Null Kontakt Leben wir wirklich im Zeitalter der Kommunikation? Die Welt, in der wir heute leben, die Gegenwart hat viel zu geben was Technik angeht, Bild und Ton im Feld der Kommunikation. Wer hätte noch vor dreißig Jahren, als wir noch ohne Webcam* waren, auch ohne E-mail und PC mit DSL und DVD, geglaubt, wie sich in diesen Zeiten, der Horizont, die Grenzen weiten? Und wer denn hätte je gedacht, was alles ein Computer macht: Er mailt, er spricht, kann übersetzen, er recherchiert in allen Netzen, in allen Ländern dieser Welt und ist er fündig wird bestellt. Verknüpft mit den EC-Zentralen, kann ein Computer auch bezahlen (- doch gibt er - leider! - PIN und TAN stets nur vom eig’nen Konto an!). - Doch ist ein andres noch zu nennen: das Ding, das wir als „Handy“ kennen. Hier wird ganz deutlich offenbar, wie still die Welt doch einmal war, bevor uns Klingeltöne störten und wir am andern Ende hörten, man hätte „leider“ sich „verwählt“! Wer alle deutschen Handys zählt, entdeckt: Kaum einer hat heut’ keines und viele haben mehr als eines und ständig, manchen ist’s nicht lieb, ist so ein Ding auch in Betrieb! So also könnte es wohl scheinen und Zeitgenossen könnten meinen, es gäbe heute hin und her viel Kommunikationsverkehr. Es wäre täglich viele Stunden der Mensch den anderen verbunden durch Handynnutzung mit dem Wort, und mittels Mail an jedem Ort der Welt, in allen Lebenslagen. Jedoch, das muss man sehr beklagen, so wie wir denken, ist es nicht, weil meist nur eine Seite spricht, die andere, auch wenn wir schreiben, lässt gern uns ohne Antwort bleiben, ein Fakt, der heute häufig trifft. Doch jetzt konkret in Wort und Schrift mein „Beispiel eins“, dies zu belegen: Wenn lang die Freunde sich nicht regen, dann kann es manchmal hilfreich sein, man ruft sie an und lädt sie ein. Man wählt, mit Festnetz nicht vergleichbar, das Handy, dort sind sie erreichbar und können schwer uns nur entgeh’n. Dann sagt man: „Lange nicht geseh’n, wie wär’s denn in den nächsten Wochen?“ Dann kommt, bevor wir’s abgesprochen, der zweite Akt in diesem Stück: „Sehr nett von dir, ich ruf’ zurück, ich hab’ viel Stress in diesen Tagen, auch muss ich Frau und Kinder fragen, dann ist da noch ein Arzttermin und eine Dienstfahrt nach Berlin und außerdem, ich habe grade ein Zucken in der rechten Wade, das deutet auf nichts Gutes hin.“ Der Gegenrede tiefster Sinn ist jedenfalls, dem zu entgehen, dass „alte Freunde“ sich auch sehen. Und noch mal anders ausgedrückt: Ist Kommunikation geglückt, kommt lang noch kein Kontakt zustande! Und so auch hier: Die Freundschaftsbande und die Gefühle, die man hegt, sind - legt man auf - auf Eis gelegt. - Mein „Beispiel zwei“ spielt am Computer: Vermittels DSL und Router** wird heute - anders als beim Fax - ein Mailkontakt zum kleinen Klax. Hat wer von mir ‘ne Mail erhalten, dann muss er nur auf „Antwort“ schalten, schreibt „Hallo“ - „Danke“ und hängt dann noch ein, zwei kurze Zeilen an ... Das Ganze dauert zwei Minuten und sollte er dabei sich sputen, dann ist’s in einer auch vollbracht! Nur - leider! - wird’s ja nicht gemacht! Die meisten Mails sind Einbahnstraßen! Sei’s, dass Empfänger sie vergaßen, sei’s, dass die Antwort sie vertagt ... Du hast gebeten, hast gefragt, doch wird Bescheid dir nicht gegeben! So also - und das ist’s nun eben, was ich als Fazit ziehen muss - mir drängt sich auf der harte Schluss: Wir haben letztlich nur verloren! Die Gaben, von der Zeit geboren, wie Handy, E-mail und PC, sie konnten, wenn ich’s richtig seh’, nicht wirklich Austausch produzieren. Wenn Trägheit, Faulheit triumphieren, auch wo man technisch alles hat, da findet hin und her nichts statt und jeder bleibt in seinen Grenzen. Man zöge besser Konsequenzen: Es lege, wer Kontakt nicht will zuallererst sein Handy still, dann lösche er die Mail-Adressen! Zuvor noch wäre angemessen, dass er die „Freunde“ informiert: „Ich bin an euch nicht int’ressiert und bitte drum, lasst mich in Frieden. Bin kommunikativ verschieden, denn Handy, Mail sind abgezwackt! Ich wünsche künftig null Kontakt!“ Manfred Günther * Webcam = Kamera, deren Bilder direkt auf eine Seite des Internets übertragen werden ** Router = Netzwerkgerät, das die Verbindung ins Internet sicherstellt Längs und quer zur Zeit - Gedichte für Alsfelder Allgemeine 57