Themapredigt: Von Reue und Strafe Text: Wahre Reue liebt die Strafe. Martin Luther Liebe Gemeinde! Das ist heute ein etwas ungewöhnliches Thema, über das ich sprechen möchte! Ich bin durch verschiedene Gespräche in den letzten Wochen darauf gekommen. Es ging darin um Schuld und um Sünde - also um Dinge, von denen wir nicht so gern hören. Andererseits spüren wir ja die Schuld und die Sünde. Was nützt es denn dann, wenn wir sie verdrängen und nicht wahr- nehmen wollen? Ich will nun sogar noch zweierlei zu diesen Gedanken hinzufügen: Eben die "Reue" und die "Strafe". Schon den Christen der alten Kirche war das alles miteinander verbunden, genauso im Mittel- alter: Die Sünde muß betreut werden, haben sie gesagt. Dann müssen wir sie bekennen vor Gott und den Menschen, gegen die wir gesündigt haben. Und schließlich muß es eine Strafe dafür geben! So wurde und wird in der katholische Kirche bis heute nach der Beichte und der Lossprechung durch den Priester auch noch eine Strafe, die sogenannte Wiedergutmachung verhängt: Almosengeben vielleicht, 10 Vaterunser oder drei Rosenkränze... Wie schließlich Luther - unser Reformator - dazu dachte, habe ich zu Beginn angedeutet: Wahre Reue liebt die Strafe!, so hat er einmal geschrieben. Und eigentlich denkt er in allen diesen Dingen gar nicht anders als die Kirche vor seiner Zeit. Die Reformation hat das Evangelium, die frohe Botschaft von Jesus Christus, wiederentdeckt, aber keineswegs den Zusammenhang um Schuld, Reue und Wiedergutmachung aufgehoben! So wurde und so wird es aber gern gesehen: "Wir sind doch evangelisch", heißt es. "Wir wis- sen doch von Gott, daß er gnädig ist, daß er Sünden vergibt! Dafür ist Jesus doch schließlich ans Kreuz gegangen, daß wir frei sind und keine Strafe mehr leiden müssen!" - Ach ja, die Freiheit! Wieviel schlimme Mißverständnisse hat es darum schon gegeben! Übelste Aus- schweifungen, Ehebruch, Mord und Totschlag wurden in ihrem Namen begangen! "Christus ist doch für alle meine Sünden gestorben", haben die Leute denen entgegengehalten, die sie wegen solcher Vergehen angeklagt haben. Und auch noch heutzutage berufen sich die Men- schen oft und gern auf das Opfer Christi am Kreuz, um ihre Schuld zu decken und gutzuhei- ßen. Das schwierigste an diesen Gedanken ist, daß es eigentlich alles stimmt, was da behauptet wird: Jawohl, Christus ist für meine Schuld gestorben! Jawohl, wir sind durch ihn frei von Sünde! - Aber dabei haben wir vergessen, was vor der Vergebung, vor der Freiheit von der Sünde kommt, ja, kommen muß: Die "Zerknirschung", wie das zu Luthers Zeit noch hieß, die echte Reue, das Bekennen von Schuld. Und wir vergessen auch gern das vielleicht wichtigste in unseren Tagen: Die Wiedergutmachung. Ich weiß, das hört sich jetzt für manche Ohren alles so "gesetzlich" an, so "katholisch" auch. Wo bleibt denn da die frohe Botschaft? Wo werden wir denn da noch frei durch Jesus? Ich kann nur sagen - aus Erfahrung sagen! - wo hierbei die Reihenfolge nicht eingehalten wird und wo eines dieser drei Dinge fehlt, da werden wir nicht wirklich frei, da spüren wir es auch nicht wirklich, daß uns vergeben ist! Ohne Reue werden wir keine frohen Menschen! Ohne Bekenntnis zu unserer Schuld., können wir nicht wieder frei aufschauen. Ohne unsere Sünde auch wieder abzutragen - oder es wenigstens zu versuchen - kann nichts wieder in Ordnung kommen, was uns von Gott und Menschen getrennt hat! Und so sagt es uns auch unser Ge- wissen - das ja auch eine Gabe Gottes ist! Ich glaube immer noch nicht, trotz der gegenteiligen Meinung, die viele heute teilen, daß es Menschen gibt, die kein Gewissen haben. Ich weiß aber, daß viele nicht auf ihre innere Stimme hören. Und ich erlebe täglich, wie die Versuche der Menschen scheitern, diese Stimme des Gewissens abzuschalten. Denn es geht nicht! Men- schen, die schuldig sind und es wissen, werden von innen getrieben, daß sie bereuen, daß sie bekennen, daß sie wiedergutmachen. Sie mögen dabei uns etwas vormachen können - Gott läßt sich nicht täuschen! Sie mögen uns kalt, unberührt von ihrer Sünde und gewissenlos vor- kommen - sich selbst und der Anklage ihres Gewissens können sie nicht entgehen. Wie gesagt: Das habe ich erfahren! Das geht soweit, daß Menschen körperlich und/oder seelisch krank werden, wenn sie nicht auf die Stimme ihres Innern hören. Froh und frei jedenfalls kann nie- mand werden mit unbereuter, unvergebener Schuld! Jetzt mag jemand denken: Aber warum verfolgt uns Gott denn so, bis wir bereuen? Warum schickt er uns sogar körperliche Krankheit und Depression, wenn wir nicht auf unser Gewis- sen hören? Ist er denn nicht ein gnädiger Gott? Ist er denn nicht die Güte selbst? - Ich kann sein Drängen und Treiben zu Reue und Bekennen als das Werk seiner Gnade verstehen! Ich bin dankbar, daß er so gütig ist, daß er uns zu Umkehr und Vergebung führt. Es ist seine Lie- be, die uns heimsucht, bis wir begreifen, was der Weg ist, den er uns zur Gnade verordnet hat: Über die Reue zum Bekennen und vom Bekenntnis zur Wiedergutmachung. Gott will nicht "Fünfe gerade sein lassen". Er sieht meine Sünde und sucht sie heim. Er will barmherzig sein und er kann es auch durch das Opfer seines Sohnes am Kreuz. Denn der hat für mich bezahlt! Aber wie es nicht mein eigenes Opfer ist, das Gottes Gnade erlangt, so ist es auch nicht meine eigene Art oder mein Verdienst, durch die ich Gottes Güte bekomme: So tun, als wäre man sündlos, ist kein Weg. Ablenken ist auch keiner. Auf die Schuld anderer weisen, schon gar nicht. Reue allein führt zum Erbarmen, Bekennen und schließlich - sprechen wir's aus - zur gern getragene Strafe Gottes, mit der wir in Ordnung bringen, was durch uns selbst in Unord- nung geraten ist. Ohne Christus gäbe es keine Gnade Gottes, ohne den Weg, den Gott vorge- sehen hat, könnten wir sie nicht erlangen! Wer jetzt meint, dann wäre ja Barmherzigkeit Gottes doch unser Verdienst, dem sage ich es noch einmal: Ohne Christus keine Gnade! Dann erst sind wir eingeladen, wenigstens Gottes Weg zur Vergebung einzuhalten! Vielleicht ist alles viel einfacher zu begreifen, wenn ich ihnen jetzt eine wahre Begebenheit er- zähle, die sich vor einiger Zeit in einem Betrieb in unserer Nähe zugetragen hat. Die Geschich- te hat mich eigentlich auf den Gedanken gebracht, heute dieses ernste Thema vieler Gespräche der letzten Wochen aufzunehmen. Sie paßt hier einfach gut, sie trifft genau den Nagel auf den Kopf, wie man sagt, und ich habe ihr dann auch kaum noch etwas hinzuzufügen. Aber hören sie die Geschichte vom "gefundenen Geldschein": Ein Betriebspsychologe berichtet: Unser Betriebsarzt rief mich an: "Herr Kollege, ich habe hier einen 15jährigen Jungen. Ich habe ihm eben einen gebrochenen Zeh vergipst. Er soll jetzt nach Hause gehen und sich hinlegen. Aber er will unbedingt vorher mit Ihnen spre- chen!" - Der rotblonde Junge erzählte folgende Geschichte: "Vor ein paar Monaten fand ich in der Gießerei einen zerknitterten Zehnmarkschein auf dem Boden. Ich steckte ihn unbemerkt ein, und da niemand nach dem Geld fragte, behielt ich das Geld und ging abends ins Kino. Am nächsten Morgen fragte der Werkmeister, ob niemand zehn Mark gefunden hätte. Er glaubte, daß sie ihm aus dem Overall gerutscht seien. Ich schwieg, obwohl ich den Werkmeister gern hatte. Um aber die Sache wiedergutzumachen, sparte ich mir das Geld zusammen, schob dann heimlich den Geldschein unter den Werk- zeugschrank, 'entdeckte' ihn dort später und überreichte ihn meinem Meister. Er war ganz gerührt über meine Ehrlichkeit und sagte: 'Du kannst ihn behalten, weil du so ehrlich bist!' Ich hatte den Meister bestohlen und belogen und wurde nun noch dafür belohnt! Was sollte ich tun? Ich wußte nicht mehr aus noch ein. Heute war es besonders schlimm. Der Meister klopfte mir anerkennend auf die Schulter. Als ich ihm einen Werkzeugkasten bringen sollte, glitt er mir aus den Händen und fiel auf meinen Fuß. Vor Schmerzen wurde ich fast ohn- mächtig. Da wußte ich: Das ist meine Strafe. Wahre Reue liebt die Strafe! Der Junge hat sie nicht nur geliebt, er hat sie gesucht! Er hat den Diebstahl, die Lüge und dann gar die Belohnung einfach nicht mehr ertragen. Allein hätte er es vielleicht nicht geschafft, sich auch zu seiner Schuld zu bekennen. Die Reue war da, es fehl- te nur noch ein winziger Schritt... Hier kam ihm der Unfall zu Hilfe. Ob Gott ihn nun wirklich geschickt hat, ist gleich. Der Junge hat es so verstanden. Und er gibt ihm den entscheidenden Anstoß: Endlich davon reden, endlich heraus damit, endlich bekennen und frei werden! Gewiß, hier lag die - so empfundene - Strafe vor dem Bekennen. Aber spüren wir nicht gerade daran, wie wichtig auch Strafe ist? Ob nun vor oder nach der Schuld, Strafe - oder was wir dafür an- sehen - kann uns helfen, Sünden loszuwerden, fühlbar Vergebung zu empfangen, erfahrbar frei zu werden! Noch einmal: Dadurch haben wir dann nicht unsere Sünde selbst abgetragen. Das nicht! Das ist und bleibt das Werk unseres Herrn, Jesus Christus. Aber wir haben uns zur gültigen Verge- bung führen lassen, auf dem Weg, den Gott dafür vorgesehen hat: Vom Bereuen über das Be- kennen zum Wiedergutmachen oder auch zum Tragen einer Strafe, aber eben auch zum Frei- werden und zur Freude! Wahre Reue liebt die Strafe, so hat Luther gesagt, unser Reformator, auf den wir Evangeli- schen uns berufen. Darum ist für uns nichts von diesen Dingen überholt oder abgetan! Es gilt auch für uns die Reue, das Bekennen und wenn Gott will auch die Strafe als Bedingung für Gottes Gnade! Aber es gilt eben auch, daß uns allein Jesus Christus diese Gnade am Kreuz erworben hat. Ihm sei Dank in Ewigkeit!