Ansprache zur Beerdigung - Tod einer sehr alten Frau Offb.2,10 Liebe Angehörige, liebe Trauergemeinde! Was ist das doch für ein wunderbares Wort, das K. P. bei ihrer Einsegnung mit auf den Lebensweg bekommen hat! Wie gern spreche ich heute darüber! Denn das soll ich; sie selbst hat es sich so ge- wünscht, daß wir heute über diesen Vers nachdenken. Darum wollen wir das jetzt tun: Sei getreu bis an den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben. So heißt dieser Vers. Wir wollen dieses wunderbare Wort heute auf uns beziehen und fragen, was es in seiner tiefsten Be- deutung meint und wie es mit seiner Empfehlung bei uns aussieht. Denn wir sind jetzt hier und an uns richtet sich jetzt dieses Wort. Und wir brauchen ja auch Weisung für unser Leben immer wieder, Hinweis auf den richtigen Weg, einen Fingerzeig auf das große Ziel hin. Und so wollen K. P. diese letzte Ehre erweisen, daß wir nun auf dieses Wort hören und es als ihr Vermächtnis an uns begrei- fen. Sei getreu bis an den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben. Wer redet hier? Wer spricht uns so an: Sei getreu... ? Einer, der selbst treu war bis zum Tod. Der das Leid dieses Lebens bis zur Neige ausgekostet hat. Der alle Schmerzen getragen, die tiefste Ein- samkeit erduldet, der am Kreuz gestorben ist - von allen verlassen: Jesus Christus. Sei getreu bis an den Tod! - Er war es! Aber es spricht hier auch der, den Gott auferweckt hat aus dem Tod, dem der Vater im Himmel die "Krone des Lebens" geschenkt hat. Seine Treue auf dem Weg des Leidens und der Schmerzen führt ihn zum Leben. Sein Gehorsam bis ans Kreuz, sein Vertrauen zum Vater - auch wo der Weg ganz dunkel wird und unbegreiflich - wird belohnt: Seine Treue besiegt den Tod. Er gewinnt die "Krone des Lebens", er: Jesus Christus. Er hat sie erworben. Und schließlich spricht hier auch der Herr, der einst wiederkommen wird, "zu richten, die Lebenden und die Toten", wie wir's im Bekenntnis unseres Glaubens aussprechen. Es ist die Stimme dessen, der "sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters". - Es redet hier der Herr, der treu war bis in den Tod, der die Krone des Lebens verdient hat und der einmal der Richter sein wird über uns, Jesus Christus. Aber was heißt das? Was verlangt dieses Wort nun von uns: Sei getreu bis in den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben? Ist von uns die gleiche Treue gefordert, wie sie der Herr hatte? Können wir das überhaupt? Sind wir "treu" gar "bis an den Tod"? Ich muß bekennen, daß ich oft nicht einmal treu sein kann vom Morgen eines Tages bis zum Abend. Da weiß ich doch, daß ich Gottes geliebtes Kind bin, daß er mich hält in allem, was mir begegnet, in den glücklichen Stunden sowieso - aber auch in den schweren... Aber es wirft mich doch schon das kleinste Unglück um, das mir widerfährt. Da kann ich schon nicht verkraften, daß ein Tag nicht so verläuft, wie ich ihn mir gedacht habe. Da kommt ein Anruf, der mich ängstigt. Da faßt eine Krank- heit nach mir, die mich in Furcht und Schrecken stürzt. Da ist von einer Minute auf die andere ver- gessen, daß ich doch einen Vater im Himmel habe, der mein Leben bewahrt und meine Schritte be- gleitet. Da geht es nicht mehr in meinen kleinen Verstand hinein, daß mein Gott mich zwar nicht an allem Leid und Schrecken vorbei-, daß er mich doch aber mitten hindurchführt! Da verliere ich dann - wegen einer kleinen Durststrecke unterwegs - das große Ziel aus den Augen. Da starre ich nur noch auf die paar Steine, die jetzt vor meinen Füßen liegen - die "Krone des Lebens" ist nicht mehr in meinem Blick. - Nein, ich bin nicht treu! Wie geht es anderen? "...getreu bis an den Tod..." Ja, freilich, etwa durch die Konfirmandenzeit treu zu sein, das gelingt uns noch. Kaum eingesegnet aber, kommt den meisten aus dem Sinn, daß sie Treue versprochen haben zu Jesus Christus und seiner Gemeinde. Und bei den etwas älteren, reiferen Menschen? Ja, wir sind treu - mit dem Mund und unserem Namen: Wir heißen Christen. Aber es sieht manchmal so aus, als wäre das der Name für die Schönwetterperioden unseres Lebens. Klar, stehe ich zu diesem Herrn, nach dem ich heiße, wenn ich gesund bin, wenn ich Arbeit habe, wenn es in der Ehe stimmt und keine äußere Not an meine Tür klopft. Da kostet "Treue" ja auch nichts. Was aber ist, wenn die Krankheit oder die Behinderung eintritt in mein Haus? Wenn ich mei- nen Arbeitsplatz verliere? Wenn meine Ehe gefährdet ist und sich das eisige Schweigen zwischen uns breitmacht? Und erst dann, wenn das Auskommen nicht mehr gewährleistet ist, wenn das Schicksal mich so schlägt, daß es an die Substanz geht? Wie strapazierfähig ist mein Name: Christ? Wie leicht kommt es mir dann noch über die Lippen: Mein Herr heißt Jesus Christus! Ich glaube an Gott! Wie- viel hält unsre "Treue" aus? Oft genug ist sie dann erlegen, nicht wahr? Die Treue reichte beileibe nicht bis zum "Tod". Gerade noch bis zur "Not" ist sie gekommen, bis ans Krankenlager, bis zur Stunde, da wir die Gewißheit hatten: das wird nicht mehr... Oder wenn wir über die Macht des Todes erschrecken, wenn uns die Trauer übermannt und wir ein viel zu frühes oder plötzliches Sterben beklagen...das können wir ja auch meist nicht mit Gott und der Güte, die wir von ihm erwarten, reimen. Wo gestehen wir dem himmlischen Vater denn zu, daß wirklich "sein Wille geschehe", wie wir's im Gebet unseres Herrn beschwören? Ist unsere Treue und unser Glaube nicht meist schon da aufgebraucht, wo unser Leben nicht mehr nach Wunsch verläuft? Wie stark ist unser Vertrauen, daß unser "Vater im Himmel" ei- nen viel weiteren Plan der Welt und für seine Menschen verfolgt und eine höhere Sicht der Dinge und des Lebens hat als wir? Da aber finge Treue erst an, wo wir unbeirrbar den Weg in der Spur Je- su Christi gingen, wo immer sie hindurchführt und was immer uns unterwegs auferlegt wird. Dieser Weg allein wäre der rechte. Ihm allein winkt die Krone des Lebens! - Nein, wir sind oft nicht treu! Und weil wir nicht treu sind bis an den Tod, können wir die "Krone des Lebens" nicht verdienen. - Aber: Gott sei Dank müssen wir das auch nicht! Einer hat sie ja schon erworben: Jesus Christus. Er - der allein treu war bis zum Tod - will sie mit uns teilen. Nicht mehr durch unser Verdienst, nicht mehr durch unsere Mühe, die dann belohnt würde, erlangen wir das Leben. Es wird uns geschenkt. Treu sein bis an den Tod heißt nun für uns, daß wir uns nicht mehr auf uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen. Nicht mehr: "Ich will mir das Leben bei Gott erwerben, indem ich untadelig lebe, seine Sache vorantreibe, mich mühe und schufte... Wir können es nicht. Treu sein, heißt jetzt für uns: An diesen Christus glauben, daß er allein alles getan hat, was uns die Krone des Lebens erwirbt. - Wir können sie nur geschenkt bekommen! Treu sein, wird nun aber nicht heißen, daß ich schläfrig werde und gleichgültig gegenüber Gott und seinem Willen. Ich kann ihn nicht erfüllen - und ich brauche ihn seit Christus nicht zu erfüllen, je- denfalls nicht um das ewige Leben zu verdienen. Aber ich möchte den "Christen" sehen, der das Ge- schenk dieser Krone wirklich begriffen hat, der dann nicht aus Dank und Freude alle Mühe darauf wenden wird, Gott und dem Mitmenschen das Geschenk des Lebens und alle guten Gaben tätig zu- rückzuerstatten. In diesem Tun aus Dank und Freude wird auch meine Treue neu werden und widerstandsfähiger! Die Krone des Lebens ist schon mein! Keiner kann sie mir mehr nehmen, denn Gott hat sie mir schon geschenkt! Im Vertrauen zu Christus hat er mir die Krone schon auf den Kopf gesetzt. Nun kann ich leichter durch die Angst gehen. Nun schreite ich aufrecht durch das Leid. Es wird mich nicht von Gott trennen. Es ist mir nur eine Zeit lang auf den Weg gelegt. Ja, alles Schwere bekommt ein anderes Gesicht durch das helle Licht, das im Hintergrund schon brennt. Ich kann jeden Willen Gottes tragen, wenn ich nur weiß, daß er am Ende das Leben für mich will.- Und das weiß ich! Sei getreu bis in den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben. Lesen wir dieses wunderbare Wort - das uns heute gesagt wird - doch einmal von der anderen Seite her: Die "Krone des Lebens" ist verdient und Gott hat sie uns schon geschenkt! Jetzt können wir "treu" sein. Jetzt können wir im Glauben an Jesus Christus den Weg voranschreiten, den Gott uns gehen heißt. Wir können unterwegs unser Vertrauen zu seinem guten Willen festhalten, weil wir wissen: Der Weg hat das Leben zum Ziel. Die "Krone des Lebens" gehört uns schon. Ich wünsche uns die Treue, die diesem Geschenk Gottes entspricht. AMEN Wenn wir das folgende Lied singen, wollen wir jetzt doch auch dankbar daran denken, daß K. P. auf eine Weise aus dieser Welt gehen durfte, wie sie es sich immer gewünscht hat: Am Morgen eines Tages noch aufstehen können, leicht und rasch, ohne langes Siechtum und Leid hinübergehen. So wollen wir jetzt singen und bitten, das Gott ewig tut, was das Lied sagt: So nimm denn meine Hän- de...