Themapredigt zum Thema: Leiden - gehört mit der Themapredigt 1 zusammen! Liebe Gemeinde! "Warum müssen wir Menschen leiden?" Diese Frage war letzten Sonntag offen geblieben. Vielleicht konnten sie ja mitgehen, wenn ich sagte: Es ist so viel Böses in der Welt, weil wir frei sind, zu wählen und zu entscheiden, Recht oder Unrecht, Gut oder Böse, mein Wille oder Gottes Wille. Und wir sind frei, weil Gott uns so haben will, nicht Marionetten, die wie an Fäden seinen Händen folgen müssen - Gott will freie Menschen, die ihn lieb haben, ihm gehorchen, ihn ehren - weil sie selbst das wollen! Wie gesagt, vielleicht konnten sie dazu ja sagen, vielleicht deckte sich das mit ihrer Lebenserfahrung... Warum aber müssen so viele - unschuldige Menschen - Böses leiden? Was hat das Kind getan, das dem modernen Straßenverkehr nicht gewachsen ist und unter das Auto kommt. Der Fahrer mag verantwortlich sein: zu schnell gefahren, nicht aufgepaßt, alkoholisiert...aber das Kind, das unter den Rädern seines Wagens stirbt, wo ist seine Schuld??? Kriegsopfer kommen uns in den Sinn, für immer verkrüppelt oder sonstwie geschädigt, Millionen, die im Krieg blieben, oder in Gefangenschaft starben. - Warum dieses Leid? Die Politik, die zum bewaffneten Konflikt führt, die Hetze der Kriegstreiber und Geschäftemacher, der entscheidende Befehl der Generäle - dahinter könnten wir wohl Bosheit, Schuld und Verantwortung sehen...aber bei den Opfern??? Und bei uns ganz persönlich - gibt es da nicht auch Schmerz und Leid, das wir nicht begreifen, das wir mit dem gütigen Gott nicht zusammenreimen können? "Persönlich" - das scheint mir überhaupt das entscheidende Stichwort. Ich glaube, ich kann nicht über das Leiden der anderen Leute sprechen und dann gar zu deuten versuchen: Das kommt davon... Du mußt da hindurch, weil... Persönlich wird gelitten. Jeder für sich...allein? Wir wollen sehen. Ich will hier jetzt einmal Menschen zu Wort kommen lassen, die leiden müssen, bzw. mußten. Hinter jedem Beispiel, das ich wähle, steht ein Stück Wirklichkeit, wie ich sie erlebt habe. Ich verkleide die Personen nur ein wenig, damit alle, die mich kennen, die Frage nicht ablenkt, ob das denn dieser oder jener gewesen ist, von dem ich erzähle. Es mag uns genügen, daß hinter jedem von dem ich erzähle, ein ganz konkreter Mensch mit seinem Schicksal steht. Vielleicht hilft uns ja das Erlebnis und das Bekenntnis anderer, die leiden müssen, mit dem eigenen Leid fertigzuwerden? Lassen wir sie also selbst reden: Der erste ist ein alter Mann auf den Sterbelager, Krebs in letzten Stadium. So hat er zu mir von seinem Leid gesprochen: "Wissen Sie, Herr Pfarrer, mein Leben war nicht so... Immer viel geschafft, von morgens bis abends. Ich habe auch Einiges erreicht, gewiß! Aber was nützt mir das jetzt? Wenn die Gesundheit nicht mehr da ist? Über Gott und den Glauben habe ich mir früher nie Gedanken gemacht. Dazu ist später noch Zeit, dachte ich immer. - Jetzt bleibt auf einmal keine Zeit mehr. Ich denke, Gott straft mich jetzt - mit dieser Krankheit, mit diesen Schmerzen... Ob er am Ende doch so einen wie mich noch brauchen kann? Ob Gott mir diese schwere Zeit schickt, damit ich doch noch begreife, mich doch noch bekehre, wie ihr Pfarrer das nennt...was meinen sie? Ob doch noch Hoffnung ist für einen wie mich??? Die zweite, auf die wir hören wollen, ist eine junge Frau, seit 10 Jahren sitzt sie im Rollstuhl: Das ging schnell, damals. Sprung in einen Badesee...ich kam zu tief hinunter. Als ich aufwachte, war ich gelähmt - von der Hüfte abwärts. Die Verlobung ging damals in die Brüche. Er wollte nicht mit einem Krüppel leben, hat er gesagt. Naja, er hat wenigstens nicht drumherum geredet. Es ist immer wieder schwer für mich zu denken: Das wird nie mehr anders, keine Hoffnung... Aber irgendwie - ich weiß nicht, ob sie das verstehen können - irgendwie lebe ich heute intensiver. Ich war ja noch ein ziemlich junges Ding damals, sehr oberflächlich und flatterhaft... Heute erkenne ich erst, was das heißt: Gesund sein, leben dürfen - ja, das Leben erscheint mir jetzt unendlich wertvoll, ich bin dankbar, leben zu dürfen - selbst so... Ich möchte diese Erfahrung nicht missen - auch wenn ich sie auf so schlimme Weise habe machen müssen. Mein Unfall hat mir irgendwie die Augen geöffnet, worauf es im Leben wirklich ankommt. Die dritte, von der ich erzähle, ist eine alte Frau, Siechtum seit einem Schlaganfall, bettlägerig. Sie hat so zu mir gesprochen: Ach, der Herr Pfarrer, schön, daß sie mich wieder einmal besuchen kommen - ich war in letzter Zeit viel allein. Das heißt, man sagt das halt so, aber eigentlich stimmt das ja gar nicht! Ich mußte in den letzten Wochen viel an Jesus denken. Er hat ja doch auch schwer gelitten. Eigentlich hat er das alles doch auch durchgemacht...noch schlimmer vielleicht. Mich tröstet das. Ich glaube, er ist mir nah, wenn die Schmerzen kommen und wenn ich nicht schlafen kann in der Nacht, wenn ich nach der Schwester rufe und keiner kommt... Es ist gut, das zu wissen: Er kennt das Leiden, er ist selbst auch da durchgegangen. Manchmal meine ich, ich fühle es wirklich, daß er da ist, neben mir...ob das bloß Einbildung ist, Herr Pfarrer? Aber helfen tut es mir! - - - Vielleicht ist ihnen das aufgefallen, liebe Gemeinde, keiner der drei hat gefragt: Warum? Warum muß ich leiden? Ist das ein Zufall? Ob der Mensch, der selbst leidet, vielleicht gar nicht so fragt, sondern nur wir...als Außenstehende, als Menschen, die nicht so, nicht so sehr leiden müssen?! Bekommen wir vielleicht Antwort, wenn wir selbst im Leid sind? Werden wir dann vielleicht auch persönlich erfahren, warum? Und hat nicht jeder von uns schon einmal eine Ahnung davon bekommen, wofür auch das Leiden gut sein mag: Daß es mich vielleicht zurechtbringt, daß es mir zeigt, wie wertvoll das Leben ist, daß ich erlebe, daß Jesus selbst mir dann beisteht...und mancher hat persönlich noch ganz andere Erfahrungen gemacht. Gefragt: Warum - haben wir dann nicht mehr! Es mögen einige unter uns sein, und manche jetzt zuhören, die noch nie so tief hinunter mußten, die das Leid noch nie haben kennenlernen müssen. Vielleicht aber ist es gut, vorbereitet zu sein, gewappnet für das, was morgen schon eintreten kann. Mir persönlich scheint das besonders wichtig: Daß unser Gott nicht irgendwo weltenfern im Himmel thront, sondern daß er heruntersteigt in die Tiefe des Lebens, noch tiefer als je einer von uns hinunter muß. Im Viehtrog fängt er an. Durch jegliches Leiden geht er - und endet am Kreuz. Warum leidet dieser Gott selbst? Warum erspart er sich das nicht? - Wenigstens auf dieses Warum ist die Antwort leicht: Denn wüßten wir sonst, daß wir im Leiden nimmermehr allein sind? Wüßten wir, Du und ich, sonst, daß wir einen haben, der dann neben uns steht? Wüßten wir, daß dann einer unsere Hand hält - und nicht losläßt? Und wüßten wir auch, wohin es - durch das Leid hindurch - mit uns geht?: Diesem Jesus nach - durch die Auferstehung - zum Leben, dorthin, wo kein Leid, keine Tränen, kein Schmerz mehr sein wird! Wir sollten das nie vergessen: Daß wir einen mitleidenden Gott haben, einen Gott, der uns niemals, keine Sekunde allein läßt, einen Bruder, der immer an unserer Seite bleibt und jedes Dunkel mit uns durchsteht. Vergessen wir es nie! Wer weiß, wann es für uns soweit ist, daß uns alles andere unwichtig wird und gleichgültig und uns nur dieses Wissen noch helfen kann!? Mindestens ein Rätsel bleibt jetzt. Und vielleicht hat ja mancher von uns auch schon so gefragt: Warum nur bleibt manchem - guten - Menschen nichts erspart, wie wir sagen? Von Kindheit an nur Schweres erlebt, kaum ein paar glückliche Jahre, dann der Ehegatte gestorben, Krankheiten, immer wieder Unglück, Not, Schmerz bis hin zu einem qualvollen Tod. Warum? - fragen wir. Will denn Gott Leute haben, die leiden, die seinem Sohn sichtbar nachfolgen. Braucht Gott solche Menschen, um uns zu zeigen: Daß man selbst im Leid noch sein Lob singen, daß man selbst unter Schmerzen den Glauben festhalten kann und selbst in letzter Not seinen Herren nicht loslassen muß? Sollen diese Menschen uns das zeigen? Vielleicht denken einige von uns jetzt ja auch an gegenteilige Beispiele: Von Jugend an auf der Siegerstraße: Immer vorndran, immer erfolgreich, alles verlief nach Plan. Alles wurde mitgenommen, nichts ausgelassen - und das Schicksal spielte mit: Gesund bis ins Alter. Nur immer für diese Welt gearbeitet. Für Gottes Sache nie Interesse gehabt. Den Herrn Jesus nie gekannt. Am Ende dann ein leichter Tod, ein schönes Sterben, hinübergeglitten sanft wie im Schlaf. Wir fragen auch hier: Warum? Ich muß vor diesem Hintergrund daran denken, was dieses Leben eigentlich ist, angesichts der Ewigkeit, die Jesu Leute erwartet. Und ich frage mich und will es aussprechen: Ob nicht das Leben in Saus und Braus alles ist, was der Mensch, der ohne Gott leben will, gewährt bekommt - und ich frage mich weiter: Ob wir solche Menschen wirklich beneiden sollten? Hören wir noch auf den Text für diese Ansprache, er steht im Römerbrief: Kap. 8, 18-21 und 35-39 Denn ich bin überzeugt, daß dieser Zeit Leiden nicht ins Gewicht fallen gegenüber der Herrlichkeit, die an uns offenbart werden soll. Denn das ängstliche Harren der Kreatur wartet darauf, daß die Kinder Gottes offenbar werden. Die Schöpfung ist ja unterworfen der Vergänglichkeit - ohne ihren Willen, sondern durch den, der sie unterworfen hat -, doch auf Hoffnung; denn auch die Schöpfung wird frei werden von der Knechtschaft der Vergänglichkeit zu der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes. Wer will uns scheiden von der Liebe Christi? Trübsal oder Angst oder Verfolgung oder Hunger oder Blöße oder Gefahr oder Schwert? In dem allen überwinden wir weit durch den, der uns geliebt hat. Denn ich bin gewiß, daß weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn.