Das Lächeln Wie kann ein Lächeln (gar ein Lachen!) den Tag doch schön und freundlich machen! Und wenn’s sogar noch echt und wahr, dann strahlt es wie die Sonne klar und hell selbst an den finstren Tagen. Doch wie entsteht es, wird man fragen? Und darum wollen wir im Reim ein Lächeln jetzt vom ersten „Keim“ verfolgen bis zu seiner „Blüte“. Noch eins zuvor: Nicht das bemühte, das falsche Lächeln ist gemeint, das freundlich, herzlich nur erscheint und oft, wir woll’n es nicht verschweigen, viel eher dient dem Zähnezeigen. Wir führen hier ein Lächeln vor, das ehrlich ist und wie ein Tor erlaubt, uns tief ins Herz zu schauen. Ein solches Lächeln weckt Vertrauen und ist die Saat, die schafft und treibt, dass eines nie alleine bleibt: Erst lächelt einer, dann ein zweiter, dann keimt es fort und gibt sich weiter, schon kommt der dritte noch hinzu, dann lächle ich und schließlich du und alle andern die es sehen. - Dem nun konkret entlang zu gehen, folgt hier in diesem Sinngedicht des Dichters eigener Bericht von einer solchen „Lächel-Kette“: Mathilde K. entsteigt dem Bette an einem Freitag irgendwann ... Sie fängt sich frisch zu machen an, das ist geschafft nach zehn Minuten. Schon geht sie aus. Sie muss sich sputen, sonst ist’s bei ihrer Bäckerei mit Körnerbrötchen wohl vorbei (- bei Bäcker Kunz das Allerfeinste!) Vorm Haus steht ihres Nachbars Kleinste, das Lieschen, das Mathilde kennt und gerne „Tante Tilde“ nennt. Sie steht nur da, die kleine Lisa, das Köpfchen wie der Turm von Pisa ganz schief und krönend obendrauf hat sie das neue Hütchen auf. Sie hat Mathilde schon erwartet, wohl wissend, dass sie zeitig startet, die Körnerbrötchen holen geh’n. Denn „Tilde“ soll ihr Hütchen seh’n! Schon lächelt jetzt kokett die Kleine. „Sag’, Tilde, bin ich ein Feine? Wie findest du den neuen Hut? Steht mir der nicht bezaubernd gut“? Mathilde nickt, auch kann sie’s spüren, im Herzen drin das zarte Rühren ... Schon ist - von Lieschen angesteckt - auch Tildes Lächeln jetzt geweckt und lang noch trägt sie’s auf den Zügen. Der Bäcker sieht es mit Vergnügen und merkt es bei sich selbst sogleich, auch seine Züge werden weich und seltsam leicht wird seine Seele. Auch hört er, wie sich seiner Kehle von Fröhlichkeit schier übermannt, ein Satz entwindet - nie gekannt: „Hallo, Mathilde, guten Morgen!“ Schon macht die Bäckersfrau sich Sorgen um ihren Mann. Man meint er schwebt! So hat sie ihn noch nie erlebt! Doch weiter, weiter, ohne Halten sieht man das Lächeln sich entfalten: Des Bäckers Kinder sind zu dritt und nehmen’s in die Schule mit. Die Lehrerin der drei und Lehrer sind im Kollegium die Vermehrer des Lächelns, das von Lisa kam und seinen Weg zum Bäcker nahm, von dort sich kräftig zu verbreiten, die Kunden heimwärts zu begleiten, um auf der Straße dann beim Schwatz, und später dann am Arbeitsplatz noch viele andre zu erreichen, die ernsten Mienen zu erweichen, bis überall ein Lächeln reift und endlich jedermann ergreift in allen Dörfern, allen Städten. - Du kannst es auch, da möcht’ ich wetten, das kleine Lächeln, das befreit zur Freude und zur Heiterkeit und andern Herzensgrüße sendet und wenn es ankommt, Trübsinn wendet und wie ein Segen weiter eilt, Beschwerden, Sorgen, Ängste heilt im Norden, Süden, Westen, Osten und alles das ganz ohne Kosten und ohne Medizin und Kur! - Am Anfang steht (d)ein Lächeln nur ... Manfred Günther Nur wenig übertrieben! - Gedichte für Alsfelder Allgemeine Zeitung 83