Es geht ganz schnell ... von oben nach unten! Ein Mann, wir woll’n ihn Guido* nennen, vertritt, was wir von denen kennen, die (als betuchter Eltern Kind) heut’ in der Oberklasse sind, in der man satt und ohne Sorgen nach Morgen schaut und Übermorgen. Weil - durch die Leistung! - wie man meint, die Existenz gesichert scheint. Was würde Guido uns wohl sagen, wenn wir ihn nach den Gründen fragen, warum’s auch solche gibt im Land, die - mit nicht weniger Verstand als er - doch keine Arbeit haben und oft auch nichts von all den Gaben, die er für selbstverständlich hält: Sei’s Haus, sei’s Auto oder Geld ...? Wie würde Guido Menschen sehen, die auf der Schattenseite stehen, weil - was sie vorher nie gedacht! - man ihre Firma dicht gemacht. Die dann für lang (nicht nur mal eben!) vom Staat und Steuergeldern leben (vielleicht - wenn man schon älter ist - die ganze letzte Lebensfrist!), um dann mit grade fünfzig Jahren von der Behörde zu erfahren, sie träten jetzt die Stütze an, die leider nicht so hoch sein kann, „bei Ihren kurzen Arbeitszeiten“. Den amtlichen Bescheid begleiten diverse Hilfen solcher Art: Man hätte sicher was gespart, jetzt wär’ es Zeit, davon zu zehren! Auch gäb’s, den Unterhalt zu mehren, noch manche gute Möglichkeit: So wär’ man sicher gern bereit, im Winter etwas Schnee zu räumen? Im übrigen sei ohne Säumen - in vierzehn Tagen ist Termin! - ein Wohnungswechsel zu vollzieh’n: So kann der Staat drei Euro sparen, was sich doch leppert mit den Jahren die - rein statistisch! - man noch hat, denn das entlaste Land und Stadt, die zwar kulant, doch knapp bei Kasse. Von Größe und der Lage passe die neue Wohnung wohl perfekt: Ganz nah am Bahnhof, ja, direkt vier Meter nur vom Gleis gelegen! Da könne man mit kurzen Wegen in Urlaub und auf Reisen geh’n und auch daheim gäb’s viel zu seh’n, wenn Pendler auf dem Bahnsteig stehen und Züge kommen, Züge gehen an jedem Tag, jahrein, jahraus und das: ein Katzensprung vom Haus ... - So oder ähnlich läuft die Sache. Jetzt aber schweige ich und mache der harten Meinung andrer Platz. - Es geht mit einem großen Satz zurück zu Guido und der Frage, was er wohl denkt und sagt zur Lage, in der ein Hartz-Empfänger lebt? Wir seh’n, wie er den Finger hebt, um dann die Antwort zu beginnen: „Für mich sind Hartz-EmpfängerInnen das Krebsgeschwür in unserm Staat! Die römisch dekadente Saat der Völlerei auf fremde Kosten! Im Westen, schlimmer noch im Osten, verweigert man, das ist bequem, den eig’nen Beitrag zum System und legt sich - sie ist weich wie Watte - in die soziale Hängematte und fällt, weil man die Arbeit hasst, den Fleißigen im Land zur Last, der Wirtschaft und dem Volk zum Schaden. Sie leben wie im Speck die Maden, und sind auf Arbeit nicht erpicht - die gäb’ es wohl, doch woll’n sie nicht!“ - Soweit, was nicht nur Guido sagte! Denn wenn man zwanzig andre fragte, bei vier gäb’s ähnlichen Bescheid! Es rührt sie nicht der Menschen Leid, die Arbeit suchen und nicht finden. Sie gleichen menschlich Farbenblinden, die eins nur sehen, nämlich Schwarz! Für sie beschreibt der Name „Hartz“ das „Paradies schon hier auf Erden“, in dem auch die gepäppelt werden, die schwach sind, faul und arbeitsscheu. - Hier startet jetzt noch einmal neu das Titelthema und mein Dichten: Lasst euch von Guido hier berichten, demselben Guido wie vorher! Nur stimmt die Klasse jetzt nicht mehr, auch schaut er nicht mehr ohne Sorgen nach Morgen und nach Übermorgen, weil - was er vorher nie gedacht! - man ihm die Firma dicht gemacht. Was würde Guido heute sagen, wenn wir ihn nach den Gründen fragen, warum als Mann von viel Verstand, er keine neue Arbeit fand, obgleich er redlich sich bemühte? Wie fühlt es sich jetzt an, der Güte des Staates ausgeliefert sein? Wie werden doch die Wünsche klein vor dem: nur wieder Arbeit haben! Wie ungern nimmt er sie, die Gaben, die ihm der Staat nun gnädig reicht. Er spürt, so lebt es sich nicht leicht, man hat’s durchaus nicht weich wie Watte in der „sozialen Hängematte“! Auch merkt er jetzt, wie man das hasst, fällt man den Fleißigen zur Last und kann doch nichts dagegen setzen! (Wie können Blicke schon verletzen, wie schmerzt die ungefüllte Zeit!) - Heut’ Morgen kam nun der Bescheid, die Wohnung wäre ohne Säumen, weil sie zu teuer ist, zu räumen, doch wär’ die neue wohl perfekt: Ganz nah am Bahnhof, ja, direkt vier Meter nur vom Bahngelände ... - Es reicht für heut’, wir sind am Ende, hier schließt zumindest das Gedicht. Was wünschte ich, dass „Guidos“ Sicht vom Anfang auch ein Ende nähme und das, bevor es dazu käme, was heute jeden - Frau und Mann - ganz unverschuldet treffen kann. Manfred Günther * Die Namensgleichheit mit einem ähnliche Denkenden ist nicht zufällig! Längs und quer zur Zeit - Gedichte für Alsfelder Allgemeine Zeitung 83