Ansprache zur Beerdigung - Tod eines 65jährigen 2. Mose 29,45 Liebe Angehörige, liebe Trauergemeinde! Wir haben der Witwe, den Kindern, der Schwiegermutter und den anderen Angehörigen von K. S. unser "herzliches Beileid" ausgesprochen. Manche von uns werden es erst nachher sagen: "Meine Anteilnahme, mein Mitgefühl" ... Das ist gewiß ernst gemeint. Wir folgen damit sicher keinem bloß vorgeschriebenen Brauch, keiner toten Sitte. Aber ich frage mich - und frage Sie alle: Können wir bei einem solchen Abschied wirklich mitleiden? Reicht unsere Vorstellungskraft, hier wirklich mitzufühlen? Beschränkt sich unsere "herzliche Teil- nahme" nicht doch auf diese Stunde in der Kirche und nachher an der Trauerhalle und am Grab? Was für eine Katastrophe ist doch über die Angehörigen hereingebrochen: Der Mann, der immer da war, ist nicht mehr. Eine Frau ist Witwe geworden, so früh, so offenbar vor der Zeit! 3 Kinder haben keinen Vater mehr, eine alte Frau, die Schwiegermutter, vermißt den Gesellschafter und Gesprächs- partner für die langen Stunden des Tages. Und er war erst 65! Noch kein Alter zum Sterben. Und es ist ja auch so plötzlich gegangen: Keine Zeit zur Vorbereitung - für ihn selbst nicht und für seine Lieben auch nicht. Es konnte ihm keiner mehr danken. Er war auf einmal unerreichbar für alle Wor- te. Weggerissen von seiner Familie, Abschiednehmen war nicht möglich. Und wir wissen ja alle, wie das ist - schon in dieser Welt und diesem Leben: Ein Mensch verläßt uns plötzlich - wir haben keine Gelegenheit mehr gehabt, ihm etwas wichtiges zu sagen: ein Dankeschön vielleicht, ein Wort der Hoffnung oder der Liebe... Wie warten wir dann darauf, daß wir uns wiedersehen! Wie sehnen wir dann die Stunde herbei, in der wir uns wieder treffen. Diese Familie wird all die ungesagten Worte nie mehr aussprechen können. In diesem Leben nicht mehr! Das wird alles mitgehen und belasten - lange, lange Zeit. Können wir anderen das mit-fühlen, mit-leiden? Können wir daran irgendwie teil- nehmen? Wir spüren jetzt, daß wir es wohl nur sehr unvollkommen können. Wie gut ist es da, daß wir nicht allein auf uns gestellt sind, daß Gott uns in dieser Welt nicht allein läßt. Wie gut, wie überaus tröst- lich ist es doch, daß Jesus Christus, der Sohn Gottes, teilgenommen hat an allem, was uns schwer ist, quält, ängstigt und belastet! Wie ein Mensch hat er gelebt! Und doch beispielhaft für alle Men- schen! Wie ein Mensch hat er gelitten - für unsere Schuld. Wie ein Mensch ist er gestorben - nur viel schrecklicher noch als je einer. Durch Gottes Macht aber ist er auferstanden aus Tod und Grab - und alle, die an ihn glauben, werden ihm folgen! Das ist die kurze Beschreibung seines Lebens und Ster- bens und was es für uns bedeutet. Aber es bedeutet eben auch etwas "für uns"! Ihnen, liebe Angehö- rige, möchte es sagen: Unser Mann und Vater hat seine 65 Jahre nicht dem blinden Schicksal ver- dankt. Er hat sie aus der Hand Gottes bekommen. Und er hat sie vor dem Hintergrund des Wirkens Jesu Christi gelebt. An ihm hatte er ein Beispiel. Von ihm hatte er einen Auftrag. Durch ihn hat sein Leben Verheißung gehabt und jetzt auch ein Ziel: Er wird nicht ins Nichts fallen, sondern in Gottes Hände. Dort findet er - durch Jesu Leiden - Vergebung seiner Schuld. Dort wartet - durch Jesu Tod - neues Leben ohne Trauer und Not. Dort erhält er - durch den Glauben an den Auferstandenen - ei- ne ewige Heimat. K. S. mußte früh gehen, aber was ändert das an Gottes Versprechen, uns bei sich aufzunehmen? Er läßt uns in tiefer Trauer zurück, aber was ändert das an unserer Hoffnung auf die Herrlichkeit, die Gott seinen Leuten verheißen hat? Er war erst 65 - aber waren es vor dem Hintergrund der Ewigkeit nicht vielleicht doch erfüllte Jahre, ein abgeschlossener Lebenskreis? - Nein, um ihn müssen wir uns keine Gedanken machen: Ob er bereit war, ob er fertig war für diesen raschen Aufbruch. Auch um seine Zukunft nicht: Ob er nun bei Gott ist? Ob er ihn annimmt? Wie es für unseren Verstorbenen weitergeht... Er wird sehen, wie er geglaubt hat! Auch unsere Gedanken an alles, was ungesagt bleiben mußte, was wir meinen, versäumt zu haben und was noch hätte sein sollen, dürfen wir fallenlassen: Bei Gott ist nichts vergessen von seiner Fürsorge für uns, von seiner Freundlichkeit, von seinem Einsatz für seine Lieben... Ob wir ihm nun noch danken konnten oder nicht. Ob dieser Abschied nun so plötzlich war, oder ob er uns Zeit gelassen hätte... Gott weiß alle Worte des Dankes und der Liebe, die wir im Herzen haben. Er kennt jedes Gefühl für diesen Men- schen, und er sieht alle Tränen - auch im Verborgenen - die wir um ihn weinen. Das ist genug! Denn in Gottes Hände haben wir unseren Verstorbenen gegeben. Wie tröstlich, das zu wissen! Aber dennoch, wie schwer ist das doch auch: Da beginnt jetzt für eine Witwe eine furchtbar dunkle, einsame Zeit: Wie wird seine Stimme fehlen! Sein vertrautes Gesicht! Sein unverwechselbares We- sen, alles, was er seiner Frau war... Da fangen für den Sohn und die Töchter schmerzliche Wochen der Trauer an: Die täglichen Erinnerungen, die vielen Fragen: Warum so schnell, warum schon? Da wird es für alle im Haus einen großen Wechsel geben: Wer übernimmt seine Aufgaben? Wer kann all die Pflichten erfüllen, die er erfüllt hat? Wie soll es überhaupt weitergehen? Liebe Trauergemeinde, da ist sie wieder, noch einmal, die Frage: Können wir das wirklich mitfühlen, mitleiden, können wir teilnehmen an dieser Trauer? - Und das wollen wir doch, denn es hat uns ja auch bewegt und be- troffen...dieser unerwartet rasche Abschied, das große Leid dieser Familie! Ein Losungswort für heute hat mir in diese Fragen hinein gesprochen. Es scheint mir wie bestimmt und gewidmet für diese Stunde: Ich will unter Ihnen wohnen und will Ihr Gott sein, spricht der Herr. Will Gott denn anders "unter uns wohnen" als in den Menschen, die er uns zu Freunden und Nachbarn macht? Ist Gott denn anders bei uns, als in denen, deren Worte wir hören, deren Hände nach unseren greifen, deren Liebe wir spüren? Hat Gott nicht schon immer - und gewiß auch in unserem Leben von Zeit zu Zeit - durch Menschen gehandelt, gewirkt, gesprochen und getröstet? Es war ein Mensch, der uns kürz- lich während unserer Krankheit Mut gemacht und das gute Wort gesagt hat. Es war ein Mensch, dem wir die Erfahrung der Liebe verdanken, der uns gezeigt hat, wie schön das Leben sein kann. Es war ein Mensch, der uns in Schmerz und Trauer nahe war, als wir nicht mehr ein noch aus wußten. Es war ein Mensch, der uns zugehört hat, neulich, als wir so nötig Rat und Hilfe brauchten. Es war ein Mensch, der sich für uns stark gemacht hat und uns zur Seite stand, als wir vor einiger Zeit so tief unten waren. Immer sind es Menschen, die Gott uns schickt. Immer ist er durch Menschen nah und bei uns. Ich will unter Ihnen wohnen und will ihr Gott sein, spricht der Herr. Darum bin ich ganz sicher: Es werden auch für diese Familie, die der Tod geschlagen hat, Menschen da sein, die sie Gottes Nähe spüren lassen! Das helfende Wort - wir müssen es sagen. Die Tat der Liebe - von uns muß sie ausgehen! Das Ohr, das sich den Kummer anhört - wir müssen es haben! Das Herz, das sich diesem Leid öffnet - in uns muß es schlagen. Und so spreche ich jetzt Sie alle an, liebe Trauergemeinde: Seien Sie denen, die so geschlagen sind von diesem Abschied, solche Men- schen, in denen Gott unter ihnen wohnt und an ihnen wirken kann! Es wird an uns liegen, ob dieses Wort der Losung für diesen Tag wahr wird: Ich will unter ihnen wohnen und will ihr Gott sein. Gott möchte das durch uns, mit uns wahr machen! Liebe Trauergemeinde, denken wir daran, wenn wir die Angehörigen nachher unseres Mitgefühls, unseres Beileids und un- serer Teilnahme versichern! Und machen wir uns klar, was wir damit versprochen haben, wenn wir es schon getan haben!