Warum sind Landpfarrer dicker? Eine Erklärung - auch in eigener Sache! Die Frage, die wir heute stellen, will diese Dichtung jetzt erhellen. Zuvor, damit ihr’s recht versteht, ein klares Wort, worum es geht: Bei Pfarrern lässt sich’s nicht vermeiden, nach „Stadt“ und „Land“ zu unterscheiden. Doch liegt der große Unterschied nicht auf dem geistlichem Gebiet, nein, sichtbar mehr im Äußerlichen! Wird so die Pfarrerschaft verglichen, ist schnell erkannt, sonst wär’ man blind, dass die vom Lande dicker sind und dass, je länger sie dort bleiben, sie mehr und mehr sich noch beleiben. Wobei - im Gegenteil - die Stadt rein körperlich (!) nur Dürre hat. Wenn’s anders ist, gilt doch die Regel: Der Durchschnittswert beim Pfunde-Pegel beim durchschnittlichen Pfarrersmann steigt Richtung Land gewaltig an. - So weit, so gut. Was sind die Gründe? Herrscht ländlich Fresssucht, die als Sünde vermehrt die Geistlichkeit erfasst? Ist’s harter Arbeit schwere Last, die dort bewirkt, aus Kalorien, statt des Gebets sich Kraft zu ziehen? Wird wohl der Grund am Ende gar in ihren Genen offenbar, dass erblich sie schon dazu neigen ein Doppelkinn am Bauch zu zeigen? Hier kommt - so mancher ahnt es schon - der wahre Grund: die Tradition! Die nämlich ist schon ziemlich lange und heute noch im Dorf im Schwange und lässt den Pfarrer, der dort wohnt, von Futtergaben nie verschont, die im Verlauf von Jahr und Zeiten den Magen und den Bauch ihm weiten, sodass - grad wenn er älter ist - er „längs und quer“ dasselbe misst, was nicht gesund für Herz und Lunge! - Wie aber kommt es, dass der junge, noch schlanke Pfarrer mit der Zeit im Dorf so füllig wird und breit? Ich will euch mitten aus dem Leben der Landregion die Antwort geben: Nehmt an, es schlachtet wer im Ort. Kaum ist man fertig, geht’s sofort zum Pfarrhaus, um mit Frikadellen dem Pfarrer Grüße zu bestellen - so war und ist es alter Brauch. Und nach den Taufen „zahlt“ man auch beim Pfarrer in der gleichen Währung (und sorgt damit für die Ernährung), die freilich fällt dann süßer aus! Ist wo ein Wiegenfest im Haus und der Herr Pfarrer kommt besuchen, gibt’s bergeweise Torten, Kuchen ... Doch isst er nichts, dann gilt er schnell als unzugänglicher Gesell, so also muss er kräftig essen! Ob er was taugt, wird dran gemessen, wie viele Torten er probiert! Und geht er, auch wenn er sich ziert, gibt’s „etwas“ mit, „für Ihre Lieben!“ Nur ist hier „etwas“ untertrieben, denn was er kriegt, wiegt zentnerschwer! Beim Hochzeitsfall gibt’s meist noch mehr, schon bei und dann auch nach der Feier. Und wirst du Vater, bringt man Eier und Speck und Wurst, ein Butterstück ... und wünscht der Kindesmutter Glück ... Die aber ist noch viele Tage zum Speckgenuss kaum in der Lage, auch Wurst und Butter sind zu schwer. Wer also sorgt für den Verzehr? Wer hat davon Gewichtsprobleme? - Wir sind jetzt fast am Schluss, ich nehme (mit Augenzwinkern und Humor!) das Fazit des Gedichtes vor: Es sind für Pfarrer, die vom Lande, die dicken Bäuche keine Schande! Im Gegenteil, dass es sie gibt, zeigt deutlich an: Sie sind beliebt! Man sorgt sich um ihr Wohlergehen! Auch könnt ihr sicher jetzt verstehen, wie sinnlos aller Widerstand. Bist du ein Pfarrer auf dem Land, dann musst du mit den Pfunden leben und dich der Tradition ergeben, doch hast, das ist die andre Sicht, für deine Schäfchen auch Gewicht! Manfred Günther Längs und quer zur Zeit - Gedichte für Alsfelder Allgemeine Zeitung 98