Werte 2 (Zivilcourage und Wahrhaftigkeit) In „Werte 2“ geht’s heut’ um Dinge, die ich vor eure Ohren bringe, damit des Dichtens Gegenstand in unsrer Gegend, unserm Land, nach langen, dunklen Dürrezeiten, beginnt, sich wieder auszubreiten. Denn eins steht leider felsenfest: „Zivilcourage“ überlässt das Feld der Feigheit, schon seit Jahren! Die früh’r wahrhaftig, mutig waren, die schweigen, wo zu reden wär’! Auch ist es leider eine Mär, es herrsche dieserzeit verbreitet Gesprächskultur und dass man streitet und seine Überzeugung sagt. Ein Faktum ist: Kaum einer wagt noch öffentlich sich zu bekennen, die Lüge, Lüge klar zu nennen und auszusprechen, was er hasst, zu klagen, wo ihm was nicht passt, wenn ein Gerücht ihn hart getroffen, dann nachzufragen, laut und offen. Und das, so rundet sich das Bild, ist etwas, was persönlich gilt, gesellschaftlich: in den Vereinen, der Kirche auch (man soll’s nicht meinen!), Verwaltung, Schule, Politik, Büros, Betriebe und Fabrik. Gab’s vormals hier und dort das Streben, das menschliche Zusammenleben zu jeder Zeit, an jedem Ort, durch Offenheit und klares Wort dem Besten aller zuzuführen, so meint man heute oft zu spüren, dass einer - meist indem er schweigt - verbirgt und nicht nach außen zeigt, was er wohl denkt. Auch lässt er jeden, der Blödsinn redet, lieber reden, als dass er in die Schranken weist, den, der da schwätzt und dümmlich dreist probiert, die Wahrheit zu verdrehen. - Wie aber ist das zu verstehen, dass Menschen heute immer mehr im zwischenmenschlichen Verkehr so oft nur schweigen und nicht wagen, den eig’nen Standpunkt klar zu sagen? - Für mich (was die Erfahrung stützt!) wird heute erst gefragt, ob’s nützt und dann vielleicht, ob’s gut und richtig, der Sache dienlich, wahr und wichtig. Man spricht, auch wenn das hässlich klingt, nur aus, was irgendetwas „bringt“ und das mir selbst, nicht irgendeinem! Ich schau’ nach mir - schau’ du nach deinem! So heißt das Motto dieser Zeit! - Doch jetzt, so glaub’ ich, ist’s soweit die Sache positiv zu wenden: So nämlich darf es niemals enden, da schwindet, fällt und stirbt zu viel und steht zu Großes auf dem Spiel. So will ich heute appellieren, den schlechten Trend zu revidieren: Dass niemand länger lieber schweigt, statt dass er denen Flagge zeigt, die der Gemeinschaft aller schaden. Die Wahrheit ist der rote Faden, an dem der Mensch durchs Leben geht und wer ihr feige widersteht, um nur im eig’nen Sinn zu sprechen, der wird zuletzt an ihr zerbrechen, denn eins ist sicher: Wahrheit nur ist unsres Lebens klare Spur; ihr folgen heißt, stets dort zu schreiten, wo solche Worte uns begleiten, die sagen, was sie fördert, schützt, was ihr und nicht mir selber nützt und hierzu braucht’s Zivilcourage! Die Feigheit ist die Demontage der Einheit und Wahrhaftigkeit. - Ich hoffe sehr, wir sind bereit, in diesen oft so dunklen Tagen an Wahrheit etwas mehr zu wagen! Das dient, da dürft ihr sicher sein, dann nicht der Wahrheit nur allein, vielmehr auch dem Zusammenleben der Menschen wird es etwas geben: Vielleicht von Einigkeit ein Stück, Verständnis, Liebe, Freude, Glück ...? Manfred Günther Nur wenig übertrieben! - Gedichte für Alsfelder Allgemeine Zeitung 73