Die Gans Agathe (Teil 1) Gut an Heiligabend vorzulesen! In Grebenhain, im Ortsteil Zahmen, da gibt’s zwei Schwestern, alte Damen, sie heißen Jette und Kathrein und leben unbemannt, allein in einem Haus am Rand des Ortes. Sie sind im wahrsten Sinn des Wortes mit der Natur auf du und du. Das Mücken töten ist tabu, die Katze sieht man Körner fressen und gälte es, ein Ei zu essen, so wär’s den beiden schon Gewalt. Das Tier in jeglicher Gestalt wird als ein Mitgeschöpf geachtet und nicht verwertet, nicht geschlachtet ... Jedoch das war nicht immer so! Vielmehr vor Jahren tat man froh an Braten sich und Wurst noch laben und an der Tiere andren Gaben. Doch wie es war, ist’s längst nicht mehr, man isst heut’ anders als vorher und das kam so: Hört die Geschichte, die von den beiden ich berichte: An einem Nachmittag im Mai klopft’s an die Tür am Haus der zwei; am Treppenabsatz steht Herr Sauer aus Altenhain, ein Gänsebauer, der trägt vier Gänschen, ziemlich klein, in einem Korb ins Haus herein, um dann, kaum steht er gänzlich innen, mit seinem Vorschlag zu beginnen - die alten Damen sind ganz Ohr: Er sagt, er hätte heuer vor die Gänse zeitig abzugeben, wenn sie noch klein - im Frühjahr eben, damit sich jeder selbst sein Tier, gern auch pro Haushalt drei bis vier, mit Hafer, Gras und Weizen mäste. Der Vogel sei zum Weihnachtsfeste dann für die Schlachtung gut bereit. Doch achte man, in dieser Zeit den Vögeln nicht zu nah zu kommen, bevor sie tot und ausgenommen, sonst fiele durch „Gefühlsverkehr“ der Abschied manchmal etwas schwer. - Das nächste Wort ergreift nun Jette: „Wir nehmen eine und ich wette, es gibt am Ende kein Problem. Denn Gans schmeckt wirklich angenehm und erst das Schmalz mit feinen Grieben zählt zu den Dingen, die wir lieben! Und außerdem und überdies: Wir sind kein Vogelparadies, auch lernten wir schon früh das Schlachten! So werden wir zum Fest nicht schmachten, vielmehr zum Christtag fett und zart gibt’s Gans - im eig’nen Saft gegart!“ Nachdem nun beide Seiten willig, (zudem die kleine Gans auch billig!) sieht Jette, die die Börse zieht, noch nach dem kleinen Unterschied: Denn eins ist klar: In ihre Stube kommt nur ‘ne Gans, kein Gänsebube, weil mit den „Herren“, Jette lacht, man selten die Erfahrung macht, dass einer „gut an Herz und Wesen“. Drum sei von „Männern man genesen“ und achte, dass in ihrem Haus „die Frau regiert: Das zahlt sich aus!” - Vom letzten Satz leicht irritiert meint Bauer Sauer: „Es pressiert, ich muss noch in den Nachbarort!” Er nimmt sein Geld und macht sich fort. - Im Haus der Damen aber startet, was später (wie man schon erwartet) nur als ein Drama enden kann! Es fängt mit der Entscheidung an: „Die kleine Gans wohnt hier im Zimmer!” Die Namensgebung macht’s noch schlimmer, denn schlachten kann man Tiere bloß die „anonym”, sprich: namenlos, hier aber ist es schnell beschlossen und gleich mit einem Schnaps begossen: dass ihre Gans „Agathe” heißt. Ein dritter Fehler aber weist nun ganz in Richtung „schlimmes Ende“: Man nimmt das Gänschen in die Hände und streichelt’s jetzt ganz lang und sacht, genau wie man’s bei Kindern macht und spricht auch in Agathes Ohren wie Mütter sprechen (oder Toren) „Du süßes Ding“ und „Ei, popei“, danach kriegt’s Gänschen Haferbrei und denkt an Hungern nicht noch Fasten! Dann bettet man das Tier im Kasten, in dem man winters Brennholz trägt. Agathe plustert sich und schlägt ermüdet nun die Augenlider zu sanftem Gänseschlummer nieder. - Wir aber stören nun das Glück nicht länger, zieh’n uns jetzt zurück und nehmen diese Gänse-Fama erst wieder auf, wenn sie als Drama erzählt von Leid und Seelenqual ... - Ihr hört davon beim nächsten Mal! Manfred Günther P.S.: Wer nicht so lange warten kann, der geh’ ins Web und klicke an bei „predigt-eichendorf.de“ natürlich unter „www“! Ich denk’ am Samstag ist’s soweit, zurecht noch vor der Weihnachtszeit! M.G. Nur wenig übertrieben! - Gedichte für Alsfelder Allgemeine Zeitung 49