In Rente gehen Vielleicht ein Stück Lebenshilfe? Man kann nicht immer heiter schreiben, nicht stets bei Scherz und Lachen bleiben, es gibt auch das in unsrer Welt, was schwierig ist und nicht gefällt. Wozu besonders Dinge zählen, die uns in ält’ren Jahren quälen: Vielleicht die körperliche Pein wie Gehbeschwerden, Zipperlein, Gedächtnisschwund und dass die Augen und oft die Ohren nichts mehr taugen. Gar mancher muss auch einsam sein, ist über Tag sehr viel allein und findet nachts nicht in den Schlummer. Noch andre haben Not und Kummer: Die Rente, die man kriegt, ist knapp! Längst hebt man vom Ersparten ab und fragt sich furchtsam, ob das Leben wohl länger währt als „Abzuheben“? (Ein Ausblick, der die ganze Welt und was darin ist uns vergällt!) - Doch gibt’s wie meistens hier die zweite, die gute, schöne andre Seite: Denn Älterwerden führt nicht nur entlang auf einer Sorgenspur. Es gibt daneben Dinge, Sachen, die spät im Leben Freude machen, wobei den Wert nur der ermisst, der halt schon etwas älter ist. Ein solches „Ding“ wird jetzt besprochen: In seines Dienstes letzten Wochen - vor Augen schon der Rentenstand - hat jeder meist an einer Hand zehn Freunde, die ihm Treue schwören. Am letzten Tag dann wird er hören, es wäre in der Folgezeit der Weg ja hin und her nicht weit. Man könnte - wann, das muss man sehen - ja abends auch mal Kegeln gehen. Ein Sonntagsausflug wäre nett, vielleicht auch Kino, Kabarett und dann im Anschluss noch ein Schnelles, ganz frisch gezapftes kühles Helles ... Auch wünsche man sich - ehrlich! - sehr, in Zukunft viel „Besuchsverkehr“ des Rentners hier bei den Kollegen, „beratend, um Kontakt zu pflegen und weil man sich doch leiden mag“! Dann ist vorbei der Abschiedstag der Startschuss fällt zum neuen Leben. Besuche, Kegeln wird’s nicht geben. Der Sonntagsausflug findet statt (für den, der noch Familie hat!), die „Freunde“ aber sind verschwunden. Was hat ein Tag doch viele Stunden! Wie langsam geht die Woche hin! Du suchst Beschäftigung und Sinn, du tappst umher grad wie die Blinden und kannst für lange Zeit nichts finden, denn „Rentner“ hast du nicht gelernt. Du fühlst dich übrig, wie entkernt, verlernst die Lust auf dieses Leben ... - Dann aber wird’s den Morgen geben, an dem bei dir die Lösung reift und dein Verstand es klar begreift: Du darfst nicht mehr nach hinten schauen! Du musst an deiner Zukunft bauen und hierfür brauchst du, sei nicht blind, stets die, die selbst schon Rentner sind! Die noch im Arbeitsleben stehen und dort im Hamsterrad sich drehen, verstehen nicht, wie dir’s wohl geht und worum sich dein Denken dreht. Als Rentner bist du nicht zu diesen, vielmehr zu Rentnern hin gewiesen, denn diese können dich versteh’n! So such’ nach ihnen, du wirst seh’n, wie lange sie schon auf dich warten! Bei Angeboten vieler Arten, bei Spiel und Spaß und auch beim Sport bekommst du - auch an deinem Ort! - schnell neue Freunde, Kameraden ... Auch umgekehrt wird’s wohl nicht schaden, wenn du den andern einer bist, der ihnen Freund und Freundin ist, sich einbringt auch mit seinen Gaben. Wenn hin und her wir Freunde haben und Freunde sind, dann ist es gut. Das schenkt beim Älterwerden Mut, hellt auf die dunklen Lebenslagen, bei Sorgen, Kummer hilft es tragen, vertreibt auch deine Einsamkeit und teilt erträglich Not und Leid, weil andere mit unterfassen. - Als Fazit kann hier sicher passen: Der Renteneintritt ist Station, im Lebenslied ein tiefer Ton, doch nie des guten Lebens Ende! Vielmehr nur Neuanfang und Wende, zu denen, die dir gleichgesinnt, mit denen eine Zeit beginnt, die schön sein kann, beglückend, offen und besser als dein höchstes Hoffen und voller Wunder noch und Glück ... So schau’ nach vorn und nicht zurück! Manfred Günther Längs und quer zur Zeit - Gedichte für Alsfelder Allgemeine 56