Guten Appetit Opa! Marie-Luise macht Tee Der Opa Josef und die kleine Marie-Luise sind alleine! Des Kindes Eltern gingen aus, auch Großmama ist nicht zu Haus, doch ließ sich Opa gerne bitten, für zwei, drei Stunden Babysitten. Das Kind, es ist noch nicht mal vier, bemalt schon länger ein Papier, wobei die kleinen Wangen glühen. Die Zeichnung (wenn wir uns bemühen!) zeigt Opa Josefs Konterfei. Im bunten Farben-Allerlei erkennt man Haare und die Nase. Der Kopf erscheint wie eine Blase, der Mund ist riesengroß und schief. Die Augen hängen viel zu tief und lassen eh’r an Hunde denken. Doch um die Kleine nicht zu kränken, stimmt Opa jetzt ein Loblied an, wie schön „Luischen“ malen kann! Die Kleine, sich zu revanchieren, will jetzt dem Opa was servieren und fragt: „Sag’ Opa, willst du Tee? Recht gerne mach’ ich auch Kaffee!“ Der Opa denkt: Was wird das geben? Doch dann, trotz inn’rem Widerstreben, wird nun, weil’s sicher leichter fällt, ein Tässchen Kräutertee bestellt. Was dann geschieht ist sehr possierlich! Die Kleine deckt den Tisch manierlich mit Zuckerdose, einem Set, noch einen Löffel, ganz adrett. Schon sieht man sie mit einem Lachen entschweben, um den Tee zu machen (Marie-Luischen strahlt vor Glück!) und kurz darauf kehrt sie zurück mit einer bunten Sammeltasse. Der „Tee“ darin ist eine blasse und wässerige Flüssigkeit ... Doch Opa macht sich schon bereit den kalten Wassertee zu trinken. (Wer hat, wenn Kinderaugen blinken und solch ein Spiel dem Kind gefällt, nicht gerne sich schon mal verstellt - als Opa gar! - für seinen Enkel?) Der Opa Josef fasst den den Henkel und führt die Tasse hin zum Mund. Ein „Ah“ wird hörbar. Der Befund: Von Kräutern ist hier nichts zu schmecken. Doch sieht man Opa Lippen lecken, dann ruft er laut, wie wunderbar der Tee doch zubereitet war von seinem „Schatz, Marie-Luise“. Worauf voll Freude eben diese den nächsten Akt des Spieles spielt, die Tasse greift, sich kurz empfiehlt, dass sie aus Wasser jetzt die zweite, „noch bess’re Tasse Tee“ bereite, was ihr auch kinderleicht gelingt. Der Opa, als den „Tee“ sie bringt, trinkt dieses Mal nicht ganz so eilig. (Des Kindes Freude ist zwar heilig, doch andrerseits macht’s schon Verdruss, wenn einer Wasser trinken muss und hat doch Bier und Wein im Keller!) Da naht die Rettung! Sehr viel schneller als man’s erwartet und gedacht, hat Oma sich nach Haus’ gemacht (sie war bei ihrer Pediküre!) steht lächelnd in der Stubentüre und hat die Lage schon erfasst: „Na, hab’ ich den Kaffee verpasst?“ Darauf der Opa: „Nicht Kaffee! Ich trinke eben Kräutertee“, wobei er augenzwinkernd grinst. „Luischen hat heut’ Küchendienst und bringt mir Tee vom allerbesten - du kannst ihn gerne auch mal testen!“ Die Oma schweigt und überlegt, verlässt das Zimmer und bewegt sich Richtung Bad, ist kurz verschwunden, dann hat sie, was sie sucht, gefunden. Sie kehrt zurück, dann bleibt sie steh’n, Marie-Luise zu beseh’n ... Sie überschlägt des Kindes Länge ... Dann sagt sie - mit ein wenig Strenge und Unverständnis, einer Spur: „Luischen, geh’ mal in den Flur, ich muss dem Opa etwas sagen!“ Luischen, ohne lang zu fragen, verlässt im Trippelschritt den Raum. Und dann, die Türe schloss sich kaum, nimmt Oma Opa an den Händen. Ihr lautes Lachen will nicht enden, dann aber fasst sie sich und spricht: „Ich sehe, du begreifst es nicht, warum ich hier so heftig lache. So will ich, lieber Mann, die Sache jetzt kurz erklär’n mit einem Satz: Marie-Luise, unser Schatz, ist noch zu klein zur Tee-Bereitung, sie kommt an keine Wasserleitung - zum Wasserholen bleibt ihr bloß, ahnst du’s?, ... die Schüssel unsres Klos!“ Manfred Günther Längs und quer zur Zeit - Gedichte für Alsfelder Allgemeine Zeitung 79