Beziehungspflege im Strömungskanal (oder: Beobachtungen in der „Rentnerschleuder“) Die Überschrift kann’s kaum erhellen: Was hat man sich da vorzustellen, wenn’s hier „Kanal“ und „Strömung“ heißt? Und auch „Beziehungspflege“ weist nur wenig mehr in die Gefilde, in denen wir ganz klar im Bilde und wüssten, was der Autor meint ... - Das Ding, das unbekannt erscheint, ist etwas in Bad Füssings* Therme, fast vierzig Celsiusgrade Wärme!, gut Hundertzwanzig Meter lang, drei Meter breit: ein Wassergang, der länglich hin und her sich windet, zur Endlosschleife sich verbindet, in dem, von Strömung unterstützt, man tut, was der Gesundheit nützt, und das bedeutet, oft für Stunden!, besagte Schleife zu umrunden im Pfarrer-Kneippschen-Storchenschritt. So also geht’s im gleichen Tritt als Prozession rund ums Oval. Doch warum heißt nun der Kanal die „Rentner“-schleuder oder auch: Bad Füssings langer „Bagger-Schlauch“? Ich denke, das ist leicht zu klären: Die Strömung fördert die Affären, wie sie der Mann mit Frauen hat und umgekehrt. Hier findet statt, was Ält’re noch als „Flirten“ kennen und Jüngere das „Baggern“ nennen, wobei sich heute beides gleicht. Das Ziel des Ganzen ist erreicht, wenn er und sie - nichts zu verpassen! - gemeinsam den Kanal verlassen, um eilig dann nach dort zu geh’n, wo fremde Augen sie nicht seh’n ... Doch ist’s hier angezeigt zu schweigen. - Fast müßig, jetzt noch aufzuzeigen, warum man „Rentner“-Schleuder sagt: Die Wassertreter sind betagt, halt Ruheständler, Pensionäre ... und wenn ich gut im Schätzen wäre, dann dächt’ ich, über Siebzig meist! (Was uns erklärt, warum es heißt: Je oller Menschen sind, je doller!) Die Strömung ist ein wirkungsvoller Vermittler für den Erstkontakt. Und überdies: Man ist halbnackt und bändigt, was ansonsten lose, mit Oberteil und Badehose, je nach Geschlecht (- was sich versteht!). Ein Mann, der eine Runde geht, hat sicher zehn Gelegenheiten, genau an Stellen „auszugleiten“, an die der „Zufall“ SIE geführt. Und hat man sich schon mal berührt und ersten Blickkontakt geschlossen, dann wächst von vierzig Grad umflossen auch innnerlich sehr rasch ein Band und bald schon geht man Hand in Hand, bis dann - oft nur drei Runden weiter - ER gelten darf als IHR Begleiter. Und nach fünf weit’ren Runden nur ist ER der Schatten IHRER Kur ... - Am nächsten Morgen wird das Minnen im Bagger-Schlauch dann neu beginnen, und viele sind in kurzer Zeit von ihrer Einsamkeit befreit und zeigen glückliche Gesichter. - Da fragt sich wohl - nicht nur der Dichter - warum nicht Dorf und jede Stadt auch eine Rentnerschleuder hat? Denn eins ist klar, man muss die Alten, in Zukunft gut bei Laune halten, weil ihre Zahl ja ständig steigt! Drum mache man sie sich geneigt durch Förderungs-Investitionen! Rasch wird sich’s auch politisch lohnen im Hinblick auf die Wählerzahl bei Kommunal- und Landtagswahl! Wo heut’ im Schimmbad wir nur baden, kann Morgen schon um unsre Waden und um die Falten unsres Bauchs die Strömung eines Bagger-Schlauchs mit vierzig Grad die Haut umspielen. Wer will sie zählen, all die vielen, die einsam leben, Frau und Mann, die in den Rentnerschleudern dann ganz ohne Schwierigkeit sich finden und dann zu Paaren sich verbinden, denn niemand bleibt ja gern allein. - Für Junge mag’s die Disko sein, in der sie lärmend Hip-Hop hüpfen und Partner suchen, Bande knüpfen ... Die ält’ren Menschen brauchen eh’r den leisen Partnerschaftsverkehr mit Strömungshilfe und mit Wärme - halt so wie dort in Füssings Therme. - Wer freilich noch (wie ich) beweibt, am Ende gar (wie ich) beleibt, dem wird allein schon das Bewegen im Rentnerschleudergang zum Segen: Drei Gramm pro Tag sind garantiert! Ich hab es neulich ausprobiert! Manfred Günther * Thermenkurort in Bayern, Nähe Passau Nur wenig übertrieben! - Gedichte für Alsfelder Allgemeine Zeitung 62