Eine neue Zeit? (Nach der Änderung der Rauchergesetze) Nein, dass wir sowas noch erleben! Wo hat’s dergleichen je gegeben: Da bringt der Staat etwas heraus, das wirkt sich nur zum Guten aus! Sind nicht ansonsten die Gesetze meist reinste Steuerzahler-Hetze und machen nur - dass Gott erbarm’! - die Reichen reich, die Armen arm? Das ist vorbei, ihr lieben Leute! So war es früher, aber heute bricht an im Land die neue Zeit der Gleichheit und der Menschlichkeit. Zwar waren Raucher erst dagegen, doch seh’n sie selbst es nun als Segen, dass ihnen striktes Rauchverbot mit Bußgeld und mit Strafe droht. War’s erst nicht leicht, sich zu gewöhnen, gelang es doch, sich zu versöhnen: Verqualmte Kneipen sind vorbei, man geht nach draußen, fühlt sich frei und kann gezaust von kalten Winden ein Stücklein Abenteuer finden, genießt Natur und Luft und so ganz wie im Land von Marlboro! In Eingangshallen und Kantinen sind nicht mehr gelblich die Gardinen. Im ICE, in der Fabrik, gilt „völlig rauchfrei“ jetzt als chic, ja, überall im Öffentlichen ist Tabakqualm und Teer gestrichen - was tut das unsern Lungen gut! Doch was es mit den Rauchern tut, das zählt für mich zum Wunderbaren: Wo einst die Straßen einsam waren, da scharen sich die Leute jetzt! Das Laster „Nikotin“ vernetzt die Einzelmenschen zum Gesamten: Die Angestellten, die Beamten, die Sekretärin und der Boss, die aus dem oberen Geschoss und die, die aus dem Keller stammen, sind voller Eintracht nun beisammen und treffen, wenn die Sucht sie packt, sich vor der Tür im Stundentakt, um inhallierend sich zu laben. Die sich noch nie gesehen haben (man war ja von verschied’nem Stand!), sind per Gesetz jetzt wie verwandt durch Leiden an demselben Laster. Nichts passt mehr ins gewohnte Raster: Der Chef kriegt vom Portier erzählt, dass der demnächst die Linken wählt. Die Tippse sieht man ohne Zaudern mit dem Abteilungleiter plaudern. Ob einer dumm, ob eine klug, vereint im tiefen Lungenzug sind alle Brüder nun und Schwestern! Der Klassenunterschied war gestern, beim Rauchen sind sie alle eins. Hier zählt nicht mir, nicht meins und deins: Hat man die Kippen an den Lippen gibt’s standesmäßig keine Klippen, nichts trennt mehr, wenn der Raucher raucht. Auch kriegt man hier, was jeder braucht: Das Stück Gemeinschaft, etwas Wärme und damit das, was sonst im Lärme des Tageslaufs oft unterging. So ist das Rauchverbot ein Ding, um Werte, die den Menschen nützen, zu pflegen, fördern und zu schützen, nicht nur den Rauchern zum Gewinn! - Weil ich nun so begeistert bin, wie auch Verbote Menschen wandeln, empfehle ich, entschloss’nes Handeln und Weitergehen auf dem Weg! Vielleicht fällt bald das Privileg, am Arbeitsplatz Kaffee zu schlürfen? Wenn Raucher dort nicht rauchen dürfen, ist Gleichbehandlung nur gerecht! Mal ehrlich, wär’ das denn so schlecht, wenn dorthin, wo die Raucher stehen, bald auch die Kaffeetrinker gehen? (Dass Rauchen man mit „Sucht“ benennt, ist sicherlich kein Argument, denn suchtverfallen sind sie beide! Es ist egal, woran ich leide, ob am Entzug von Nikotin, ob es mir fehlt am Koffein.) Vielleicht lässt sich der Staat gewinnen, die Sache wirklich fortzuspinnen: Kaffeeverbot im Innenraum! Die Folge wäre wie ein Traum: Denn von der Klofrau zum Minister, entsteht ein Volk der Suchtgeschwister. Der eine trinkt, die andre raucht, ein dritter aber pafft und taucht dabei den Löffel in die Tasse. Zu schön das Bild, dass man es fasse, so wie das Kunstwerk des Genies und wie ein Stück vom Paradies: Die Menschen lernen wieder reden, Gemeinschaftsgeist beflügelt jeden, vom Himmel kommt er sacht herab. Das Leben spielt sich draußen ab und das tagtäglich viele Stunden. Der Mensch wird neu naturverbunden und atmet tief die frische Luft ... - Ob die Idee wohl doch verpufft? Gibt’s bald noch weitere Ideen, vielleicht im Haus nicht fernzusehen (weil auch TV uns süchtig macht!); Einschalterlaubnis erst bei Nacht? Noch manches mehr ist sicher denkbar und durch Verbote staatlich lenkbar. Sofern es der Gemeinschaft nützt, ist’s sicher gut, man unterstützt die vielen schönen Neuerungen! - Mein Fazit heute: Nur gezwungen, erreicht der Mensch das Paradeis! (Das Rauchverbot ist der Beweis!) Manfred Günther Nur wenig übertrieben! - Gedichte für Alsfelder Allgemeine Zeitung 88