Ansprache zur Beerdigung – Tod einer alten Frau, die viel Liebe verschenkt hat Mt. 11,29 Liebe Angehörige, liebe Trauergemeinde! Der Abschied von M. P. ist schwer. Je mehr ein Mensch uns gegeben hat, umso mehr vermissen wir ihn ja. Was könnte uns heute helfen? Worin könnte ein Trost liegen? Sie, liebe Angehörige, haben mir ein Wort genannt, über das ich jetzt wirklich gern sprechen möchte und über das wir nachdenken wollen. Es ist ein Jesuswort und es stand auf dem Konfirmationsschein von M. P.. Und so heißt dieses Wort aus dem Matthäusevangelium im 11. Kapitel: Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir...; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen. Gewiß denken wir da zuerst an ihr zuletzt doch so schweres Los: Wie ein Joch, wie eine Last hat Gott doch die Krankheit und das Leiden in ihren letzten Jahren auf unsere Verstorbene gelegt. Aber der andere Gedanke war uns viel wichtiger, die wir dieses Wort für diese Stunde ausgewählt haben: Nehmt auf euch mein Joch...und lernt von mir! Liebe Trauergemeinde, wir wollen nicht so sehr darüber nachsinnen, was wohl M. P. von Jesus Christus "gelernt" hat. Ihre Geschichte mit Jesus geht jetzt in einem anderen Leben weiter. Wir wollen dieses Wort als ihr Vermächtnis an uns verstehen und fragen: Was können wir von ihm lernen, der doch unser Herr ist und nachdem wir Christen heißen. Nehmt auf euch mein Joch...und lernt von mir! Liebe Gemeinde, ich glaube das hat mit der Liebe Jesu zu tun, sie sollen wir zuerst lernen. - Wie ist diese Liebe? - Selbstlos ist sie! Sie denkt nicht zuerst an sich, sie sieht immer den anderen, den Mitmenschen, den Nächsten, wie wir gern sagen. Sie kann von sich selbst absehen, kann verzichten. Das glückliche La- chen eines Menschen, der geweint hat, ist ihr schönster Lohn! Eines Menschen Freude, dem wir Zeit ge- schenkt haben, erwärmt uns das Herz. Der Arme, mit dem wir unser Hab und Gut teilen, gibt uns Dank- barkeit zurück, die uns froh macht. Wenn ein anderer nach langen Tagen der Trauer wieder erste eigene Schritte gehen kann, dann wissen wir: Unsere tröstenden Worte haben geholfen! Alles das tut die Liebe, die Jesus gemeint hat. - Aber wie kann sie das? Auch hierzu hätten wir von M. P. sicher einiges erfahren können, aber wir wollen auch hier nach uns fra- gen, denn wir wollen diese Liebe ja lernen. - Ich glaube, das besondere an Jesu Liebe ist - außer daß sie selbstlos ist, daß sie sich nicht aufbraucht. Sie ist wie das Wasser eines Brunnens: Wir schöpfen aus ihm, wir trinken von ihm und doch wird er nie leer; immer neu wird sein Wasser, unerschöpflich seine Fülle. Das macht die Liebe Gottes, die hinter der Liebe Jesu steht, die alle Liebe in seinem Sinn immer wieder neu werden läßt. Wie gesagt, das hätten wir M. P. nicht erklären müssen. Ihre Liebe zu ihren Angehörigen und anderen Menschen war wohl angeschlossen an diese ewige Quelle. Aber auch wir haben unsere Erfahrungen mit dieser Liebe, ganz gewiß! Und sie gehören sicher zu dem Schönsten, dem Wertvollsten, was wir im Le- ben erfahren durften. Und vielleicht haben sie uns glücklich gemacht? Vielleicht denken wir gern an sie und die Freude, die sie in unserem Herzen ausgelöst hat. Und doch: Wir können nicht immer so sein, daß wir der Liebe, die Jesus meint, nachkommen. Ich möchte ein paar Hinweise geben: Vielleicht erinnern wir uns heute an ein Erlebnis mit der Liebe Je- su... Wie wir dem wirklich zugehört haben, der uns von seinem schweren Leben erzählt hat, wie wir An- teil genommen haben und dann wirklich ein paar hilfreiche Worte sagen und den Menschen auch wirklich ein Stück auf seinem schweren Weg begleiten konnten. War das nicht auch für uns selbst hilfreich? Ja, war es nicht wunderbar, helfen zu können und den Dank eines Menschen in seinem Gesicht zu lesen und den Glanz in seinen Augen zu sehen? Oder denken wir daran, wie uns vielleicht in diesen Tagen das Herz und der Geldbeutel für die aufgegan- gen ist, denen buchstäblich ihr ganzes Leben und all ihr Hab und Gut in den Fluten eines katastrophalen Hochwassers davon geschwommen sind - und bei manchen die Hoffnung auf einen Neubeginn sicher gleich mit. Auch hier haben wir gewiß empfunden, wie gut das tut, mit einer Spende oder einer materiel- len Hilfe neue Zuversicht und neuen Mut zu schenken. Aber - wie gesagt - nicht immer gelingt uns diese Liebe: Es kommen uns jetzt gewiß auch Ereignisse in den Sinn, Begegnungen mit Menschen, bei denen wir versagt haben: Wir konnten eben nicht von uns selbst absehen, wir haben nicht geteilt, wir sind bei uns geblieben mit unseren Bedürfnissen, unseren Plä- nen, unseren Wünschen. In solchen Stunden haben wir sicher auch das erfahren: Wie wenig Verheißung die Selbstliebe hat, wie gering die Freude, die sie ausstrahlt, wie kurz ihre Dauer und wie fad ihr Ge- schmack. Jesu Liebe ist anders, denkt an andere. Was wir sonst in dieser Welt Liebe nennen, bringt das nicht zu- stande! Unsere menschliche Liebe bleibt immer bei uns selbst. Sie kreist - um mich selbst. Sie interessiert sich - zuerst für sich selbst. - Nehmt auf euch mein Joch...und lernt von mir! Jesu Liebe verschenkt sich, ohne zu sparen. Und sie kann das auch, weil sie immer wieder neu wird. Liebe Trauergemeinde, ich kann mir nun eigentlich nichts besseres vorstellen, als daß ich bei diesem Ab- schied heute, für diese Liebe werbe, für sie eintrete und an ihr Freude und zu ihr Lust mache! Das ist auch deshalb so passend heute, weil mir die Angehörigen erzählt haben, wie viel an solcher Liebe, sie an M. P. erleben durften. Ja, ich will einladen zur Liebe Jesu: Wenn das nächste Mal ein Mensch in unserer Nähe unser gutes Wort oder unser Hand braucht, dann wol- len wir nicht zögern, zu geben, was wir geben können. Wir wollen uns Zeit nehmen und gerne unsere Kraft investieren - und wir dürfen ganz gewiß sein, uns wird die eigene Kraft dabei nicht ausgehen. Und wenn vielleicht schon morgen unser Engagement gefragt ist, daß wir uns mit Geld oder guten Ideen daran beteiligen, was anderen, vielleicht unserer Dorfgemeinschaft nützt, dann wollen wir nicht fragen, was denn andere gegeben haben oder andere aufbringen, sondern wollen selbst eintreten in die Arbeit und dürfen Vertrauen haben, daß wir nicht allein bleiben, sondern auch andere Mut bekommen, mitzumachen. Und wenn uns demnächst Menschen begegnen, die traurig sind und denen die Welt dunkel und hoff- nungslos ist, dann wollen wir ihnen um der Liebe Christi willen wieder vom Leben reden, ihnen mit Ge- danken der Hoffnung neue Kräfte schenken und bei ihnen aushalten, bis sie wieder den Namen ihrer Ver- storbenen nennen können, ohne daß ihnen die Tränen in die Augen steigen. Nehmt auf euch mein Joch, und lernt von mir! Und das schönste wird sein, liebe Gemeinde, daß wir bei dieser Liebe, die wir geben, nicht ärmer, sondern viel reicher werden! Reicher an Glück, reicher an Zufriedenheit, reicher an Freude... Und davon spricht auch der zweite Teil des Verses, den wir heute be- denken: So werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen. Wahrhaftig, es macht ruhig, nicht immer nur mir selbst, meinem Vorteil und meiner Wohlfahrt nachzulaufen. Es gibt Ruhe ins Herz, wenn wir im Mitmenschen, in unserem Nächsten und in der Gemeinschaft, die uns umgibt, das Ziel all unseres Strebens finden. Es tut unserer Seele wohl, wenn wir eins werden mit der Liebe, die von Gott kommt, die uns Jesus vorgelebt und geboten hat und die auch wir leben und tun sollen und können. Liebe Angehörige, liebe Trauergemeinde, ich denke mir, wir hätten M. P. keine größere Freude machen können, wir könnten ihr Andenken nicht besser ehren, als wenn wir von heute dieses Wort mit in unser Leben nehmen, daß wir's nicht mehr vergessen, sondern nach Kräften beherzigen: Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir...; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen.