Ansprache zur Beerdigung - Längeres Leiden einer 80jährigen Kol. 4,2 Liebe Angehörige, liebe Trauergemeinde! Wie oft haben sie das wohl schon gehört in den vergangenen kaum zwei Tagen: "Ich kann das gar nicht glauben!" Wie viele Male mögen Sie, liebe Angehörige, das wohl gesagt bekommen haben: "Das kann doch nicht sein! So plötzlich...so rasch...wir wußten ja gar nicht, daß es so mit ihr stand." Und wirklich: Das ist heute anders als sonst meist, wenn wir einen Menschen betrauern! So schnell müssen unsere Lieben sonst nicht dahin, Gott sei Dank! Ja, ich glaube, das ist das Schlimmste an diesem Sterben, das ist das Schwere, das uns zusätzlich zu diesem Abschied auferlegt ist: Daß es so schnell ging, so schrecklich schnell! Sie hätten Ihrer Verstorbenen sicher gern noch dies und das ge- sagt. Sie hätten ihr gern noch gedankt, für so manches, was sie ihnen bedeutet hat...und sie hatten sie doch lieb. Sie konnten es nicht. Sie durften nicht noch einmal reden, danken...eben richtig Ab- schiednehmen. Ein Mensch hat sie verlassen - buchstäblich von einer Minute auf die andere - um nie mehr zurückzukehren! Er trat aus ihrem Leben hinaus - ohne ein Wort, ohne einen Gruß, ohne eine letzte Geste der Verbundenheit. Ich glaube, das macht alles so besonders schwer. Wenn ich da das Wort lese, das wir unserer Verstorbenen und uns jetzt widmen wollen, wird mir bewußt, daß auch dieser Vers anders ist als sonst die Worte zum Begräbnis. Es ist der Konfirmati- onsspruch von Lina Breuning, der mir wirklich wie bestimmt erscheint für diese Stunde des Ab- schieds von ihr, denn er spricht nicht zuerst zu ihr oder über sie und ihr Leben - sondern zu uns. Denn wir sind es ja, die jetzt Trost brauchen. Wir sind ja jetzt so allein. Wir wurden ja so im Nu verlassen. - Das ist dieser Vers: Seid beharrlich im Gebet und wacht in ihm mit Danksagung! Gewiß: Dieses Wort hat sicher auch mit unserer Verstorbenen geredet! Sie hat ja auch schwere Zeiten gehabt in ihrem Leben, Zeiten, in denen sie schon beharrlich sein mußte - auch im Beten: So lange Jahre war die schwerkranke Mutter zu pflegen, dann die Großmutter..., so lange war später ihr Mann im Krieg, die harte Arbeit in der Landwirtschaft und im Haushalt, dann selbst so lange krank und ans Haus gefesselt und abhängig von der Pflege anderer... Und schließlich die allerletzte Le- benszeit - gesundheitlich sehr beeinträchtigt, oft Schmerzen, häufig Tage, an denen ihr gar nicht wohl war. Seid beharrlich im Gebet und wacht in ihm mit Danksagung! L.B. hat ganz gewiß Zeiten kennengelernt, in denen sie buchstäblich wach lag vor lauter Schmerzen und Sorgen um ande- re oder um die eigene Gesundheit. Sie ist - allem nach, was Menschen voneinander wissen können - auch mit der Hilfe ihrer Beharrlichkeit im Beten hindurchgekommen! Sie hat sich begleiten lassen durch den, an den all unser Beten gerichtet ist. Gewiß wäre das also auch ein passendes Wort an sie... Dennoch scheint es mir jetzt mehr an uns gerichtet, und an sie, liebe Angehörige: Seid beharr- lich im Gebet und wacht in ihm mit Danksagung! Sie, die so plötzlich und unerwartet allein gelassen sind von ihr, sie stehen jetzt doch mitten drin in der Prüfung und Trauer dieses Abschieds und wissen weder Weg noch Richtung. Was soll denn nun werden? Die Familie ist nicht mehr dieselbe. Eine Hausgemeinschaft mußte ein wichtiges Glied her- geben, die Mutter, die Schwiegermutter, die Oma, die Hausgenossin und Freundin, die immer da war, und die ja auch - soweit sie das konnte - für alle da war, die sie liebhatten und die ihnen jetzt im gemeinsamen Leben so fehlt - und erst recht in ihren Herzen... Und an die kommende Zeit mögen sie gewiß gar nicht denken! Und ihre Mithilfe im Haus - so belastet sie durch die Krankheit auch war - werden sie auch vermissen: Eine Familie in der Landwirtschaft braucht ja viele Hände, viele Ver- richtungen, Einsatz von allen, an ihrem Ort, bei dem, womit sie sich in der Gemeinschaft einbringen können. Keiner kann sie ersetzen, weder in den Beziehungen noch in den Aufgaben, die Ihre Haus- gemeinschaft hat. Wahrhaftig: Dunkel ist das alles. Da kommen Fragen: Werden wir den Mut nicht verlieren, ohne sie? Werden wir zurechtkommen? Wird es wieder hell werden und wann? Und "warum" fragen wir auch, warum schon und warum auf diese Weise, so schnell, ohne rechten Abschied? Und wir wollen auch von den Ängsten sprechen, die uns jetzt überfallen: Ob die Einsamkeit nicht zu groß wird, ohne diesen Menschen? Ob wir die Trauer durchstehen können? Ob je wieder Freude in unser Herz einziehen kann und ein Lächeln auf unser Gesicht? Da hinein spricht nun dieses Wort: Seid beharrlich im Gebet und wacht in ihm mit Danksa- gung! Und wirklich: Das könnte ein Weg sein, wie sie durch die nun kommende Zeit der Trauer hindurchfinden: Betend, wachend und auch mit einem dankbaren Herzen dafür, was sie doch an der Verstorbenen hatten! Ihnen wird zugemutet, mit all ihren Fragen im Gebet vor Gott zu kommen! Ih- nen wird zugemutet, ihre Angst vor Gott zu bringen, daß sie nicht zu mächtig wird! Ihnen wird zu- gemutet, sich jetzt nicht zu fürchten in ihrem Unglück und auch an das zu denken, was doch des Dankes wert ist, wenn sie L.B. auch loslassen müssen. Seid beharrlich im Gebet und wacht in ihm mit Danksagung! Liebe Angehörige, ich möchte das jetzt nicht nur sagen, nicht nur empfeh- len...ich will es ihnen zu-sagen - auch als Verheißung: Es ist einer da, der sie jetzt sieht und hört und auf sie achthat. Sie sind nicht allein im Dunkel, sie werden begleitet, geführt, beschützt... Das mag uns schwer vorzustellen sein, daß da jetzt einer neben uns ist, den wir zwar nicht sehen, der aber doch die Hand über uns hält und uns jetzt hindurchbewahrt. Aber wir werden es erfahren! Immer wenn wir an L.B. denken, was sie uns bedeutet hat und daß es jetzt nicht mehr sein kann...und wenn uns dann die Tränen in die Augen treten, wird ER da sein, der gute Gott, mit den Gedanken seines Trostes, mit einer guten Erinnerung, die uns ruhig macht und stark. Immer wenn uns so ganz be- wußt wird - am Abend vielleicht - wie allein wir jetzt sind, ohne sie, dann wird ER unseren Blick auf die anderen Familienangehörigen lenken, die uns ja auch liebhaben und unser Leben mit uns teilen! Immer wenn in der nächsten Zeit die Ängste und die Fragen über uns herfallen, jetzt in der Trauer, wenn die Herzen doch so empfindsam sind, dann wird ER bei uns sein - mit seinem Beistand, seiner Hilfe, seiner Verheißung: Wir werden dann wissen, daß unsere Verstorbene ja nur von uns gegangen ist, aber nicht ins Nichts gegangen, sondern in Gottes Hände. Das wird uns still machen und getrost. Seid beharrlich im Gebet und wacht in ihm mit Danksagung! Das ist kein leeres Wort; das ist die Beschreibung für das, was wir im Glauben jetzt tun können und tun sollen: Beten, beharrlich sein und auch den Dank nicht vergessen. Dank wird uns helfen zu sehen, wieviel Güte Gottes wir durch L.B. auch erfahren haben. So werden wir leichter annehmen können, was Gott uns nun auferlegt hat. Liebe Angehörige, liebe Trauergemeinde! Ich glaube fest, daß die Kraft dieser guten Empfehlung noch viel größer ist, als die Schwere dieses allzu raschen Abschieds. Ich bin gewiß, daß die Hilfe Gottes stärker sein wird, als die Macht der Fragen und Ängste die jetzt nach ihnen greifen. Ich bin sicher, daß der Beistand, den sie erfahren werden, sie nur noch fester im Glauben machen wird und sie durch das Dunkel hindurchbringt. Seid beharrlich im Gebet und wacht in ihm mit Danksagung! Ich wünsche ihnen, liebe Familie Breuning, daß Sie wirklich tun können, was ihnen der Konfirmationsspruch von L.B.zuruft.