Was ist „Gemeinwohl“? Heut’ soll es wieder ernster werden. Nicht weil’s „ein Jammertal auf Erden“; vielmehr weil etwas wohl nicht stimmt, wenn einer stets nur Themen nimmt, bei denen dann die Leser lachen. Es gibt da auch ganz and’re Sachen, (wobei oft schon der Name stört!*): Wer Zeitung liest, hat’s wohl gehört, dass seit des Jahres ersten Wochen das große Danken ausgebrochen, dazu die Jagd in Land und Kreis nach „Ehren-Card“ und Dank-Erweis in Form von Bonus und Rabatten. Die also schon die Ehre hatten in Vorstand, Beirat und Verein gerühmt und viel bedankt zu sein, die sollen jetzt noch Nachlass kriegen, im Schwimmbad und auf Saunaliegen. Doch nicht bei der Entspannung nur, auch in Bereichen der Kultur: Denn unser lieber Landesvater vergünstigt ihnen auch Theater, die Oper, Kino und den Zoo. - Mich stimmt das alles wenig froh, vielmehr: Die „Card“ macht mich betroffen. Wieso, warum? Ich sag’s ganz offen: Weil hier, wer meist schon reich geehrt noch weit’ren Ruhm und Dank erfährt. Dagegen bleiben die im Schatten, die niemals je ein Danke hatten, weil ihre Arbeit niemand sieht. Auch fällt ihr Tun nicht ins Gebiet, für das die Karte vorgesehen: Dort soll’s ja ums „Gemeinwohl“ gehen, um das die so Geehrten sich bemüh’n „fünf Stunden wöchentlich“. Noch einmal: Wer denkt an die vielen, die nicht auf off’ner Bühne spielen, nein, die oft mehr im Hintergrund für ihre Nächsten schaffen und ansonsten ganz bescheiden leben? O ja, ich will auch Beispiel geben: Da ist die kleine Rentnerin, die - nicht um Ehre und Gewinn! - vielmehr aus reiner Nächstenliebe dem alten Nachbarn putzt. Wo bliebe der spastisch schwer gelähmte Sohn, den seine Eltern lange schon ganz ohne Hilfe selbst versorgen? Wie säh’ es aus, vielleicht schon Morgen, in Städten, Kreisen rings im Land, zerrisse dies Gemeinschaftsband und alle, deren gute Taten den Schwachen dienen - im Privaten! - entliefen ihrer Menschenpflicht? - Noch einmal: Ich begreife nicht, mit welchem Grund wir jene ehren, die im Verein die Halle kehren und dem, der sich für Kranke plagt, wird „Ehre“ und die „Card“ versagt. Hier wäre, ohne Zeitverlieren, „Gemeinwohl“ neu zu definieren! Es ist nicht das allein von Wert, was öffentlichen Ruhm erfährt! Vielmehr, die auch einmal zu sehen, die immer sonst im Schatten stehen, es stünde der Gesellschaft gut und gäbe denen neuen Mut, die meistens mehr als nur fünf Stunden in jeder Woche sich geschunden! - Sie auch zu ehren ist es Zeit, so fordert’s die Gerechtigkeit! (* Warum kann man nicht statt Ehrenamts-Card -karte sagen?) Manfred Günther Nur wenig übertrieben! - Gedichte für Alsfelder Allgemeine Zeitung 07