Ansprache zur Beerdigung - Tod einer alten, wenig kirchl. Frau Matth. 28,20 Liebe Angehörige, liebe Trauergemeinde! Wenn wir einem Verstorbenen einen bestimmten Spruch für die Stunde des Abschieds widmen, kann das verschiedene Gründe haben: Vielleicht ist die Wahrheit eines bestimmten Bibelwortes in einem Leben ganz deutlich geworden, so daß jeder sagt: Das war ihr Wort, das war sein Vers! Vielleicht spricht dieser Vers auch die Angehörigen an, wenn sie für die Bestattung nach einem geeigneten Text suchen? Manchmal mag das auch aus einer gewissen Verlegenheit heraus geschehen, daß man sagt: Dieser Spruch soll es halt sein, da wir keinen besseren wissen. Heute steht ein vierter Grund dahinter, wenn wir jetzt zusammen über ein Wort aus dem Matthäusevangelium nachdenken wollen: Es ist ein sehr schöner Vers, und vor allem: er hat Kraft; er kann uns in dieser Stunde stärken, und er kann uns mit seiner Verheißung begleiten, wenn wir morgen und in der kommenden Zeit die näch- sten Schritte durch unser eigenes Leben gehen. Denn durch den Tod von K. G. sind wir in unserer Lebenskraft erschüttert. Wir fühlen uns jetzt einsam und allein, denn sie war die Mitte der großen Familie. So haben wir jetzt Begleitung und Zuspruch nötig und ein Wort, das uns stark macht, die nächsten Schritte ohne unsere Verstorbene zu tun. Und so heißt dieser Vers, den ich uns widmen möchte: Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende! Jesus Christus hat uns dieses Wort hinterlassen. Den Jüngern zuerst, als er damals gen Himmel ge- fahren und zu unserem himmlischen Vater zurückgekehrt ist. Aber die Zusage gilt uns genauso - uns, die wir uns jetzt verlassen fühlen: Ich will bei euch sein, immer und überall! - Wie kann das ge- schehen? Wie ist dieser Jesus Christus bei uns? Wir denken jetzt gewiß zuerst an die Höhepunkte unseres Christenlebens: Die Taufe, die Konfirma- tion, die Trauung.... Das sind die Tage, an denen durch feierliche Worte und durch den Segen so ganz sinnfällig wird, wie nah uns Christus kommt. Vielleicht fällt uns noch die eine oder andere Ge- fahr ein, der wir mit knapper Not entgangen sind! Da haben wir auch erfahren, daß Gott uns sieht und schützt und bewahrt... Aber sonst? Wir wollen ehrlich sein: Da leben wir doch meist aus uns selbst, durch die eigene Kraft, nach unserem Willen, getrieben durch die eigenen Interessen und dem Wunsch, dies und das in unserem Leben zu erreichen! Da brauchen wir doch Christus nicht! Da ha- ben wir seine Nähe ja auch gar nicht so nötig. - Das stimmt, leider, und das stimmt auch wieder nicht, Gott sei Dank! - Aber das muß ich erklären: Es ist richtig, daß wir oft, manchmal unser ganzes Leben lang, aus den eigenen Kräften leben wollen. Es ist richtig, daß wir unsere Interessen verfolgen, unsere Lebenswünsche haben und für unsere Jahre unsere Pläne machen. Und es ist auch so, daß wir lange Zeit unseres Lebens den Eindruck be- kommen können, wir lebten und hätten alles wirklich aus eigenem Vermögen! Das allerdings ist nicht richtig! Das stimmt nicht! Das merken wir spätestens dann, wenn uns auf dem Krankenlager die Kräfte ausgehen. Das wird uns bewußt, wenn wir trotz aller Planung und aller eigenen Mühe in Not geraten. Daran kommen wir nicht vorbei, wenn die Ängste des Alterns kommen und uns die Hoffnung und der Lebensmut schwinden. Und das begreifen wir, wenn ein Mensch, der immer da war, gestorben ist. In solchen Zeiten spüren wir, wovon wir wirklich leben - und wir spüren dann auch, wovon wir immer schon gelebt haben! Deshalb sagte ich vorhin: Gott sei Dank! Denn unser Gott ist nicht nur in schweren Zeiten bei uns, um uns zu stärken und zu trösten... Er steht auch schon in guten Jahren an unserer Seite. Von ihm kommt die Kraft, die wir uns so gern selbst zu- schreiben. Von ihm rührt auch die Gabe her, die andere an uns rühmen. Von ihm ist die Stärke unse- rer Hand, mit der wir unser Brot verdienen. Von ihm haben wir den Segen, der auf unserem Beruf, Handwerk oder Gewerbe liegt. "Siehe, ich bin bei euch alle Tage, bis an der Welt Ende!" So ist es - wirklich! - auch wenn wir es nicht sehen oder sehen wollen! Und das ist ja noch lange nicht alles, woran wir erkennen müßten, daß Christus wirklich bei uns ist; wir leben ja nicht nur von der "Stärke unserer Arme" oder unseren "Fähigkeiten im Beruf"! Wir ha- ben auch eine Familie - die Liebe unseres Ehepartners ist Gottes Geschenk an uns; die Kinder, die Enkel, daß wir umgeben sind von Achtung und Zuneigung... Gottes Nähe sollen wir daran spüren! Unser Leben in der Gemeinschaft - Gott gibt uns gute Nachbarn, die Hilfe und den Zuspruch der Mitmenschen, die Begleitung und den Trost der Mitchristen auf den Durststrecken unserer Lebens- jahre... Unser Glaube, unser Vertrauen zum Vater im Himmel, daß unser Gebet ein Gegenüber hat - alles das ist Geschenk und Zeichen dafür, daß wir nicht allein sind, sondern Gott in unserer Nähe ha- ben, in schweren Zeiten, aber auch schon in den guten! "Siehe, ich bin bei euch...!" Was heißt das nun alles? Müssen wir darauf unser Leben einrichten, daß Gott immer bei uns ist? Wir könnten ja sprechen: Er begleitet mein Leben so oder so! Ob mir das nun bewußt ist oder ob ich das nicht wahrnehmen will - er bleibt ja doch bei mir! Oder sollte Gott mich bestrafen, wenn ich ihn lange genug nicht beachtet habe und ihm nicht für seine Gaben danke? - So ist Gott nicht! Nein, er läßt sich das gefallen, daß ich ihn Jahre, ja vielleicht Jahrzehnte aus meinen Gedanken verbanne und hochmütig und selbstherrlich auf "meine" Talente und "meine" Leistungen weise. Er läßt sich das gefallen und verläßt mich doch nicht! Nein, von daher sind wir nicht gezwungen, ihm die Ehre zu geben, die ihm zukommt. Es geht um etwas anderes. Wer hat das noch nicht gefühlt, daß er bei all seiner Leistung, bei allem Erfolg und allem Glück, das er erfährt, doch nicht zur Ruhe kommt? Es hört sich heute ein wenig unzeitgemäß an, aber die Alten haben gesagt: "Wir finden keinen Frieden!" Da kann einer schaffen und schuften, da bringt er's zu Haus und eigenem Geschäft, da fehlt es an nichts und alles, was er anfaßt wird zu Geld - aber genug ist das alles nicht und froh macht es schon gar nicht! Ein anderer genießt ein häusliches Glück: Eine gute Ehe, wohlgeratene Kinder, beruflich alles bestens und kein Anlaß, sich zu sorgen. Er ist im Dorf geachtet, seine Meinung zählt, und was er sagt, hat Hand und Fuß und gilt bei den Leuten. Nur tief drinnen im Herzen ist es leer und trostlos und manchmal wird das Gefühl sehr groß: Meinem Leben fehlt die Mitte, der Halt, der Sinn... Darum geht es: Daß wir uns - wenn schon nicht von Dank und Freude über alle Gottesgaben - doch von der Unruhe und dem Suchen nach Frieden zu Gott führen lassen! Bei ihm finden wir Halt, Sinn und die Ruhe für unsere Seele. Hören wir auf, zu glauben und so zu leben, als hätten wir alles aus uns selbst! Beginnen wir damit, wahrzunehmen und anzuerkennen, daß wir ganz und gar aus Gott leben und aus seinem Vermögen. Der Dank an ihn, den Geber aller Gaben, ist ein guter Anfang! Mit der Freude und dem Frieden unserer Seele wird es weitergehen. Es ist unvergleichlich schön, endlich freizuwerden von allem Kampf und Krampf und Ruhe zu finden in Gott. Er wird uns zu anderen - dankbaren und getrosten - Menschen machen! Liebe Trauergemeinde! Für K. G. ist das Leben unter dieser Verheißung zuende gegangen: "Siehe, ich bin bei euch..." Wir können in ihren 90 Lebensjahren viele Hinweise darauf finden, daß sie nicht allein war, daß die Kraft, die sie hatte, immer wieder von oben her erneuert worden ist. Jetzt soll sie sehen, daß Gott - durch Jesus Christus - auch über den Tod hinaus in alle Ewigkeit bei uns ist und bleibt. Wir, die noch leben und zu leben haben, wollen uns dieses Wort heute sagen lassen und zu Herzen nehmen. So werden wir Kraft und Frieden finden: Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende! Gott ist uns nahe, jetzt und immer. von ihm kommt alles, wirklich alles, was wir sind und haben. Er hört unser Gebet, er wartet auf unseren Dank. Er freut sich über Menschen, die ihm die Ehre geben und sich von ihm beschenken lassen. AMEN