Ansprache zur Beerdigung – Tod eines 72jährigen, der mit der Bibel gelebt hat Joh. 3,16 Liebe Angehörige, liebe Trauergemeinde! Das wissen wir alle: H.K. war ein Mensch, der mit täglicher Andacht, stiller Zeit, mit dem Gebet und mit der Bibel gelebt hat. Alle, die es genau so halten, wissen das: Es gibt dann selten nur ein Wort der Heiligen Schrift, das uns besonders gefällt, am wichtigsten ist und das wir dann etwa als unseren Grabtext nennen würden. Vielleicht ist es auch so, daß uns ein bestimmter Vers durch un- sere jüngeren Jahre begleitet, ein anderer dann in der Lebensmitte und wieder ein anderer, wenn wir an den Abschied von dieser Welt denken müssen. Das Wort, das für H.K. in seiner letzten schwe- ren Zeit besonders wichtig und hilfreich gewesen ist, steht im Johannesevangelium im 3. Kapitel. Wir wollen es ihm und uns in dieser Stunde widmen und bedenken, und wir wollen sehen, was für uns an Hilfe darinliegt und an Gedanken, die wir vielleicht von heute mitnehmen können in unser Leben: Also hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen einzigen Sohn gab, damit alle, die an ihn glau- ben, nicht verlorengehen, sondern das ewige Leben haben. Ich bin zuerst an diesen paar Worten hängengeblieben: Also hat Gott die Welt geliebt... Wenn man vor einer Trauergemeinde sprechen soll, fragt man sich schon: Wie kann ich da über Liebe reden? Denn wie sollen wir das zusammenbringen mit dem, was wir erlebt haben?: Der Mann, der Vater und Großvater, der Bruder und Schwager ist gestorben, und nicht nur das: Er hat eine sehr schwere Zeit gehabt, zuletzt... Wie reimt sich das zur Liebe und Güte Gottes, von der wir hören? Und gewiß viele Menschen hier haben in ihrem Leben ja auch schon viel Schlimmes erfahren, viel Böses ken- nengelernt und am eigenen Leib erleiden müssen. Ja, wir wollen auch das heute aussprechen: Man- chen ist darüber sogar der Glaube zerbrochen. Viele von uns sind über allem Dunkel ihres Lebens nicht nur mit dem gütigen Vater im Himmel, nein, mit Gott überhaupt zerfallen, bis heute. Darum: Wie soll man das begreifen: Also hat Gott die Welt geliebt... Ich weiß nun sicher auch nicht mehr von unserem Gott, als viele andere hier, aber soviel weiß ich - und da will ich einmal ganz persönlich sprechen: Ich habe schon sehr viel Gutes von Gott ge- schenkt bekommen, Dinge, wo ich nicht sagen kann: Glück gehabt, reiner Zufall, oder gar "eigenes Verdienst". Nein, ich sage das ganz deutlich, ich habe Erfahrungen in meinem Leben machen dür- fen, da kann ich nur sagen: Gott hat mir's gegeben; er hat es gewirkt; seine Liebe stand dahinter. Darüber hinaus kenne ich viele Menschen - und ich lerne täglich neue kennen - die empfinden ge- nau so: Wir haben Gottes Kraft gespürt, wir haben Bewahrung und Führung Gottes erlebt, für uns ist das klar: Gott liebt seine Menschen! Und nicht zuletzt die Angehörigen unseres Verstorbenen würden das auch sagen: Es gab auch so viele gute Stunden in unserem Leben mit H.K., selbst noch in den letzten schweren Wochen! Lange glückliche Zeiten, viele frohe Tage haben wir zusammen gehabt! Darum: Ja, so ist es: Also hat Gott die Welt geliebt... Liebe Trauergemeinde, ich denke einfach: Wir dürfen vor Gott nicht immer nur auf unser Leid zei- gen. Wir dürfen vor ihm nicht nur auf unser Unglück weisen und den Finger auf die Bosheit dieser Welt legen. Mir scheint es nicht richtig, wenn wir ihm nicht auch unser Glück hinhalten, alles was uns fröhlich und heiter gemacht hat, alle Minuten der Freude und alle Zeiten, in denen wir gesund waren und lachen konnten - und solche guten Jahre haben wir alle erlebt, ja, vielleicht sind wir ge- rade in solchen Zeiten. Und mir scheint es nicht recht, wenn wir in den glücklichen Stunden das Danken vergessen - und das tun wir oft. Dürfen wir Gott für das Böse, unser Leid und unsere Krankheit verantwortlich und ihm darüber Vorwürfe machen, ohne ihn auch über all seiner Güte zu preisen? Und wenn wir nun diesen Vers weiterlesen, erscheint auch alles andere in ganz neuem Licht: Also hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen einzigen Sohn gab... Wir denken hier vielleicht an die Krip- pe, in die sich Gott in Bethlehem legt. Und wie von selbst kommen uns ja in diesen Tagen so kurz vor Weihnachten diese Gedanken. Aber wir sollten auch noch hinter die Krippe schauen, dorthin, wo kein Weihnachtsglanz mehr hinfällt: Dort nämlich sehen wir das Kreuz und dort erst vollendet sich die Liebe Gottes zu uns. Unser Gott ist nicht der weltenferne Gott geblieben, der auf dieser Er- de Bosheit und Unglück zuläßt oder gar verursacht, wie es manche sehen und sagen. Dieser Gott ist nicht das herzige Jesulein, das süße Krippenkind. Erst in dem Mann, der 30 Jahre später aus diesem Kind in der Futterkrippe geworden ist, begreifen wir Gottes Liebe ganz: In Jesus Christus läßt Gott sich selbst in alles Leid der Welt hineinverwickeln. Er nimmt es auf sich, trägt und erträgt es für uns, bis zu einem Sterben schändlich wie ein Verbrecher. Und ich weiß nicht, ob je ein Mensch so gelitten hat wie er: Schuldlos angeklagt, verurteilt, bespuckt, gegeiselt, verhöhnt, von allen Freun- den verlassen, ans Kreuz geschlagen und von seinen Mördern auch da noch gepeinigt: Sie spotten seiner und lachen ihn aus, würfeln um seine Kleider... Und das alles - so hören wir - hat er für uns ertragen, für dich und mich auf sich genommen, damit wir mit Gott ins Reine kommen, die Schuld unseres Lebens vergeben werden kann. Sicher fragen auch in unserer Zeit viele - und so wird seit Jahrhunderten gefragt - warum hat er lei- den müssen. Warum hat denn Gott das Böse nicht einfach aus dieser Welt vertrieben. Ja, warum läßt er dort auf Golgatha denn scheinbar die Bosheit über das Leben seines Sohnes triumphieren? Lesen wir weiter: ...daß er seinen einzigen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verlo- rengehen... Liebe Gemeinde, um Glauben geht es unserem Gott, um deinen und meinen. Er will uns nicht von seiner Macht überzeugen, indem er dem Bösen das Handwerk legt. Könnten wir dann an- ders als ihn anbeten, ihn den Herrn nennen? Er will freie Leute haben. Er will uns nicht mit Macht- beweisen überrumpeln und auf seine Seite ziehen. Er läßt uns die Wahl: Er oder unser eigener Wil- le. Sein Reich, das nicht von dieser Welt ist, oder der eigene Bauch. Gut oder Böse. Und diese Ent- scheidung nimmt Gott uns nicht ab, keinem Menschen, ein für alle Mal. Aber sehen wir auch das: Wir wollen doch auch entscheiden können, dieses oder jenes zu tun, wir wollen ja auch wählen: das Wohl des Nächsten oder unser eigenes, die Sache Gottes und unserer Mitmenschen oder die eige- nen Wünsche und Interessen. Keiner von uns wollte eine Marionette sein, von Gott an Fäden gehal- ten und gelenkt. Nein, wir wollen frei sein. Und Gott will uns frei haben. Darum sendet er seinen Sohn in diese Welt. Er ist zum Boten seiner Liebe geworden. Er ist der Ruf des Vaters an seine Kinder, heimzukommen zu ihm. Und ich finde, mehr kann ein Vater die Kinder nicht liebhaben, als daß er den liebsten Sohn schändlich sterben läßt. Er tut das, damit wir endlich, daß wir irgendwann in unserem Leben verstehen, wie lieb er uns hat. - Wenn wir doch ein freies Ja zu ihm sagten! Lesen wir den Vers noch zuende: ...damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben. Diesen Glauben hat Gott vor die Ewigkeit gestellt. Zu diesem Glauben lädt er uns ein, immer wieder, jeden Tag unseres Lebens - auch heute. Allein auf diesen Glauben hin, möchte Gott uns alles schenken: Die Ewigkeit in seinem Reich, ein nie geahntes herrliches Leben, ein Glück, von dem wir nicht einmal träumen können. Es gibt für diese Herrlichkeit wirklich keine andere Bedingung als den Glauben! Dazu will uns Gott durch Krippe und Kreuz, durch die Geburt seines Sohnes im Stall und durch seinen Tod auf Golgatha vor fast 2000 Jahren führen, daß wir hin- ter dem Leben, dem Tod und dem Leiden seines Sohnes seine Liebe zu uns erkennen. Und daß wir diesen Glauben gewinnen, dazu stellt er in jedem Leben neben das Schwere, neben das Leid und die Schmerzen immer auch Schönes, Beglückendes und Frohes. Im Leben von H.K. ist das so gewesen, im Leben seiner Angehörigen und bei uns allen. Hinter allem, was wir erfahren steht die Liebe Gottes, der unseren Glauben wecken will, damit wir dankbare Menschen werden, die ihn ehren und ihn mit unserem Leben preisen. Also hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen einzigen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verlorengehen, sondern das ewige Leben haben.