Nur Liebe zählt! Die rührende Geschichte zweier Leser Der Gärtner Hinz* aus Großen-Linden** hat vor, sich ehelich zu binden mit Helga Kunze*, einer Frau aus Friedberg** in der Wetterau. Karl-Otto Hinz, schon gegen dreißig, ist bodenständig, bienenfleißig, im Herzen gut, im Geiste schlicht und welterfahren ist er nicht. Und da ist Helga, deren Vater sein Geld verdient als Bankberater*: Sie stammt aus feinem, reichen Haus sieht dementsprechend blässlich aus, gehört zu jenen höh’ren Kreisen, die niemals essen, sondern speisen, die statt zu laufen, sich ergeh’n, mit Ohnmacht ringen, wenn sie steh’n, beim Arztbesuch nie lange warten und nichts als Rasen zieh’n im Garten, die Autobahn befahr’n im Benz mit Dauer-Linker-Spur-Lizenz. - Jetzt will der Leser ohne Frage gewiss, dass ich ihm Antwort sage, wie’s kam, dass zwei, die offenbar so gar nicht passen als ein Paar, als solches sich zusammenfanden und eins dem andern sich verbanden? Es war - jetzt wisst ihr’s ganz genau - die letzte Landesgartenschau, bei der, als er die Rosen putzte, der Gärtner Hinz beim Aufseh’n stutzte: Dort stand, wo sonst die Masse geht, die Helga blass am Rosenbeet und dann - ich bring’ es auf den Punkt - hat’s wohl bei beiden gleich „gefunkt“, wogegen weder Frau noch Mann ja irgendetwas machen kann. - Soweit einmal die Vorgeschichte. Jetzt wird es Zeit, dass ich berichte, wie dann die Sache weiter ging: Herr Hinz, nachdem er Feuer fing, bekam aus Friedberg bald ein Schreiben: So wie es wäre, könnt’s nicht bleiben. Ganz sicher würde er versteh’n: Man wolle ihn in Bälde seh’n, bevor „die Sache“ sich vertiefe und schließlich „aus dem Ruder liefe“! Als Eltern Helgas, die sie sind, „macht man sich Sorgen um sein Kind“ und „wolle ihm Verdruß ersparen“ und es „beschützen vor Gefahren“, die schnell entstehen, „wenn ein Mann, der Tochter nicht genügen kann“. Das jedenfalls sei ihr Bestreben. Er solle „schnellstens Antwort“ geben, ob’s ihm am nächsten Samstag passt? Man „sähe gerne ihn als Gast“ und möchte ihn „zum Dinner“ laden. Zu diesem Anlass könnt’s nicht schaden, er kleide sich entsprechend ein: Ein „Frack nebst Fliege“ müsste sein, es gäbe andre ... „noble Gäste“! - Nun fragt man sich, was wär’ das Beste, wie stellt man sich zu solchem Brief? Hört, wie die Sache weiter lief: Herr Hinz, von Liebe angetrieben, ist Kunzes Fest nicht fern geblieben! Auch kam er ganz zur rechten Zeit, doch nicht in rechter Schicklichkeit ... Vielmehr - es ging ein großes Raunen durch Kunzes Haus, die Gäste staunen - im Overall und nicht im Frack entsteigt er seinem Hanomag, um dann - die noblen Gäste tuscheln, Herrn Kunze hört man „peinlich!“ nuscheln - auf seine Helga zuzugeh’n, (man sieht sie bei der Mutter steh’n) und ihre bleiche Hand zu greifen. Und dann, nach einer etwas steifen doch klaren Geste hebt er an: „Ich bin gewiss kein feiner Mann, weiß keine Fliege recht zu binden, muss mich beim Sprechen überwinden und hier zu reden ist mir Qual! Versteh’ auch nichts von Kapital, von Aktien und von Dividenden. Mein Hanomag kann niemand blenden, ein andres Auto hab’ ich nicht. Für mich hat nur noch eins Gewicht: Das Fräulein Helga zu gewinnen, mit ihr ein Leben zu beginnen, das voll von Liebe ist und Glück! Ich fahr’ heut’ Abend nicht zurück bevor mir Helga ist versprochen!“ Hier wird die Rede abgebrochen. Hinz schaut sich um im Saal und spürt, die Frauen alle sind gerührt, ja, Helgas Mutter muss gar weinen! Selbst Kunze will es passend scheinen, dass er dem Mann im Gärtnerhut, jetzt endlich seinen Willen tut: „Wenn Helga mag, in Gottes Namen!“ Worauf nun alle Herrn und Damen ihr Glas erheben und mit „Prost“ bekräftigen Herrn Kunzes Toast: „Wer wird der Liebe hohen Wellen sich hindernd denn entgegenstellen? Ich sicher nicht! So nimm sie schon und sei mein lieber Schwiegersohn!“ - Ihr Leute, was ihr heut’ gelesen, scheint ziemlich kitschig euch gewesen, auch wenig glaubhaft, ja, fingiert!? Nein, grade so ist es passiert! Ihr könntet „Hinzes“ selber fragen, nur darf ich nicht die Namen sagen, auch war für heute nur mein Amt Erfahrung, die von andern stammt mit Worten ohne Übertreiben (!) in Vers und Reimen aufzuschreiben. Und das, ihr Damen und ihr Herrn, tat ich für heut’ besonders gern! Manfred Günther * Berufe und Namen geändert ** Orte geändert Nur wenig übertrieben! - Gedichte für Alsfelder Allgemeine Zeitung 52