Fliegenjagd (oder: Ein Aufruf zur Mäßigung) Gewiss nicht, um zu unterhalten, will mein Gedicht euch hier entfalten, dass blinder Eifer einen Mann fast in die Anstalt bringen kann. Ich will von jemand hier erzählen und was er tat als Warnung wählen, damit der Leser dran erkennt, wie leicht man in sein Unglück rennt, wenn’s nicht gelingt, die Emotionen, die meist verborgen in uns wohnen, in Schach zu halten und im Zaum. - Mein Beispiel ist durchaus kein Traum, im Gegenteil, ihr sollt jetzt lesen, was wie beschrieben auch gewesen: Der Ort war irgendwas auf „...rod“. Beim Namen hemmt mich das Gebot, von Dingen, die das Inn’re zeigen (die Seele also), strikt zu schweigen. Doch reicht’s für unsre Zwecke schon, wenn wir des Dramas Hauptperson jetzt einfach „Fritz“ und „Meier“ nennen, so kann man ihn zwar nicht erkennen, doch zeigen beide Namen gut: Er ist ein Mensch aus Fleisch und Blut - wie du und ich! - Hier die Geschichte, von der als Zeuge ich berichte: Sie spielt zunächst im Schlafgemach ... Doch halt! Es geht der Reihe nach: Der Fritz, sieht er ‘ne Fliege fliegen, denkt eines nur: Ich muss sie kriegen! Dann ruht er erst, wenn sie erlegt und platt ist und sich nicht mehr regt. So hat er sich zum Fliegen jagen für recht viel Geld in diesen Tagen auch eine Klatsche angeschafft von allergrößter Federkraft. Die will er ohne Zeitverlieren zu Hause nun auch ausprobieren. Er wählt dazu, wie schon gesagt, das Schlafgemach und geht auf Jagd. Da! - sitzt ja eine auf dem Spiegel! Patsch! - schon zerbirst der Salbentiegel, den Fritzens Frau zum Schminken nutzt. Die Fliege flieht, der Jäger stutzt und starrt, dass er sie wieder sähe ... Da hockt sie ja ganz in der Nähe und putzt sich auf dem Fensterbrett und schimmert schwärzlich-violett ... Zack! - saust erneut die Klatsche nieder! Doch Meiers Fritz verfehlt sie wieder, doch nicht den Kaktus, der dort steht und dessen Topf in Scherben geht. Jetzt kriegt er Wut der Fliegenjäger! Die Hand verkrampft sich um den Schläger. Die Fliege hat die Tür erreicht, wo sie durch deren Spalt entweicht. Doch Fritze folgt von Zorn gerötet, dass er die Fliege klatscht und tötet ... Sie sitzt dort auf der Lampe jetzt! Ein Schlag, ein Knall, sie ist zerfetzt ... die Lampe, leider nicht die Fliege. Schon schreit der Fritz: „Wenn ich dich kriege ...“ Doch längst ist das Insekt entschwebt, was Fritzens Zornespegel hebt und ihn veranlasst unter Fluchen erneut nach dem Insekt zu suchen. Da an der Türe hockt sie doch ... zur Küche ... dort am Schlüsselloch! Die Tür ist Gott sei Dank geschlossen! Schon kommt der Jäger angeschossen. Die Fliege, der nichts Gutes schwant, hat sich durchs Loch den Weg gebahnt und ist schon in der Küche drinnen. Der Fritz, anstatt sich zu besinnen, reißt außer sich die Türe auf ... schon nimmt das Schicksal seinen Lauf, denn Küchen - dieses gilt verbindlich! - sind von Natur aus sehr empfindlich und bieten meistens wenig Platz für Strategie der Fliegenhatz. Auch sind hier Schäden aller Arten und hohe Kosten zu erwarten und besser wär’s, man zähme sich. Doch Fritz ist ziemlich ärgerlich und schon steht ihm der Schaum vorm Munde! Nun blickt er lauernd in die Runde und hat im Auge sie und klatsch! ... daneben! Da schon wieder: patsch! ... das waren zwei der Frühstückstassen! Es ist zu spät. Er kann’s nicht lassen, es tobt der Fritz wie ein Orkan, schafft seinem Zorn nun freie Bahn, wobei er nicht auf Vorsicht achtet. Fritz wirkt wie einer, der umnachtet (die Augen schon im Wahn verdreht) und kurz vorm Herzversagen steht. Zu spät! Er schlägt die ganze Küche mit ihrem Inventar in Brüche. Erst als die Fensterscheibe knallt ist Fritzens Ausbruch von Gewalt und Wut mit einem Schlag zu Ende. Die Fliege nämlich, sehr behende verlässt durchs Küchenfenster jetzt das Schlachtfeld „Küche“ unverletzt. - Nun wird gewiss der Leser fragen: Was will uns die Geschichte sagen? Es ist ganz einfach und ganz klar: Die Fliege ist uns offenbar, packt uns die Wut, weit überlegen! Drum lohnt es nicht, sich aufzuregen, dass uns die Schläfenader schwillt. Und was im Blick auf Fliegen gilt, das wird in allen Dingen passen: Man soll sich niemals gehen lassen! Die Emotionen Zorn und Wut, sind selten für was Gutes gut. Manfred Günther Nur wenig übertrieben! - Gedichte für Alsfelder Allgemeine Zeitung 70