Rächt-Schreib-Deform – Teil 1 Vor rund 10 Jahren ist’s gewesen, da konnten wir noch schreiben, lesen: Rasch war ein Fehler offenbar. Die Kommasetzung war noch klar und ihre Regeln leicht verständlich. Was man zusammenschreibt, war kenntlich und wo man trennt - auch kein Problem. Die Sprache war noch ganz bequem und das „Eszet“ dem Deutschen eigen. Im Schilf sah man sich „Stengel“ neigen und auf den Bergen tief in Bayern saß noch die „Gemse“ auf den Eiern. Auch waren Eltern hierzulande noch gern und auch ganz gut imstande, dem Nachwuchs helfend beizusteh’n, die Hausaufgaben durchzuseh’n und sprachlich manchen „Tip“ zu geben. Gab’s Zweifelsfälle, nahm man eben - ein Werk voll Fach- und Sachverstand - den guten „Duden“ in die Hand. Doch dann kam jene dunkle Stunde, mit ihrer ebensolchen Kunde: „Das Deutsche bräuchte neue Norm, man mache eine Schreib-Reform.“ Wir Dichter haben gleich gebeten, der Sache ja nicht näh’r zu treten, denn Sprache sei nunmal lebendig, entwickele sich „innenwändig“ und nicht nach Plan von Professoren. Doch war die Schlacht schon gleich verloren, denn wenn Berlin Reformen macht, dann, liebes Deutschland, gute Nacht! So fing man an zu hinterfragen, warum wir etwa „greulich“ sagen, nicht „gräulich“, was doch richtig wär. Man fand im deutschen Schriftverkehr gut Tausend ähnlich „falsche“ Worte. Darunter viele von der Sorte, wie nie ein Mensch sie jemals schreibt! So kommt’s, dass jetzt der „Stängel“ treibt und auf den Eiern „Gämsen“ brüten. Auch Duden konnt’ es nicht verhüten, was eitler Professorenwahn seitdem dem Deutschen angetan. Wo früh’r zwei „T“ schon reichlich waren, galt nun das „Drei-mal-Eins“-Verfahren: Beim „Betttuch“ etwa kann man’s seh’n. (Nur: Hilft das wirklich beim Versteh’n?) Noch vieles mehr ist nicht mehr richtig: „Tip“ schreibt man „Tipp“ jetzt (ach, wie wichtig!). Auch heißt’s „behände“ und „belämmert“, doch mancher war und ist „behämmert“! Die Hausfrau nehme sich „in acht“, sofern sie heut’ „Spagetti“ macht (- im Zweifelsfalle kocht sie „Reis“!). Aus „Kuß“ wird „Kuss“, doch „weiß“ bleibt „weiß“ und auch der „Spaß“ ist „Spaß“ geblieben, nur wird in Öst’reich „Spass“ geschrieben. Und so geht’s weiter in der Liste. Wo einst die Klarheit man „vermißte“, wird heute sie noch mehr „vermisst“. Wenn rechtes Schreiben Zufall ist, dann droht dem Deutschen der Verfall! Und wirklich: Schon wird überall beim Thema „Sprache“ abgewunken. Bestätigt wurden längst die Unken - und so auch ich mit meiner Sicht: Die Schreibreform ist dienlich nicht und hat, wofür sie angetreten, verfehlt mit Pauken und Trompeten: War selten früh’r die Norm verletzt, heißt „Sonderfall“ die Regel jetzt! Das hat Verwirrung nur gestiftet und unser „Deutsch“ ist abgedriftet zu einem steten Rätselspiel! Wer gerne schrieb, schreibt nicht mehr viel, selbst Lehrer haben aufgegeben. Zu viele Fragen, Rätsel eben, die kein Vernünftiger begreift. Wer auf den Duden sich versteift, kann Hilfe auch nicht mehr erhoffen: Der Duden ist längst abgesoffen im Meer aus falschem Sachverstand: Was Regel war im deutschen Land soll fremden Normen unterliegen. - Doch wird die Schreib-Reform wohl siegen ... nur schreibt dann sicher keiner mehr. (Zum Klück gibbt’s Tellefonferkeer!) Manfred Günther Nur wenig übertrieben! - Gedichte für Alsfelder Allgemeine Zeitung 14