Ansprache zur Beerdigung - Tod einer Frau nach längerem Leiden Eph. 2,19f Liebe Angehörige, liebe Trauergemeinde! Gar so alt ist O. E. ja nicht gewesen. Aber dennoch: Sie hat es lange gewußt, wie es um sie steht und sie konn- te darüber reden, worauf sie zugeht. Da war bei ihr weniger Angst als vielmehr so etwas wie Ergebung, Ein- sicht und Vertrauen. Das ist ja nicht immer so. Zuletzt nun mußte sie nicht gar zu lang leiden und der Tod kam zu ihr wie ein Freund und so - wie sie es sich immer gewünscht hat. Sanft, ohne Kampf hat er sie hinübergelei- tet. Auch ihr nicht so leichtes Leben hat sie so annehmen können, wie es war, ohne daß sie bitter geworden ist. Wir können das ja gewiß nachfühlen, was es etwa heißt, zwei Kinder so früh hergeben... Und über mehrere Jahre den Mann pflegen müssen, ist auch nicht einfach gewesen... Trotzdem: Sie war nicht bitter. Sie konnte auch das Schöne ihres Lebens sehen und darüber sprechen. Etwa über die - wegen der vielen Arbeit, die sie in der Landwirtschaft immer hatte - nur kurzen Reisen, die sie mit ihrem Mann machen konnte, was sie gesehen hat von der Welt, wie schön das war. Da leuchteten ihre Augen, wenn sie davon erzählte! Ja, ich glaube, O. E. war zufrieden mit ihrem Leben, trotz aller Arbeit, aller Mühe, allem persönlichen Leid...zufrieden. - Es ist gut, wenn man das von einem Menschen sagen kann, der von uns Abschied nehmen mußte. Es hat unserer Ver- storbenen gewiß bei diesem Abschied geholfen. Aber da gibt es auch andere Gedanken: Denn hilft das denen, die nun zurückbleiben? Macht das die Leere des Hauses erträglicher? Läßt das ihre Stimme weniger schmerzlich vermissen? Gibt das einen Trost für die Men- schen, die sie verloren haben? Sie müssen weiterleben ohne sie. O. E. wird ihnen sehr fehlen und auch die Aufgaben, all die Dienste, die das Leben mit ihr zuletzt - bei mancher Mühe - für sie bedeutet hat, wird ihnen fehlen. Da ist eine Lücke entstanden - die kann kein Mensch mehr ausfüllen. Das schmerzt und das tut weh jetzt - ohne sie - allein zu sein. Und da kommen ja jetzt gewiß auch wie von selbst Bilder vor ihre Augen: Das Sofa, auf dem sie immer gesessen, wird nun leer bleiben. Der Stuhl am Fenster, ihr Platz am Tisch... Wie oft werden sie dorthin blicken und die traurigen Gefühle werden wieder da sein... Wir empfinden das jetzt ganz deutlich: Es gibt keinen noch so "guten Abschied", der diesen Verlust wettmach- te. Und es gibt kein schönes Sterben, das sie darüber hinwegtrösten könnte, daß jetzt diese Frau nicht mehr bei ihnen ist, die Mutter und Großmutter, die sie doch geliebt haben. - Trotzdem: Wir wollen, wir müssen darüber hinauskommen! Wir suchen Trost in dieser Stunde - und wir su- chen ihn im Wort Gottes, das uns zwar nicht das Leid erspart und den Schmerz der Trauer nimmt, das uns a- ber helfen will, diesen Tod und das Sterben überhaupt auch in einem anderen Licht zu sehen - im Licht der Hoffnung und im Licht der Auferstehung. Wer uns dieses Licht erworben hat, wissen wir: Jesus Christus. Sein Sterben für uns, sein Leiden für andere ist von Gott als unsere Versöhnung angenommen. So haben wir's im Konfirmandenunterricht schon gelernt. Gott reißt Jesus aus dem Tod, macht ihn zum Erstling der Auferstan- denen. Ihm sollen alle die ins Leben folgen, die ihn zum Herrn haben und seinen Willen tun. Ein Wort Gottes soll uns zur Widmung für diese Stunde werden es steht im Epheserbrief und es war der Kon- firmationsspruch von O. E... Paulus sagt dort: So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen, erbaut auf den Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist. Wie gesagt, mit ihrem Tod kann uns das wohl noch nicht versöhnen, aber ist das nicht tröstlich zu hören: Es gibt drüben ein "Haus" für ihre Mutter, Schwieger- und Großmutter. Sie wird dort Genossin Gottes sein, nicht nur Gast oder gar Fremdling. Und sie wird dort nicht allein sein! "Mitbürgerin" soll sie sein, dort, wo die "Hei- ligen" wohnen. Und dort, wo man ein Haus hat, eine ewige Bleibe, bei einem Gott, der uns seine engste Ge- meinschaft schenkt - sollte da nicht auch die Freude wohnen, ein Glück ganz unbeschreiblicher Art, Erfüllung und wirkliches Leben in der Nähe des Allerhöchsten? Macht uns das jetzt nicht doch ein wenig ruhiger, wenn wir an unsere Verstorbene denken? Sie hat alle Arbeit, alle Mühe, den Schmerz, das Leid, die Unvollkommen- heit dieser Welt eingetauscht gegen die Herrlichkeit der Nähe Gottes! Wir wissen nicht mehr darüber als dies: Daß wir Gottes Hausgenossen sein dürfen, drüben auf der anderen Seite des Lebens. Aber wird uns der Schöpfer, der uns gemacht hat, der uns unendlich liebt, nicht bei sich ein Leben schenken, das seiner Größe wert ist? Und auch das will uns stärken: So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mit- bürger der Heiligen... Wir müssen uns keinen Augenblick um unsere Verstorbene sorgen. Das Haus drüben ist schon bereit, wenn wir von hier fortgehen. Wir werden sozusagen erwartet. Hinter der dunklen Tür, vor der uns ja meist bang ist, wird es hell und in diesem Licht werden wir ungeahnte Wunder erblicken. Ich sage jetzt ganz bewußt: "Wir". Denn wir denken beim Sterben eines lieben Menschen ja immer auch an un- ser eigenes Sterben. Stellt nicht alles, was wir jetzt als Trauernde so schmerzhaft erleben, auch an uns selbst die Frage: Was wird aus mir, wenn ich einmal von dieser Welt gehen muß? Wenn das Haus jetzt leer ist, ohne sie, fragt das nicht: Wo gehe ich hin, wenn man mich einmal fortträgt? Wenn zu Hause der Klang einer ver- trauten Stimme fehlt, fragt das nicht: Wo werde ich sein, wenn auch meine Stimme dort verklingt, wo ich heu- te noch wohne? Darum lassen wir uns das doch auch sagen: So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremd- linge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen... Das möchte uns allen Mut machen. Und das möchte uns allen heute wieder einmal etwas in Erinnerung rufen, was wir in der Hetze, der Mühsal oder auch der Freude und Lust eines Lebens leicht vergessen: Unser Leben erschöpft sich nicht in den 70 oder 80 Jahren zwischen Geburt und Tod. Es kommt von Gott, und er erhält es uns, und er nimmt es uns am Ende wieder. Aber nicht, um uns dann für immer fallen und sterben zu lassen. Unser Weg in dieser Welt ist sinnvoll und hat ein Ziel. Wir sind nicht dazu bestimmt, einmal ins Nichts zurückzukehren, aus dem Gott uns einst ge- rufen hat. Wir sind beschenkt mit einem Leben in Gottes Ewigkeit. Gott wartet am Ende des Weges durch diese Welt auf uns - unser Haus bei ihm ist für uns bestellt. Da denken wir jetzt wieder an O. E.. Und wir spüren, wie sehr gerade diese Worte um das ewige Haus bei Gott mit ihr zu tun haben und für sie passen: Wir haben ja an ihr erlebt, wie das Schicksal sie gerade in den letzten drei oder vier Jahren immer mehr und immer intensiver zu Gedanken an den Abschied und Gottes neue Welt gezwungen hat? Und gewiß war es gerade diese Hoffnung, daß da in der Ewigkeit ein Haus ist für alle, die sie im Laufe des Lebens hier so schmerzlich hat verabschieden und vermissen müssen, die ihr geholfen und sie getröstet hat. Sie wußte in ihrem Herzen offenbar, daß die so früh verstorbenen Kinder und der Mann und all die anderen nun auf der anderen Seite des Lebens wohnen und zu Hause sind. Und - da bin ich ganz gewiß! - dieser Gedanke ist es auch gewesen, der ihr selbst jetzt den Abschied und das Sterben so leicht gemacht hat: Ich gehe aus meinem Haus in dieser Welt hinüber in eine ewiges. Dort werde ich nicht mehr nur zu Gast sein, dort bin ich auf ewig zu Hause! Und dort werde ich auch endlich die wiedersehen, die ich hier geliebt habe und dort ewig lieben darf. Aber kehren wir zu uns zurück. Eine Frage ist jetzt sicher in uns allen groß geworden: Ist das Haus bei Gott für jeden Menschen bereit? Ich zögere mit einer Antwort, denn wir geraten hier an die Grenze dessen, wor- über ein Mensch reden kann, reden darf. Ich möchte hier nur dieses Gotteswort sprechen lassen: So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen, er- baut auf den Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist. Da sind Menschen gemeint, die Jesus Christus kennen und bekennen. Ja, sagen wir es, wie es gesagt werden muß: Menschen, die an ihn glauben, an deren Leben hier man auch ablesen kann, daß Christus der Eckstein ih- res Lebenshauses ist. Wenn wir also fragen: Ist das Haus bei Gott für jeden Menschen bereit?, dann frage sich jeder selbst, wer der Herr seines Lebens ist, auf was er sein Vertrauen setzt, woran er glaubt. Fragen wir uns das ehrlich und ohne Ausflüchte. Den Seinen, den Freunden, den Bekennern und Nachfolgern hat Jesus das Haus ewiger Freude bereitet. Die können getrost und guten Muts nach vorn blicken, mag da Leid kommen, mag da der Tod schrecken. Dahinter fallen wir in die offenen Hände des Vaters, um für immer in seiner Nähe zu sein. So geben wir jetzt O. E. in Gottes Hände. Sorgen wir uns nicht um sie, denn für sie ist jetzt gesorgt. Diese Zuversicht wird uns helfen, unseren Schmerz über ihren Tod zu tragen und zu überwinden. Nutzen wir die Zeit, die uns bleibt, dazu, Vertrauen auf Gott und Glauben an Jesus Christus zu suchen und zu finden. Wer sich auf Gott verläßt und diesen Jesus Christus seinen Herrn nennt und ihn in seinem Leben auch wirklich den Eckstein sein läßt, der findet Ruhe, Gelassenheit und Erfüllung in dieser Welt - und die gewisse Hoffnung, daß es nach dem Tod mit ihm weitergeht. So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Haus- genossen, erbaut auf den Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist.