Nächtliches Duell Es gibt schon seltsame Geschichten! Von einer handelt heut’ mein Dichten. Sie führt ins Vogelsberger Land ... Das Dorf der Handlung ist bekannt, doch soll hier ohne Namen bleiben. Von Fritz und Käthe will ich schreiben, ein Paar, das im Gedicht wie meist, ganz anders als im Leben heißt, doch wahr ist das, was ich erzähle. Wenn ich nun Fritz und Käthe wähle, dann liegt’s an einer Eigenart, die selten so wie hier sich paart, denn meistens ist, was soll ich sagen, damit sonst einer nur geschlagen, sehr häufig er und manchmal sie, doch beide - selten oder nie! In unserm Falle also leiden seit langer Zeit schon unsre beiden und das in ziemlich hohem Grad: Er und auch sie sind „Rhonchopath“, so wie’s die Mediziner nennen! Dass auch die Laien es erkennen, ein Hinweis noch: Es spielt bei Nacht ... ist etwas, das Geräusche macht ... so ähnlich wie Posaune blasen ... nur kommt der Ton hier aus den Nasen ... Jetzt habt ihr’s, denk’ ich, auch geschnallt: Jawohl, bei „Rhonchopathen“ schallt das Schnarchen bis die Balken krachen! Nun glaubt man wohl, es wär’ zum Lachen, doch ist zu schnarchen lustig nicht! Hört als Beleg jetzt den Bericht aus einer Nacht von Fritz und Käthe: Grad schließt die Tagesschau, die späte, da schickt die Frau sich und ihr Mann ins Ehebett zu steigen an: Noch rasch einmal das Bad benutzen, dann zwei Minuten Zähne putzen und schließlich, ja, was ist das bloß?, hört man von beiden: „Fertig ... los!“ Schon sinken sie in ihre Daunen. Wo bleibt der Kuss, das zarte Raunen: „Schlaf’ schön, mein Liebling, gute Nacht!“? Schon ist die Lampe ausgemacht und alle Augen sind geschlossen. Da liegen sie wie hingegossen und wär’s nicht dunkel, sähen wir, wie ihre Lider, alle vier ganz angespannt wie flackernd rucken! Die Halsschlagader sieht man zucken als käme nun das Blut auf Tour. Von sanftem Schlummer keine Spur, vielmehr: die Stirnen schlagen Falten. Schon kann sich auch der Mund nicht halten, die Oberlippe senkt und hebt sich rhytmisch und die Nase bebt vom Flügel bis zu ihrem Rücken, als gält’ es, was zu unterdrücken ... Und das, ihr Leser, ist’s genau, was hier der Fritz und seine Frau so wie in jeder Nacht probieren! Es ist grad wie beim Duellieren: So wie man dort die Waffen wählt, sich dann entfernt und Schritte zählt, so zählt man hier den Sprung von Schafen. Das Ziel ist klar: Schon fest zu schlafen, bevor des andern Nasenton, von immerhin rund neunzig Phon, den Raum erfüllt mit Schnarchgesängen. Daher die Eile und das Drängen, eh’r als der andere zu sein. So schau’n wir noch einmal hinein in Fritz’ und Käthes Ehezimmer: Die Spannung wächst und immer schlimmer verzerrt bei beiden sich der Mund. Wer’s sieht, der ahnt wohl auch den Grund - man hört die Schafe förmlich springen! Wer wird den andern heut’ bezwingen, wer fällt zuerst in süßen Schlaf? Er ist beim tausendeinten Schaf, sie hält mit tausendzehn dagegen ... und endlich, endlich, welch ein Segen, ist’s jetzt bei beiden grad soweit: zwei Schnarcher! - ganz zur gleichen Zeit - entringen sich den Nasen eben! Man hört die Wände wanken, beben im Schnarchkonzert mal hin, mal her, doch stört’s die beiden nun nicht mehr, sie sind entrückt und lächeln milde fernab im schönsten Traumgefilde ... Zuende ist das Schnarch-Duell! Auch wir verlassen jetzt ganz schnell die lärmerfüllte Kampfesstätte. - Das, was ich noch zu sagen hätte, ihr lieben Leser, ist: Seid brav! Und allzeit ungestörten Schlaf! Manfred Günther Nur wenig übertrieben! - Gedichte für Alsfelder Allgemeine Zeitung 81