Der erste Besuch ... ... bei den zukünftigen Schwiegereltern Vor vielen Jahren, bei den Alten, hat „um die Hand“ man „angehalten“ des Mädchens, das zur Braut man nahm. (Wobei zur „Hand“ man mitbekam, was sonst die Frauen noch an Gaben und Körperteilen an sich haben.) Termin für’s Handanhalten war ein Abend bei dem Elternpaar der künft’gen Frau. Meist gab es Essen. (Wer von uns Alten hat vergessen, wie unser Atem heftig ging, derweil das Herz, das Zappelding, uns pochte bis zum Hals ganz oben?) Doch ist die Sache selbst zu loben und hat bis heute ihr Gewicht! Nur weiß ein junger Mann oft nicht, wie’s recht wär’ und wie’s einst gewesen! Drum kann er hier und heute lesen, wie sich ein Bräutigam verhält, ist er zum ersten Mal bestellt, die Schwiegereltern zu besuchen. Um hier kein Minus zu verbuchen, wär’s gut, er hielte sich daran, was ich als alter Ehemann zu tun ihm rate und zu meiden: Zumeist ist von den Eltern beiden die Mutter wichtig, denn als Frau weiß aus Erfahrung sie genau, was ihre Töchter für das Leben und für die Partnerschaft erstreben. (Den Vätern reicht es meistens schon, du hast genügend Monatslohn!) Der Mutter schenkst du, das ist wichtig, ein Sträußchen Blumen - aber richtig! Nie Rosen, die sind von Natur gedacht für die Geliebte nur! Und niemals Tulpen oder Nelken, weil diese - kaum geschnitten - welken! Auch weiße Lilien sind tabu, die blüh’n zu unsrer letzte Ruh’! Doch wie für Mäuse Kuchenkrumen, so sind für Mütter Sonnenblumen und Freesien, Astern, Orchideen! Nur Hände weg von den Kakteen! Schon ist der erste Schritt gelungen, du stehst im Flur, wirkst noch gezwungen, doch ist’s jetzt Zeit, dass du was fragst und etwas zur Begrüßung sagst. Du liest es zwar in ihren Mienen, doch passend ist: „Wie geht es Ihnen?“ Worauf du „uns geht’s prima“ hörst. Das Wort, mit dem du dann betörst ist jetzt: „Ich bin hier gerne heute! Sie sind, das weiß ich, nette Leute, auch hab’ ich Hunger mitgebracht!“ Wird jetzt zum ersten Mal gelacht, dann ist die Schlacht schon halb gewonnen! Bei Tisch wird stets erst dann begonnen, wenn’s heißt: „Recht guten Appetit!“ Schmeckt’s gut, dann geize nicht damit, die Mutter deiner Braut zu preisen. Schmeckt’s schlecht, dann schweige zu den Speisen und halte standhaft deinen Mund! Um Gottes Willen gib nicht kund, die eigne Mutter koche besser! Sei vorsichtig mit deinem Messer, es ist für Steak und Braten bloß, drum schneide weder einen Kloß noch die Karotten nebst Kroketten. Benutze niemals die Servietten - die liegen nur zur Zierde da. Halt’ dich zurück und sag’ nicht ja, wird dir der achte Kloß geboten! Mach’ dir im Magen einen Knoten, denn satt wird einer nur zu Haus! Ist endlich dann das Essen aus, dann bleib’ dabei, nicht viel zu sagen! Frag’ selber nichts, doch lass dich fragen und sprich ein Ja nur oder Nein. Dein Eindruck wird sympathisch sein, denn weil die Menschen selbst gern reden, betört es, wenn wir schweigen, jeden! Zeigt dann die Uhr, es ist gleich zehn, dann ist es Zeit für dich zu geh’n, denn weilst du länger als es üblich, erscheint der Abend, was betrüblich, den Eltern deiner Braut als Qual! Du kannst ja dann beim nächsten Mal (im selben Haus!) schon länger bleiben. - Auch ich beende jetzt mein Schreiben, wir haben nämlich heut’ Termin ... Ja, richtig, wir erwarten IHN, den neuen Freund von unsrer Kleinen*! Wir sind gespannt auf sein Erscheinen, wie er so ist und was er spricht ... Las er vielleicht schon dies Gedicht??? Manfred Günther * Das ist dichterische Erfindung, konkret ist mir davon nichts bekannt! Längs und quer zur Zeit - Gedichte für Alsfelder Allgemeine Zeitung 77