Reformen, Reformen ... Fast könnte man sich dran gewöhnen und mit dem Faktum sich versöhnen, dass alles, was in unserm Land in letzter Zeit „Reform“ genannt, nur Stückwerk war und nicht von Dauer. Zwar sind Politiker jetzt sauer, doch sag’ ich’s heute deutlich, klar: Die Stümperei wird offenbar, wo immer wir auch tiefer bohren: „Hartz IV“ - als Fortschritt erst beschworen - macht viele arm und keinen froh. Bei der „Gesundheit“ ebenso: Anstatt zum Besser’n „fort“-zuschreiten, ging’s auch - wer könnte es bestreiten? - in der Versorgung rückwärts nur. Die „Steuer“ macht die selbe Kur: Statt wirklich mal an die zu gehen, die wirtschaftlich ganz oben stehen, geht Sparzwang nur die Schwachen an, weil Schwäche sich nicht wehren kann. - So zählt’s auch wieder zu den Normen der Änderungen und Reformen, die jetzt der Bundestag traktiert: Zuallererst wird dort kassiert, wo Menschen schon in Armut leben, um vom Kassierten dem zu geben, der ohnedies nach Geld schon stinkt. Das zweite ist: Der Staat versinkt in Schulden und Verbindlichkeiten, doch lässt sich keiner davon leiten, sodass er, wie’s des Kaufmanns Art, nun wirklich einmal eisern spart! (Schon gar nicht spart man bei Diäten! Den kleinen Leuten bleiben Gräten, den Lachs serviert man anderswo.) Die dritte Norm heißt meistens so: Die Einzelfälle zu benutzen für Sippenhaft und Runterputzen, was denen noch die Würde nimmt, die schon ganz unten. - Auch wenn’s stimmt, dass einige Hartz IV-Empfänger sich dort bedienen (oder länger, als nötig), wo sich’s nicht gebührt. Doch bettelarm zu sein, verführt, das Äußerste herauszuholen! Und dann: so lang es nicht gestohlen, ist Schuldzuweisung ungerecht! Die Hartz-Reform ist selber schlecht und wird nicht besser, wenn man alle Familien in der Armutsfalle auch noch mit Kot und Dreck beschmeißt. Die amtliche Statistik weist es aus: Es sind nur fünf Prozent, weshalb man alle „schamlos“ nennt und „gierig“ auch und „arbeitsscheu“. Leicht spricht man so mit Geld wie Heu, als „Volksvertreter“ abgehoben vom „kleinen Mann“. Denn wer erst „oben“ weiß bald - da bin ich sehr direkt - nicht mehr nach was die Armut schmeckt, denn die ist süß nicht, sondern bitter. - Doch Schluss jetzt mit dem Zorngewitter, sonst gibt noch eins das andre Wort. Wir schreiten jetzt zum Fortschritt fort: Ihr in Berlin, setzt mal ein Zeichen! Eins, dem’s gelingt, dort auszugleichen wo alles aus dem Gleichgewicht. Seht’s auch mal aus der Menschen Sicht, die unten sind und kärglich leben. Probiert doch mal - trotz Widerstreben und gegen Stolz und Eitelkeit - für eines Monats kurze Zeit das Los der Armen auszuhalten: Versucht das Leben zu gestalten mit viermal Hundert Euro Geld. Geht ihr zum Arzt, dann bitte stellt euch ein auf Zahlung von Gebühren! Dann wird man euch ins Zimmer führen, wo Stunden ihr mit andern hockt. Auch wenn euch dann der Atem stockt, hier heißt’s für euch und andre warten! Und seid gefasst, dass viele Arten Behandlung, Pillen, Medizin, Verbandsstoff gar und Aspirin inzwischen viele Krankenkassen von den Patienten zahlen lassen. Da heißt es rasch, ihr werdet’s sehn, krank bleiben - oder Pleite geh’n. Als drittes werdet ihr erfahren, was so kursiert an Kommentaren und wie man Hartz-Empfänger sieht. Es ist ja noch das dumme Lied in unserm Lande nicht verklungen. Vielmehr wird’s auch noch heut’ gesungen: „Dass wer es will, auch schaffen kann.“ (Doch hört das Lied sich anders an, wenn Menschen selbst von Hartz betroffen!) - Nach einem Monat möcht’ ich hoffen - ist euer Selbstversuch geglückt, das falsche Bild zurechtgerückt, und endlich Raum für neue Normen und weiter führende Reformen, für die noch immer - kurz und klar - der Menschen Wohlfahrt Maßstab war! Manfred Günther Nur wenig übertrieben! - Gedichte für Alsfelder Allgemeine Zeitung 27