Fragen, die unser Leben begleiten: "Warum wir leiden müssen" - 1. Passionsandacht Wir wollen in der diesjährigen Passionszeit einmal über zwei Fragen nachenken: Was denn der Sinn des Leids ist? Und: Warum wir leiden müssen? In fünf kleinen Andachten wollen wir uns dabei jedesmal von einer anderen Seite diesen Fragen nähern, denn ich denke, daß unser Leid nicht immer nur den einen Sinn hat. So will ich heute über einen ersten Sinn des Leids sprechen, das nächste und übernächste Mal über einen anderen. Die Reihenfolge muß dabei nicht unbedingt die sein, die sich nach der Wichtigkeit ergibt. Mir fiel zuerst der Sinn des Leids ein, der uns oft wie ein Tippen auf unsere Schulter vorkommt. Vielleicht geht es anderen da ja genau so wie mir: Wenn uns ein Schicksalsschlag ereilt, wenn uns ein Unglück trifft, dann denken wir, daß uns Gott damit etwas sagen will. Gott will uns vielleicht zum Besseren führen. Oder er will, daß wir begreifen, wie groß die Fehler waren, die wir gemacht und daß nicht in Ordnung war, was wir getan haben. Mancher würde hier gewiß sagen: Aber so ist Gott doch nicht, so menschlich! Daß er uns auf solche Weise auf den rechten Weg bringen will. Andererseits: Wir nennen ihn doch "Vater"! Haben wir als Väter oder Mütter bei unseren Kindern nicht auch oft ähnliches Verhalten gezeigt? Daß wir unseren Kindern einmal nicht geholfen haben, wo sie sonst immer mit uns rechnen konnten. Daß wir sie auch einmal die Folgen ihrer Fehler haben spüren lassen. Daß wir sie sogar - ja, nicht im Stich gelassen - aber doch nicht gleich die Suppe mit ausgelöffelt haben, die sie sich eingebrockt hatten? Es hat unseren Kindern sicher nicht geschadet. Im Gegenteil. Könnte also nicht ein Sinn des Leids der sein: Daß wir unser falsches Tun erkennen. Daß wir spüren, wo wir auf einem schlechten Weg gehen. Daß wir uns besinnen und zurechtkommen, bevor es vielleicht zu spät ist? Warum sollte uns Gott, der doch unser himmlischer "Vater" ist, nicht auch erziehen wollen? Wer kann von sich sagen, daß er das nicht nötig hat? Wer will Gott, dem Vater, solche Maßnahmen verwehren? Es ist allemal wie bei uns: Die Liebe zu den Kindern bringt uns zu solchem Verhalten. Und die Liebe darf alles, denn sie meint es immer gut! Noch einmal: Das Leiden hat sicher nicht nur einen Sinn. Vor allem: Jeder wird sein persönliches Leid anders sehen und verstehen. Aber beim einen oder der anderen kann das gewiß ein Sinn sein: Daß wir durch unser schweres Schicksal auf den richtigen Weg geführt werden sollen. Daß wir "umkehren", was ja die beste Übersetzung des Namens dieser "Buß"-zeit ist. - Vergessen wir dabei nie, daß der, der uns das Leid schickt, allemal unser Vater ist.