Ansprache zur Beerdigung - Plötzlicher Tod einer alten Frau Offb.2,10 Liebe Trauergemeinde, liebe Angehörige! Wir haben vor Tagen davon gesprochen, was das doch für ein wunderbares Wort ist, das E. S. bei ihrer Einsegnung mit auf den Lebensweg bekommen hat. Und die Worte an solchen Lebensstationen sind ja nicht irgendwelche Verse aus der Bibel, einmal gesagt und gehört - und dann nie mehr be- achtet. Wie oft haben solche Worte der Taufe, der Konfirmation oder der Trauung doch auch Kraft, ein Leben zu beeinflussen, ja zu bestimmen. Ob der Konfirmationsvers von E. S. nicht auch in ihren Lebensjahren Kraft hatte und wahr geworden ist? Sei getreu bis an den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben. So heißt dieser Vers. Und ich glaube, wir können sagen: Das war ihr Vers! Er paßt zu ihrem Leben. Wir sehen einander ja nicht ins Herz, aber wir haben an ihr gesehen: Daß sie treu war bei dem, was sie einmal als Konfir- mandin versprochen hat. Daß sie treu war bei der Sache Gottes - auch durch eine sehr harte Zeit des Krieges und der Trennung von ihrem Mann. Daß sie treu war und blieb auch dann, als Gott ihr den Gefährten so weit vor der Zeit genommen hat. So - wie wir Menschen halt die Treue messen können - ist sie treu gewesen: Bei Gott, beim Glauben, treu zu ihrer Gemeinde und zur Kirche. - Bei ihr also ist - menschlichem Ermessen nach - dieser Vers durch ein ganzes Leben hindurch wahr und kräftig geworden. Jetzt aber wollen wir dieses wunderbare Wort für uns hören und fragen, was es in seiner tiefsten Be- deutung meint und wie es mit seiner Wahrheit bei uns aussieht. Denn wir sind jetzt hier und an uns richtet sich jetzt dieses Wort. Und wir brauchen ja auch Weisung für unser Leben, Hinweis auf den richtigen Weg, einen Fingerzeig auf das große Ziel hin. Und wir wollen E. S. diese letzte Ehre er- weisen, daß wir nun auch auf ihr Wort hören und es als ihr Vermächtnis an uns begreifen. Sei getreu bis an den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben. Wer redet hier? Wer spricht uns so an: Sei getreu... ? Einer, der selbst treu war bis zum Tod. Der das Leid dieses Lebens bis zur Neige ausgekostet hat. Der alle Schmerzen getragen, die tiefste Ein- samkeit erduldet, der am Kreuz gestorben ist - von allen verlassen. Jesus Christus. Sei getreu bis an den Tod! - Er war es! Aber es spricht hier auch der, den Gott auferweckt hat aus dem Tod, dem der Vater im Himmel die "Krone des Lebens" geschenkt hat. Seine Treue auf dem Weg des Leidens und der Schmerzen führt ihn zum Leben. Sein Gehorsam bis ans Kreuz, sein Vertrauen zum Vater - auch wo der Weg ganz dunkel wird und unbegreiflich - wird belohnt: Seine Treue besiegt den Tod. Er gewinnt die "Krone des Lebens", er: Jesus Christus. Er hat sie erworben. Und schließlich spricht hier auch der Herr, der einst wiederkommen wird, "zu richten, die Lebenden und die Toten", wie wir's im Bekenntnis unseres Glaubens aussprechen. Es ist die Stimme dessen, der "sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters". - Es redet hier der Herr, der treu war bis in den Tod, der die Krone des Lebens verdient hat und der einmal der Richter sein wird über uns, Jesus Christus. Aber was heißt das? Was verlangt dieses Wort von uns: Sei getreu bis in den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben? Ist von uns die gleiche Treue gefordert, wie sie der Herr hatte? Können wir das? Sind wir "treu" gar "bis an den Tod"? Ich muß bekennen, daß ich oft nicht einmal treu sein kann vom Morgen eines Tages bis zum Abend. Da weiß ich doch, daß ich Gottes geliebtes Kind bin, daß er mich hält in allem, was mir begegnet, in den glücklichen Stunden sowieso - aber auch in den schweren ... Aber da wirft mich doch das klein- ste Unglück um, das mir widerfährt. Da kann ich schon nicht verkraften, daß ein Tag nicht so ver- läuft, wie ich ihn mir gedacht habe. Da kommt ein Anruf, der mich ängstigt. Da geschieht etwas in meiner Nähe, was mich in Furcht und Schrecken stürzt. Da ist von einer Minute auf die andere ver- gessen, daß ich einen Vater im Himmel habe, der mein Leben bewahrt und meine Schritte begleitet. Da geht es nicht mehr in meinen kleinen Verstand hinein, daß mein Gott mich zwar nicht an allem Leid und Schrecken vorbei-, daß er mich aber mitten hindurchführt! Da verliere ich dann - wegen ei- ner kleinen Durststrecke unterwegs - das große Ziel aus den Augen. Da starre ich nur noch auf die paar Steine, die jetzt vor meinen Füßen liegen - die "Krone des Lebens" ist nicht mehr in meinem Blick. Nein, ich bin nicht treu! Wie geht es anderen? "...getreu bis an den Tod..." Ja, freilich, etwa durch die Konfirmandenzeit treu zu sein, das gelingt uns noch. Kaum eingesegnet aber, kommt den meisten aus dem Sinn, daß sie Treue versprochen haben zu Jesus Christus und seiner Gemeinde. Und bei den etwas älteren, reife- ren Menschen? Ja, wir sind treu - mit dem Mund und unserem Namen: Wir heißen Christen. Aber es sieht manchmal so aus, als wäre das der Name für die Schönwetterperioden unseres Lebens. Klar, stehe ich zu diesem Herrn, nach dem ich heiße, wenn ich gesund bin, wenn ich Arbeit habe, wenn es in der Ehe stimmt und keine äußere Not an meine Tür klopft. Da kostet "Treue" ja auch nichts. Was aber ist, wenn die Krankheit oder die Behinderung eintritt in mein Haus? Wenn ich meinen Arbeits- platz verliere? Wenn meine Ehe gefährdet ist und sich das eisige Schweigen zwischen uns breit- macht? Und erst dann, wenn das Auskommen nicht mehr gewährleistet ist, wenn das Schicksal mich so schlägt, daß es an die Substanz geht? Wie strapazierfähig ist mein Name: Christ? Wie leicht kommt es mir dann noch über die Lippen: Mein Herr heißt Jesus! Ich glaube an Gott! Wieviel hält unsre "Treue" aus? Oft genug ist sie dann erlegen, nicht wahr? Die Treue reichte beileibe nicht bis zum "Tod". Gerade noch bis zur "Not" ist sie gekommen, bis ans Krankenlager, bis zur Stunde, da wir die Gewißheit hatten: das wird nicht mehr... Oder jetzt in diesen Tagen des Erschreckens und der Trauer bei die- sem so plötzlichen Sterben, das wir ja auch nicht mit Gott und der Güte, die wir von ihm erwarten, reimen können. Wo gestehen wir dem himmlischen Vater denn zu, daß wirklich "sein Wille gesche- he", wie wir's im Gebet unseres Herrn beschwören? Ist unsere Treue und unser Glaube nicht meist schon da aufgebraucht, wo unser Leben nicht mehr nach Wunsch verläuft? Wie stark ist unser Ver- trauen, daß unser "Vater im Himmel" einen weiteren Plan der Welt und für die Menschen verfolgt und eine höhere Sicht der Dinge und des Lebens hat als wir? Da aber finge Treue erst an, wo wir unbeirrbar den Weg in der Spur Jesu Christi gingen, wo immer sie hindurchführt und was immer uns unterwegs auferlegt wird. Dieser Weg allein wäre der rechte. Ihm allein winkt die Krone des Le- bens! Nein, wir sind oft nicht treu! Und weil wir nicht treu sind bis an den Tod, können wir die "Krone des Lebens" nicht verdienen.- Aber: Gott sei Dank müssen wir das auch nicht! Einer hat sie ja schon erworben: Jesus Christus. Er - der allein treu war bis zum Tod - will sie mit uns teilen. Nicht mehr durch unser Verdienst, nicht mehr durch unsere Mühe, die dann belohnt würde, erlangen wir das Leben. Es wird uns geschenkt. Treu sein bis an den Tod heißt nun für uns, daß wir uns nicht mehr auf uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen. Nicht mehr: "Ich will mir das Leben bei Gott erwerben, indem ich untadelig lebe, seine Sache vorantreibe, mich mühe und schufte... Wir können es nicht. Treu sein, heißt jetzt für uns: An diesen Christus glauben, daß er allein alles getan hat, was uns die Krone des Lebens erwirbt. Wir können sie nur geschenkt bekommen! Treu sein, wird nun aber nicht heißen, daß ich schläfrig werde und gleichgültig gegenüber Gott und seinem Willen. Ich kann ihn nicht erfüllen - und ich brauche ihn seit Christus nicht zu erfüllen, je- denfalls nicht um das ewige Leben zu verdienen. Aber ich möchte den "Christen" sehen, der das Ge- schenk dieser Krone begriffen hat, der dann nicht aus Dank und Freude alle Mühe darauf wenden wird, Gott und dem Mitmenschen das Geschenk des Lebens und alle guten Gaben tätig zurückzuer- statten. In diesem Tun aus Dank und Freude wird auch meine Treue neu werden und widerstandsfähiger! Die Krone des Lebens ist schon mein! Keiner kann sie mir mehr nehmen, denn Gott hat sie mir schon geschenkt! Im Vertrauen zu Christus hat er mir die Krone schon auf den Kopf gesetzt. Nun kann ich leichter durch die Angst gehen. Nun schreite ich aufrecht durch das Leid. Es wird mich nicht von Gott trennen. Es ist mir nur eine Zeit lang auf den Weg gelegt. Ja, alles Schwere bekommt ein anderes Gesicht durch das helle Licht, das im Hintergrund schon brennt. Ich kann jeden Willen Gottes tragen, wenn ich nur weiß, daß er am Ende das Leben für mich will.- Und das weiß ich! Sei getreu bis in den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben. Lesen wir dieses wunderbare Wort - das uns heute gesagt wird - doch einmal von der anderen Seite her: Die "Krone des Lebens" ist verdient und Gott hat sie uns schon geschenkt! Jetzt können wir "treu" sein. Jetzt können wir im Glauben an Jesus Christus den Weg voranschreiten, den Gott uns gehen heißt. Wir können unterwegs unser Vertrauen zu seinem guten Willen festhalten, weil wir wissen: Der Weg hat das Leben zum Ziel. Die "Krone des Lebens" gehört uns schon. Ich wünsche uns die Treue, die diesem Geschenk Gottes entspricht. AMEN Wenn wir das folgende Lied singen, wollen wir jetzt doch auch dankbar daran denken, daß E. S. auf eine Weise aus dieser Welt gehen durfte, wie sie es sich immer gewünscht hat: Am Morgen eines Tages noch aufstehen können, leicht und rasch, ohne langes Siechtum und Leid hinübergehen. So wollen wir jetzt singen und bitten, das Gott ewig tut, was das Lied sagt: So nimm denn meine Hän- de...