Fragen, die unser Leben begleiten: "Warum wir leiden müssen" - 3. Passionsandacht In unseren letzten beiden Betrachtungen haben wir das Leid so verstanden: Gott tippt uns auf die Schulter. Er will uns etwas sagen, uns zurechtbringen, wie ein Vater seine Kinder. Und das Leid kann eine Prüfung sein, durch die unser Glaube fester und unser Verhältnis zu Gott enger wird. Könnte das Leid noch einen dritten Sinn haben? Ich spreche ja nicht gern davon bei uns aufgeklärten evangelischen Christen...aber es gibt da noch etwas, das traut man sich in diesem Zusammenhang kaum zu erwähnen, so leicht wird man mißverstanden! Ich meine nämlich, daß im Leid durchaus auch einmal eine Strafe liegen kann! Dann nämlich, wenn Menschen wissentlich und vielleicht gar willentlich Schuld auf sich geladen haben. Und wenn sie dann an dieser Schuld leiden. Das gibt es ja, und wir kennen das vielleicht auch selbst. Aber ich will ein konkretes Beispiel geben: Ich kenne einen alten Mann, der hat in jüngeren Jahren seine Frau und seine Kinder verlassen. Natürlich, wie das meistens ist, einer anderen Frau wegen. Es war damals ziemlich gemein, was er seiner Frau angetan hat, und um die Unterhaltszahlungen später hat er sich auch nach Kräften herumgedrückt. Jetzt, im Alter, jedenfalls drückt den Mann die Schuld, die er damals begangen hat. Er kann es wohl nicht ungeschehen machen, aber er würde viel dafür geben, wenn er wenigstens wüßte, daß er das nicht mit ins Grab nehmen muß, was nunmal nicht richtig, vielmehr sehr böse und treulos war. Der Mann ist jetzt krank geworden. Und er versteht seine Krankheit nicht nur insgeheim, sondern erklärtermaßen als Strafe für sein früheres Verhalten. Daß sie mich nicht falsch verstehen: Nicht ich oder irgend jemand deuten ihm seine Krankheit als Strafe, das tut er selbst! Und er will sie auch gern tragen, weil es ihm hilft, die getane Schuld zu verarbeiten. Die Krankheit, bzw. die Strafe, als die er seine Krankheit sieht, hilft ihm geradezu mit der Schuld zu leben. Er hat den Eindruck, er kann sie damit abbauen. Ja, auch so etwas gibt es. Auch diese Deutung des Leids kommt vor - ich denke, gar nicht so selten! Ich gehe sogar soweit zu sagen, daß oft die Strafe geradezu gesucht wird und vielleicht wird einer dann krank oder es stößt ihm leichter ein Unglück zu, weil er die Strafe nötig braucht, um die Vergangenheit zu bewältigen und die Schuld zu bearbeiten, die in der Vergangenheit liegt. "Wahre Reue liebt die Srafe, hat Martin Luther einmal gesagt." Das stimmt, jedenfalls meiner Erfahrung nach. Doch: Das Leid, das einer hat, kann auch als Strafe empfunden werden. Und wer weiß, ob manches Leid nicht von Gott auch als Strafe gedacht ist? Er, der Vater, würde seinem Kind ja damit sogar helfen, wenn er es straft! Denn wer wirklich schuldig ist, möchte vielleicht eine Strafe haben, um seine Schuld wieder gut zu machen! Gewiß ist auch diese dritte Deutung des Leids wieder sehr persönlich, wie auch schon die anderen beiden Möglichkeiten, das Leid zu verstehen. Darum gehen wir vorsichtig mit diesen Gedanken um.