zukunft" gilt die "urbane Kirche". Was
der Landpfarrer treibt, wie er unter Einsatz seiner Gesundheit
seinen Dienst an den Menschen
ohne den Schutzwall städtischer Anonymität rund um die
Uhr versieht, inwieweit er dabei auf ein
Eigenleben und seine Freizeit verzichtet, wird nicht gesehen,
geschweige denn gewürdigt.
Nicht genug damit: Seine unendliche
Leidensbereitschaft läßt ihn sogar noch ertragen, wenn
die
zahlreichen kirchlichen Angebote und Tätigkeiten, die ein
Stadtpfarrer nur raunungsweise kennt,
von Oberkirchenrätinnen seiner Landeskirche als sein ganz
"persönliches Hobby", sein Stecken-
pferd bzw. als "überflüssige" Extras bezeichnet
werden. Er läßt trotzdem - solange er nur kann -
auch dann nicht ab von der Begleitung bei der Überführung
Verstorbener in die Leichenhalle, von
Gestaltung einer Silbernen -, Goldenen - oder gar Eisernen Hochzeitsfeier
in der Kirche und der
ganztägigen Anwesenheit bei diversen Konfirmationsjubiläen
übers Jahr, um nur einmal drei von
unzähligen Diensten für seine ländlich-traditionell
geprägte Gemeinde zu erwähnen, die in der
Stadt einigermaßen ungeübt und meist unbekannt sein
dürften.
Man kann leicht verstehen, daß
der so gebeutelte, mißachtete und von seiner Dienstherrin
als
für den Erhalt der Kirche unwichtig angesehene Landpfarrer
alle möglichen Krankheiten des Leibes
und der Seele entwickelt. Neben Magen- und Darmgeschwüren,
Herzinsuffizienz und Nierenver-
sagen, sind auch Leberleiden und Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse
beliebt. Immer sind diese
Krankheiten begleitet durch psychische Probleme wie tiefe Depression
oder KVA ("Kirchenverwal-
tungsallergie"), wobei letztere sich in schweren Fällen
mit nächtlichem Einnässen oder Schlafwandeln
manifestiert.
An guten Eigenschaften ist beim beschriebenen
Pfarrertyp besonders zu nennen, was sich (in Um-
kehrung) schon in seinem Namen niederschlägt: Er macht sich
meist weit vor seinem 50. Geburtstag
aus dem aktiven Landpfarrdienst ohne Aufsehen davon, macht Gebrauch
vom Attest seines Internisten
oder Psychiaters, das schon seit einigen Jahren in seinem Schreibtisch
ruht und verbringt weiter
kränkelnd die ihm statistisch-durchschnittlich bleibenden
2,43 Ruhestandsjahre auf Hallig Hooge
oder der mallorkinischen Finka eines barmherzigen Jungunternehmers,
dessen Großmutter er zum
Sterben begleitet hat.
Ausnahmen von dieser Abtrittsregel lassen sich etwa noch im Vogelsberg
(z.B. dem Mücker Ortsteil
Groß-Eichen) beobachten, was nur den einen Grund haben kann:
Immunisierung bzw. Resistenz gegen-
über allen verderblichen Einflüssen aus urbanen Kirchengebieten
und gegen unverständiges Reden
aus kirchenleitenden Kreisen mittels eines rätselhaftes "Widerstandsgens"
in Assoziation mit einer
genau so unbändigen und unverständlichen wie unzeitgemäßen
Freude am Beruf des Landpfarrers.
Ob vielleicht - durch die Isolierung dieses Gens und seine Vermehrung
in Stammzellen städtisch
unbeleckt aufgewachsener Landkinder - auf dem ehemals so fruchtbaren
Boden dörflicher
Gemeinden eine fast schon fossile Spezies überleben kann,
muß man abwarten. Denn die Kirche im
ländlichen Bereich ist ein wahrhaft steiniger Acker geworden
und es sind zu wenige, die genug innere
Kräfte und genetisches Suppressionsmaterial haben, dem Irrweg
zur "Urbanisierung" widerstehen
bzw. auf diesem Weg einigermaßen gesund bleiben zu können.