Bericht von einer „Bekehrung“

Hans-Erwin Bopp aus Rinderbügen *
schreibt mir im Brief: Er müsste lügen,
wenn er bisher sich Christ genannt
und kirchlich gar. Es sei bekannt,

er war das beides nie gewesen!
Sein Sonntag spielte meist am Tresen
bei seines Dorfes Kneipenwirt.
Dort hätte er - ganz unbeirrt

von religiösen Interessen -
den halben Tag des Herrn versessen
ganz von Gewissensbissen frei.
Doch wäre dieses jetzt vorbei:

Er zähle plötzlich zu den Frommen!
Die Wandlung wäre so gekommen:
Sein Enkel hatte Tauftermin
und er als Opa hätte ihn

zu diesem Anlass notgedrungen
(durch Brauch und Konvention gezwungen),
zur Kirche seines Orts begleitet. -
Schon als er dort die Tür durchschreitet

hebt sich sein Blick hinauf nach oben,
denn da in Kanzelhöhe droben
hängt ein Gemälde an der Wand: 
Ein Christus, den als Konfirmand

er wohl das letzte Mal gesehen.
Und dann, das schwört er, wär’s geschehen:
Der Christus habe stark gezwinkert,
so wie man mit den Augen blinkert,

wenn einer, den man lang entbehrte,
ganz unerwartet wiederkehrte ...
Das Blinzeln ging durch Mark und Bein
und gab ihm den Gedanken ein,

sich mehr als früher Zeit zu nehmen
und sich zum Kirchgang zu bequemen,
anstatt wie einst beim Ruf der Glocken
bei Weizenbier und Schnaps zu hocken.

Das habe er - so schließt sein Schreiben -
getan, auch solle es so bleiben,
es fiele nicht einmal so schwer:
Der Christus blinzle längst nicht mehr

auch habe er an diesen Stunden
in seiner Kirche Spaß gefunden,
zudem sei’s „seelischer Gewinn“!
(Auch freue sich die Pfarrerin!) -

Mein Fazit heute: Ich empfehle
dem Leser, dass er seine Seele
der selben Prüfung unterzieht:
Gesetzt, er ist Gemeindeglied,

wär’s gut, wenn in den nächsten Wochen,
(gern auch mit andern abgesprochen!!!)
er einen Gottesdienst besucht
und dies dann als Versuch verbucht:

Muss nämlich er beim Augenheben
des Christus Blinzelei erleben,
dann hilft nur eins: für läng're Zeiten
die Kirchbesuche auszuweiten,

um sonntäglich - das mag sich fügen 
wie bei Herrn Bopp aus Rinderbügen -
zu stärken Kraft und Zuversicht!
Eins weiß ich: Schaden wird es nicht!

Manfred Günther

* Name und Ort sind geändert!


Nur wenig übertrieben! - Gedichte für Alsfelder Allgemeine Zeitung 31