Der Dichter als „Dichter“ (Zum 75. Jubiläum) Dies ist, wie ich mit Stolz bemerke, das fünfundsiebzigste der Werke, das in der AAZ erscheint. Doch denkt ihr falsch, wenn ihr nun meint, mir schwänden langsam die Ideen. Im Gegenteil! Ihr sollt es sehen, weil doch ein Buch erscheinen soll!, mach’ ich die Hundertfünfzig voll; das sind dann gut Fünfhundert Seiten. Doch dazu mehr und zwar beizeiten. Zurück geht’s in die Gegenwart. Heut’ wird’s persönlich, ziemlich hart, denn ich berichte über Sachen, die weder heiter noch zum Lachen, vielmehr schon eh’r zum Weinen sind ... Schon geht es los. Gereimt entspinnt sich hier ein andrer Fall von „Dichtung“, veranlasst durch genaue Sichtung des Daches meines Hühnerstalls, das neulich während Regenfalls den Wohnbereich der Hennen nässte. Im Weiteren ist’s wohl das Beste, ich gebe euch aus eig’ner Sicht in einem „Dicht“-gedicht Bericht: Manch einer sagt (mit großer Klappe!), dies oder das „wär’ nicht von Pappe“! Das stimmt auch meist. Ein Sonderfall ist hier jedoch mein Hühnerstall: Der ist der Regel klar enthoben und ist sehr wohl von Pappe ... oben, wo beiderseits vom First sich flach nach unten neigt das Satteldach. Dort war durch Alterung und Regen, dem Zwecke eines Dachs entgegen die Pappe, die vor Nässe schützt, auf breiter Front arg abgenützt, drum sind von meinen Hühnern dreie (sie sitzen meist in einer Reihe) schon häufig, wenn es gießt bei Nacht, von kneippschen Güssen aufgewacht, sind dann verstört, vom Schlaf noch trunken, von ihrem Stangenplatz gesunken und saßen morgens dann ganz klamm am Boden mit noch feuchtem Kamm. Ganz klar: Der Zustand war kein Segen! So wollten auch die drei nicht legen und waren länger schon „vom Ei“, was keinem Halter einerlei! So ging ich, Legekraft zu wecken, vor Tagen dran, das Dach zu decken, was kein Problem für einen Mann, der einen Hammer halten kann. Bei Herkules - nach kurzem Planen - erstand ich zwei Zehn-Meter-Bahnen „Dachdeckers Beste, Ultra-Papp“. Ich schnitt dann flott zwei Lagen ab - dabei ging das genaue Messen des Überstandes nicht vergessen! - dann eins, zwei, drei die Leiter rauf, schon legte ich die Pappe auf, die neue, glatt und ohne Falte ganz einfach oben auf die alte, danach nach links ein kleiner Ruck, dann noch nach unten rechts ein Zuck ... Nun lagen - was ja ziemlich wichtig! - die Bahnen auch zum Nageln richtig. Und Nageln tut man, wie bekannt, mit einem Hammer in der Hand. Dafür - es hat mich stets getragen - musst’ ich aufs Dach hinauf mich wagen ... doch da! - war’s Fäulnis, mein Gewicht? - des Daches Sparren hielten nicht! So ging’s mit einem Knall kopfunter im freien Fall vom Dach hinunter, wobei - dann war es auch genug! - der Hammer mich von hinten schlug. Nun lag ich da. Von meinen Knochen war keiner - Gott sei Dank! - gebrochen. Das Dach jedoch hing links ganz schief und mich erfasst ein Stimmungstief. Doch muss man, soll ein Ding gelingen, es eisern auch zu Ende bringen: Ein Mann führt seinen Vorsatz aus! Die Leiter her, aufs Hühnerhaus zum Deckversuch, es ist der zweite, doch diesmal auf der rechten Seite und hier sind alle Sparren fest, was mir jetzt Zeit zum Nageln lässt ... doch leider, leider nicht sehr lange: Ein Knacksen, Knirschen ... mir wird bange, dann hört man Brechen eines Bretts ... Ich folge dem Naturgesetz der Schwerkraft! Wieder geht es munter - nur diesmal innerstalls - hinunter. Dann trifft genau der Herr Poet den Legekasten, der dort steht, durchschlägt das Dach und steckt im Kasten, der unvertraut mit Zentnerlasten sogleich noch ganz zusammenknickt. Ein Huhn, das grade Körner pickt, erschrickt sich sichtlich fast zu Tode. Der Kasten, der zwar sonst marode, hat einen Rahmen aus Metall! So also endet jetzt mein Fall so wie ein Korken in der Flasche: Ich sitze fest. Die Hinterntasche berührt den Boden vom Verschlag, ein Ei zerbarst, das dort schon lag und feuchtet spürbar meine Hose. Nur Kopf und Füße ragen lose noch oben raus und zucken wild, mit einem Wort: Ein Jammerbild. - Vom weit’ren Fortgang will ich schweigen. Für heute endet hier der Reigen des fünfundsiebzigsten Gedichts. Zur Reduzierung des Gewichts geh’ ich jetzt erst einmal für Wochen in Urlaub. Doch es ist versprochen: Nach abgespeckter Wiederkehr, nehm’ ich die Feder wieder her und auch den Hammer um zu „Dichten“ das Dach des Stalls und Reimgeschichten, an jedem Freitagmorgen neu! Bleibt schön gesund und bleibt mir treu! Manfred Günther Nur wenig übertrieben! - Gedichte für Alsfelder Allgemeine Zeitung 75