Fastenzeit oder: Was abzunehmen so schwer macht! Der Fritz, er steht mit seinem Namen für mich und andre Herrn (und Damen!), isst Fleisch statt Rüben und Spinat und süße Sachen statt Salat. Und nicht seit gestern erst, schon lange! Zur Backe wurde längst die Wange. Der Hosenbund ist extra-weit, der Bauch ist rund, das Becken breit, auch wirkt die Brust schon ziemlich weiblich. Mit einem Wort: Er ist rein leiblich nur mäßig männlich-attraktiv. Die Folgeschäden sind massiv: Die Hüfte schmerzt, nicht nur beim Laufen. Schon beim Spazieren muss er schnaufen, Der Blutdruck stieg zu Höchstniveau, wie auch sein Herzschlagrisiko. Die Bronchien hört man rasselnd tönen, der Waage selbst entweicht ein Stöhnen, wenn Fritz sie morgendlich betritt. Doch jetzt ist endlich Schluss damit! Er plant in diesen Fastentagen, dem fetten Essen zu entsagen und isst und lebt aus diesem Grund seit Aschermittwoch ganz gesund: Am Morgen Brot nur - ohne Butter! Zum Mittagessen „Hasenfutter“! Am Abend bleibt die Küche kalt, da gibt es „Ballaststoff“ geballt in Form von reiner Cellulose, und Weizenkleie aus der Dose mit einem Kleckschen Magerquark. Dazwischen sieht man Fritz im Park: Dort dreht er täglich gut zwei Stunden beim Joggen seine Trainingsrunden, wobei er nach und nach entdeckt, was noch an Kräften in ihm steckt und dass es Freude bringt und Segen, sich zu kasteien und bewegen. Auch sieht er, dass es etwas bringt, wenn einer seinen Leib bezwingt: Zwar fastet er erst vierzehn Tage, doch deutlich reagiert die Waage. Sie stöhnt nur leise noch und zeigt, wie sein Gewicht sich langsam neigt, seitdem er Fett und Wurst gestrichen. Gut sieben Kilo sind gewichen, wobei den Fritz besonders freut: ganz ohne Kur und Therapeut! - Soweit des Fastens eine Seite, es gibt da aber noch die zweite: Der Mensch lebt nicht allein für sich, vielmehr auch immer öffentlich und das hat auch der Fritz erfahren: Wo hätte denn in all den Jahren, in denen er rein optisch klar ein Opfer seiner Fresssucht war, ihm je ein Mensch von Speck die Falten an Bauch und Hüfte vorgehalten? Wer hätte je „zu dick!“ gesagt, wenn Fritz sein Unwohlsein beklagt? Da gab es stets nur andre Themen! Man sprach nicht von Figurproblemen und Fritzens Fülle war Tabu, man ließ ihn gern damit in Ruh’. Doch in den letzten beiden Wochen, wird Fritz fast stündlich angesprochen, doch nicht, wie mancher sich jetzt denkt, wie’s kommt, dass sein Gewicht sich senkt; im Gegenteil: Man meint, die Leute bemerken Fritzens Bauch erst heute, obgleich der doch schon dünner ist. Kommt’s her vom Neid, geschieht’s aus List, es scheint, dass viele Fritzens „Stärken“ erst wenn sie schwinden recht bemerken, als wär’ ein Schmelzen des Gewichts um sieben volle Kilos nichts! Was muss der Fritz doch jetzt erleben: Ein Freund - mit Augenbrauen-Heben - besieht sich schmunzelnd seinen Po, dann meint er: „Manches Pferd wär’ froh, es hätte hinten deine Maße!“ Frau Meierbär aus seiner Straße spielt so auf Fritzens Masse an: „Seit langem hat mein lieber Mann durch Überfettung Herzbeschwerden! Ich frage mich, was soll das werden, wenn der nicht bald mal dünner wird?“ Ein andrer Nachbar, unbeirrt durch Fritzens schmalere Erscheinung, ist, wie er gestern sagt, der Meinung: „Man muss zu Dicken härter sein! Die kriegen erst ‘nen Krankenschein, wenn sie normalen Menschen gleichen und Idealgewicht erreichen.“ - Soviel zu Fritz. Man fragt zum Schluss, was man als Lehre ziehen muss und wo vielleicht auch wir betroffen? Darum persönlich jetzt und offen (weil’s auch mir selbst wie Fritz erging): Man achte bitte nicht gering, wenn einer die Tortour erst startet! Ein Wunder ist zu viel erwartet! Es ist nicht möglich über Nacht, was uns in Jahren dick gemacht, wie einen Mantel auszuziehen. Ist einer noch nicht weit gediehen und sein Gewicht noch fern vom Soll, so war es doch entbehrungsvoll auch nur zu diesem Punkt zu kommen! Der Mut ist einem schnell genommen, denn hungern schwächt und macht labil! Sind zwanzig Kilo unser Ziel, dann sind beachtlich auch schon sieben! - Soweit für heut’, genug geschrieben! Nachher gibt’s Kleiebrei und Quark, doch erst geht’s Joggen noch im Park! Manfred Günther Längs und quer zur Zeit - Gedichte für Alsfelder Allgemeine Zeitung 80