Berta ist gestorben (Oder: Wie man in Zeiten der Vogelgrippe ein Huhn begräbt.) Man hört’s ja manchen heute sagen: Die Menschheit spinnt in diesen Tagen! Und irgendwie und irgendwo, denk’ ich inzwischen ebenso und kann es praktisch auch belegen: Früh’r galten Hühner noch als Segen, sie trugen ja mit Fleisch und Ei zur Wohlfahrt von uns Menschen bei, indem sie Nahrung uns gewährten und ihren menschlichen Gefährten die Federn gaben für das Bett und ihrer Brühe Kraft und Fett. Wie ist das anders dieser Tage! Der Grund dafür ist eine Plage, die deutschlandweit und in der Welt, zuerst Politiker befällt, um deren Hirne zu erweichen. Worauf (als klares Krankheitszeichen!) das Augenmaß verloren geht. Ein so Betroffener versteht bald gar nichts mehr von seiner Sache, wobei verschärft die Panikmache das Hirn und den Verstand zersetzt. Das schlimme Ende ist zuletzt, dass die Erkrankten dann befehlen, gesunde Hühner so zu quälen mit „Aufstallpflicht“ und „Sippenhaft“, bis diese - es ist grauenhaft! - dann wirklich krank darniederliegen vom Trauern fahle Kämme kriegen in Ställen ohne Luft und Licht. - Zwar ist vorbei die Aufstallpflicht seit kurzer Zeit, doch die Gedanken der Menschen haben noch die Schranken, woraus ein Damm im Kopf gebaut, der Angst und Vorurteile staut: Das Huhn gilt vielen - wenn sie ehrlich - als sehr verdächtig, ja, gefährlich! Sein guter Ruf ist ruiniert! Was noch ein Beispiel illustriert: Der Hühnerhalter Schulz aus Sassen, nachdem die Tiere freigelassen, hat, als sie wieder draußen waren, am eig’nen Leibe dies erfahren: Die Menschen, die an seinem Garten früh’r schnell vorübergingen, starrten, als hätten sonst sie nichts zu tun, nach seinem Pferch, auf Hahn und Huhn. Dabei, die Münder ganz verbogen, die Augenbrauen hochgezogen, sprach mancher laut sein Fühlen aus: „Ein Grippepfuhl ist dieses Haus!“ „Wie kann man heut’ noch Hühner halten?“ Und ein Passant gar, von den Alten, hob drohend seinen Knotenstock. Doch war das nicht der letzte Schock, den Schulz seitdem erleiden musste: Ein Kind an Mutters Seite wusste schon gar nicht mehr, was das denn sei: ein Huhn? Es kannte nur das Ei! Doch nicht genug, es kam noch toller: Am Abend hält ein Bus, ein voller und dreißig Leute steh’n am Zaun, um Schulzes Hühner anzuschau’n, zu schmähen und sie zu verwünschen, zwei Männer sprachen gar von Lynchen und hoben schon den ersten Stein ... - Jetzt flucht auch Schulz! Das kann’s nicht sein! Der Spaß am Huhn ist ihm verdorben! Heut’ Nacht ist eines noch gestorben, die Berta, Schulzes Lieblingshuhn. Nun fragt er sich, was soll er tun, vor allem: wie das Huhn begraben? (Sich selbst an Bertas Fleisch zu laben, verbieten Takt und Pietät!) Ein Gartengrab, wie einer rät, ist gleichermaßen auszuscheiden! Die Nachbarschaft! Er muss vermeiden, was irgendwie Verdacht erregt und bei den Leuten nahe legt, das Huhn wär’ grippekrank gewesen! - Heut’ Mittag traf ich Schulz am Tresen: Er trug mir seine Sorgen vor worauf ich ihm dann mit Humor, den hier beschrieb’nen Rat gegeben: Er solle erst noch einen heben, (weil dann der Schmerz nur halb so schwer!), dann nehme er ein Kästchen her, gerad’ so groß wie Bertas Reste. Darin dann bette er die Beste zu ihrem letzten Erdengang. Danach, da fack’le er nicht lang, zur Post damit als „Blindensendung“ (vier Euro - „Päckchen“ - wär’ Verschwendung!), „Seehofer, MdB“, noch drauf, dann nimmt die Sache rechten Lauf! Manfred Günther Nur wenig übertrieben! - Gedichte für Alsfelder Allgemeine Zeitung 23