Gartenfreude Von Steckenpferden aller Arten ist eins der häufigsten der Garten. Wobei der Unbedarfte denkt, dass dieser nur Entspannung schenkt: Ein Ort - auch noch vom Arzt empfohlen -, sich in der Freizeit zu erholen durch Müßiggang und Freude pur am grünen Busen der Natur. - Wie liegt, wer solches glaubt, daneben! Ich will euch ein Exempel geben, wie’s Gärtnern in der Praxis geht, ein Beispiel auch, an dem ihr seht, dass „Freude“ nur die eine Seite, die kleinere! Hier ist die zweite: Geduld, viel Arbeit, Muskelkraft, und trotz Enttäuschung Leidenschaft! Dem Faulen wird es nicht gelingen, dem Boden Früchte abzuringen. Das bleibt der steten Mühe Preis und kostet sehr viel Fleiß und Schweiß. - Wir wollen in die Praxis gehen: Um vier Uhr dreißig kann man sehen, wie Paula B. zum Eimer greift, den Gummihandschuh überstreift, um gleich, in ihres Gartens Weiten, sich „Gärtnerfreuden“ zu bereiten. Für heute hat sie vorgeseh’n, zunächst auf Schneckenfang zu geh’n. Der Kampf tobt dieses Jahr erbittert! Denn weil’s viel regnet und gewittert, ist alle Tage Schneckenjagd und die beginnt man, eh’ es tagt und Sonnenstrahlen müde Schnecken (vom Blumenkohl gesättigt!) wecken. So liest nun Paula Stück um Stück die Beete ab und sie hat Glück: Der schleimige Ertrag ist prächtig! Vierhundertzehn! - rekordverdächtig! Inzwischen sind die Vögel wach und haben sich mit sehr viel Krach auf Paulas Frühbeet eingefunden und lassen den Salat sich munden, was unsre Gärtnerin ergrimmt, denn der Salat ist nicht bestimmt für Spatzenkropf und Starenschnabel, vielmehr für Paulas Tisch und Gabel (was wohl den Vögeln unbekannt), sie fressen weiter unverwandt. Um rasch nun sie am Schmaus zu hindern, und Ausfallschäden zu vermindern, spannt Paula jetzt ein Vogelnetz. Doch Vögel achten kein Gesetz des Eigentums und des Besitzes. Es braucht die Dauer eines Blitzes, dann hocken Spatz und Fink und Star, dazu die ganze Vogelschar auf Paulas frischen Kräuterbeeten, um hier in Reihen anzutreten und dann - mit Zwitschern und Gesang - geht’s rupf und zupf die Saat entlang. Von wegen: „Gutes kommt ins Töpfchen!“ Hier stopft ein jedes in sein Kröpfchen, was Schlund und Magen fassen kann. Die Paula fängt zu schreien an, versucht die Vögel zu vertreiben, doch die sind standorttreu - und bleiben. Nun weint sie fast, die Paula B.! Melisse, Kerbel, Dill, ade! Da wird’s, die Esskultur zu heben, wohl wieder mal nur Schnittlauch geben (ein Kraut, das Vögeln nicht behagt). Derweil nun schon der Morgen tagt, schaut Paula jetzt nach ihren Möhren ... In diese hat mit kleinsten Röhren die Möhrenfliege sich gebohrt. Der Sellerie ist pilzbeflort und in der Gartenecke drüben, steh’n gelblich-welk die Oberrüben, daneben - auch von Hernie hohl - der rote und der weiße Kohl. Da Paula scheut des Giftes Keule, nagt überall im Kraut die Fäule und das, trotz ihrer Plag’ und Müh’ an jedem Tag am Morgen früh. Jetzt sucht ihr Blick noch nach den Bohnen, wird wenigstens ihr Anbau lohnen? Da sitzt zu allem Überfluss des Nachbars Kater, der mal muss ... Schon hat er sich ein Loch gegraben (dort wo die Bohnen Wurzeln haben!). Jetzt wird es Paula doch zu viel! Sie hat genug vom bösen Spiel um Gartenlust und Gartenfreude! Ihr scheint, dass sie nur Kraft vergeude ... Da naht, geschund’ner Seele Trost, der (Katerhalter!) Nachbar Jost. Ahnt nichts von Paulas schwerem Kummer lag grade eben noch im Schlummer, ist Pensionär und nicht vom Land, hat beiderseits die linke Hand und übt beim Garten strikt Enthaltung, lässt seine Speiseplangestaltung bei Edeka und seiner Frau. Auch sieht er nicht mehr so genau, was jetzt für Paula seine leisen „trostreichen“ Worte klar beweisen: „Wie ist dein Garten übern Zaun so hübsch und fruchtbar anzuschau’n! Die Wege sauber, schön zu gehen. Der Kohl ist dick, das kann man sehen. Auch köpfelt bald der Kopfsalat und kräftig treibt der Blattspinat. Auch sieht man, deine Kräutersaaten sind allesamt sehr gut geraten. Wie herrlich auch in seinem Beet der Blumenkohl in Blüte steht! Und wie so schön die roten, weißen Kohlköpfe in der Sonne gleißen und die Kohlrabie - wunderbar! Das wird ein gutes Gartenjahr und eine reiche Ernte werden! Du hast das Paradies auf Erden! So sag’ mir doch, wie man das macht: So wenig Arbeit - solche Pracht!?“ Manfred Günther Nur wenig übertrieben! - Gedichte für Alsfelder Allgemeine Zeitung 71