Schule heute: Der Unterrichtsbesuch (Teil 2) Hier also geht die Sache weiter, wird hintersinnig und auch heiter, zumindest für die Leserschar - jedoch nicht für den Ref’rendar! Der drückt, die Stunde zu beginnen, das Interesse zu gewinnen, die Raumverdunkelung auf „an“. Die Rollos senken sich sodann und Dämm’rung fällt im Klassenzimmer. Des Overhead-Projektors Schimmer verheißt: gleich gibt es was zu seh’n! Rund fünfundvierzig Köpfe dreh’n sich schon nach vorne voll Erwarten, wo gleich wohl Bild-Impulse starten ... Vom Ref’rendar, er wirkt erregt, wird eine Folie aufgelegt, um diese vorn zu projizieren. Danach ganz ohne Zeitverlieren betätigt er - man denkt sich’s schon - den Knopf für „Volle Projektion“. Doch finster bleibt’s, es will nicht glücken, den Schalter mit Erfolg zu drücken - auch nicht beim siebenten Versuch! Dem Ref’rendar scheint’s wie ein Fluch, denn neulich ging sie noch, die Birne! Schon tropft es feucht ihm von der Stirne, er wähnt sich wie im bösen Traum. Auch wird es laut im Klassenraum und nicht nur SchülerInnen nützen, dass sie des Dunkels Schatten schützen, wenn sie mit beißendem Humor, teils einzeln, aber auch im Chor jetzt rufen: „Ist’s das schon gewesen?“ und „Macht mal Licht, ich möchte lesen!“ und dann zum Spott des Ref’’rendars: „Her mit den Dickmanns, denn das war’s!“ Noch einer schreit: „Wo sind die Betten?“ Und eine andre: „Ich möcht’ wetten, das Thema heute ist das Licht!“ Doch leider: Hell wird’s davon nicht! Nun lässt der Schulrat laut sich hören: „Herr Ref’rendar, ich will nicht stören, nur fragen, ob’s nun bald soweit? Ich habe nämlich keine Zeit, hier lang in Dunkelhaft zu sitzen.“ Der Ref’rendar - schon eh am Schwitzen - sucht hektisch jetzt für die Rollos den Schalter, doch wo ist der bloß ... Jetzt hat er ihn! Und denkt sich eben, dass die Rollos sich gleich auch heben ... Das tun sie nicht! Im Raum bleibt’s Nacht! Denn niemand hat daran gedacht, den Ref’rendar zu unterrichten, auf die Verdunk’lung zu verzichten, weil diese - wie er nun erkennt - sich ganz mit Recht „Verdunk’lung“ nennt: Es geht hinunter - nicht nach oben, es sei denn, dass von Hand gehoben, man die Rollos nach oben schiebt, natürlich einzeln - wenn’s beliebt! Ums auf die Spitze nicht zu treiben, muss dieses freilich unterbleiben, weil’s dem Herrn Schulrat doch pressiert! Damit er keine Zeit verliert, hört darum man (mit Stoßgebeten!) den Ref’rendar nach vorne treten, die Deckenlampen anzudreh’n ... und wirklich: Endlich kann man seh’n, denn zwei von vierzehn Lampen brennen! Die andern zwölf - wie soll man’s nennen? - erlitten leider „Birnenschwund“, und leuchten nicht - aus diesem Grund, denn Birnen - wie die Schwämme! - „wandern“, von einem Klassenraum zum andern und kehren niemals mehr zurück! - So schließt hier jäh das Trauerstück, zwei Birnen nämlich - was erklärlich! - sind für den Unterricht zu spärlich, das leuchtet allen, nicht allein Herrn Taubernuss, dem Schulrat, ein. - Hier noch das Fazit der Geschichte: Die Sache zeigt in grellem Lichte, wie dunkel es in Deutschland ist, wenn man in Watt die Bildung misst! Und wie ein Gleichnis ist zu lesen, was alles eben los gewesen in dieser Stunde ohne Sinn: Die Bildung dämmert nur dahin, es fehlen Ziele, „Projektionen“, „Impulse“, Werte und Visionen, es fehlt am Wollen und am Geld. Wird Bildung hintenangestellt durch Politik in Bund und Ländern, dann wird sich nie mehr etwas ändern. - Nehmt endlich wahr, was Pisa spricht und macht im Haus der Bildung Licht! Manfred Günther