Der Christbaum - Drama in 8 Szenen (Gut an Heiligabend zu lesen oder vorzutragen!) Die Bühne zeigt ein Weihnachtszimmer: Familie Boll bei Kerzenschimmer; am Kranz das vierte Lichtlein brennt; kurz vor dem Fest; es ist Advent. Die erste Szene kann beginnen: Man sieht Herrn Boll sich kurz besinnen, dann spricht er seine Lieben an, die Frau und Bert, den Sohnemann: „Was meint ihr, wenn wir, wie seit Jahren, auch dieses Mal zum Förster fahren, dass der im Wald uns für das Fest ein kleines Bäumchen überlässt?“ Die Frau, der Sohn sind einverstanden, auch Axt und Säge schnell zuhanden. Die Bolls geh’n ab und eins, zwei, drei ist unsre Bühne wieder frei. Die Szene zwei: Auf einer Lichtung. Ein Förster zeigt den Bolls die Richtung, in der die „kleinen Fichten“ stehn. Schon kann man Bolls enteilen sehn, damit sie rasch ihr Bäumchen schlagen und vor der Dämm’rung heimwärts tragen. Schon tönt’s im Bühnenhintergrund: „Der kleine Baum da scheint gesund!“ Man hört der Axt gezielte Schläge und dann das Sägen einer Säge. Schon tauchen Bolls mit Fichte auf ... dann geht es ab im Dauerlauf. Die Szene drei: Im Bollschen Garten. Die kleine Fichte muss noch warten, zum Schmücken ist’s noch nicht soweit, bis Heiligabend ist noch Zeit, doch nicht mehr lang, denn der ist morgen! Noch also liegt der Baum geborgen im Gras beim Rhododenron-Strauch. Dort hat er Luft und Wasser auch, denn eben fängt es an zu nieseln und schließlich sieht man Flocken rieseln, man spürt, es wird bald frostig sein! Dann bricht die dunkle Nacht herein. Die Szene vier spielt in der Frühe, vorm Haus im Freien. Nur mit Mühe entdecken wir den Fichtenbaum! Der Garten ist ein Wintertraum, vom Schnee wie Zucker überzogen. Der Rhododendron tief gebogen und unter seinen Zweigen weiß ein vormals grüner ... Zapfen Eis! Schon seh’n wir Boll ins Freie treten und sich die kalten Hände kneten, den Christbaumständer unterm Arm. Es fröstelt ihn, denn drin war’s warm. Er will nur rasch das Bäumchen holen. Nur sieht er’s nicht. Ist’s wohl gestohlen? Jetzt steht er dort, wo’s gestern war ... da wird’s ihm langsam offenbar: Der Fichtenbaum ging nicht verloren, nur ist er über Nacht gefroren zu einem Klumpen dick und hart. Nun steht auch Boll fast wie erstarrt: Wie soll er den nach innen bringen? Auch fragt er sich, wie kann’s gelingen, dass einer diesen Zapfen schmückt, mit Kerzen und mit Zeug bestückt und kann denn Eis Lametta tragen? Boll kratzt am Bart sich. Tausend Fragen im Kopf, so steht er da im Schnee ... Da kommt ihm endlich die Idee! In Szene fünf nur wenig später wird unser Denker Boll zum Täter: Er geht den „Zapfen“ wie ein Mann mit Axt und Motorsäge an: Probiert mit Hauen, Sägen, Stechen den Klumpen aus dem Gras zu brechen ... So gegen Mittag ist’s vollbracht! Doch jetzt pressiert’s! Ist Heil’ge Nacht und zur Bescherung nur noch Stunden! Ein Strick wird um den Block gewunden, dann zieht Herr Boll die kalte Last (wobei auch Bert mit unterfasst), mit viel „Hau-ruck“ und manchem Stöhnen, mit Fluchen und mit Klagetönen hinaus aus unserm Sichtbereich. Die sechste Szene folgt sogleich: Man sieht die Bolls mit „Fichtenzapfen“ im Schlepptau durch den Garten stapfen. Ein Schuppen wird mit letzter Kraft erreicht (Bolls haben Landwirtschaft!), um dann die Türe aufzusperren, den Baum am Strick hineinzuzerren, worauf sich Tür und Vorhang schließt. Nun fragt gewiss sich, wer das liest, was Bolls denn drin im Schuppen trieben ... Das Rätsel löst die Szene sieben: Im Schuppen innen müht sich Boll; schon ist der große Bottich voll mit Wasser. Wo sonst nach dem Schlachten die Schweinehälften kochend schmachten, wird jetzt mit Scheiten, dass es kracht der große Zuber heiß gemacht. Jetzt fängt das Wasser an zu schmurgeln und blasenschlagend leicht zu gurgeln, da wird von Boll und Bert, dem Sohn, der „Baum“ getaucht ins Wasser schon. Zunächst vom Eis noch ganz umgeben gewinnt die Fichte langsam Leben, die Spitze zuckt, der Panzer weicht ... Schon ist der Siedepunkt erreicht! Im Bottich hört man Zweige brummen und von den Nadeln feines Summen, das ganze Fichtenbäumchen singt! Wobei’s nicht sehr melodisch klingt. Jedoch - das zählt vor allen Dingen - die Badekur scheint zu gelingen: Dem Zuber jetzt ein Baum entsteigt, der Grün und frisches Glänzen zeigt und Dampf im ganzen Raum verbreitet. Und weil ja Hitze Poren weitet, ist alles fichtendufterfüllt. Der Baum von Nebeldunst umhüllt wird in den Ständer eingelassen (Na, Gott sei Dank, die Maße passen!). Boll trägt hinüber ihn ins Haus zum letzten Akt. Das Licht geht aus. Die achte Szene, Boll beim Schmücken im Weihnachtszimmer. O Entzücken! Was ist das Bäumchen eine Pracht! Auch ist sie da, die Heil’ge Nacht mit ihrer Freude, ihrem Hoffen ... Schon ist die Weihnachtsstube offen und Frau und Berti treten ein ... Wie schön wird die Bescherung sein, wie rührt der Christbaum alle Herzen, mit Wärme und dem Glanz der Kerzen ( - auch wenn man „Duft“ zu riechen meint, der wenig weihnachtlich erscheint!). Am Ende ist nur eines wichtig: Der Christbaum strahlt und steht auch richtig ganz ohne seinen „kalten Guss“. Der Vorhang fällt, doch wird zum Schluss hier die „Moral“ noch ausgesprochen: Ein Fichtenbaum gewinnt beim Kochen erst rechten Glanz und sattes Grün! Zwar muss man sich zunächst bemüh’n: Gefroren sind recht schwer die Fichten! Auch muss man einen Zuber richten, dann braucht man Holz und ziemlich Kraft ... Doch lohnt der Anblick, wenn’s geschafft! Ein solches Grün ganz wie im Leben, hat’s ungekocht noch nie gegeben, und der Geruch nach Schweinestall verliert sich auch. - Auf jeden Fall! Manfred Günther Nur wenig übertrieben! - Gedichte für Alsfelder Allgemeine Zeitung 05