Putzi Auch eine Bekehrungsgeschichte Es gilt von Anfang an auf Erden: Ein Tier kann nicht zum Menschen werden. (Doch scheinbar geht es andersrum!) Ein Tier bleibt genbestimmt und dumm, kann sprechen nicht und kann nicht hoffen und zeigt sich’s unserm Willen offen, so reagiert’s auf unsre Macht. Noch niemals hat ein Tier gedacht: „Ich will mein Herrchen, Frauchen lieben!“ Es folgt beharrlich seinen Trieben und tut von sich aus immer nur, was seine Art und die Natur ihm so und so zu tun befehlen. Auch haben Tiere keine Seelen, die irgendwann am Ziel der Zeit, in Gottes großer Ewigkeit (mit Flügeln gar!) den Himmel füllen. - Um schließlich dies noch zu enthüllen: Schläft unser Hund bei uns im Bett und wir, wir finden’s „ach, so nett!“, er stieg ins Bett nicht uns zuliebe! Vielmehr, wenn er nun draußen bliebe, dann könnte es wohl sein, er friert! Und noch das dümmste Tier kapiert, dass Betten wärmer sind als Ställe. (Hier ausgenommen sind die Fälle, in denen Tiere größer sind, wie Elefanten, Pferd und Rind.) Auch tut von selbst ein Tier nichts Gutes! Vielmehr des Lohnes wegen tut es, wovon wir meinen: „Ist das lieb!“ Der Hund, der folgsam sitzen blieb, hat längst den Kuchen oder Knochen in unsrer linken Hand gerochen! - Noch eines ist besonders schlimm, wenn Menschen Mode und Benimm versuchen Tieren nah’ zu bringen: Da schmückt man sie mit Glitzerdingen, mit Deckchen, Brillen, Höschen gar, bis sich ein Mops, wie wunderbar, von Heidi Klum kaum unterscheidet. Ich kenne, das wird hier beeidet, ‘nen Wolfshund, der sitzt mit zu Tisch! Danach macht man ihn wieder frisch, traktiert mit Pasta ihn und Bürste. Ein Chow Chow frisst nur weiße Würste aus Bayern, Marke „Hofbräuhaus“. Ein dritter (Pudel!) geht nur aus mit Diadem und Silberkettchen! Ein Förster schließlich hat ein Frettchen, das trägt den Namen Dschingis Khan ... und Diamant im Vorderzahn! - So weit, so gut. Hier kommt das zweite, ein Beispiel von der andern Seite. Wir lernen hoffentlich daran, wie’s mit dem Tier gelingen kann, ganz der Natur gemäß zu leben, wie’s sein soll: unvermenschlicht eben und ohne falsches Zartgefühl. - Vor Jahren ... draußen war’s schon kühl, da saß ein kleines Miezekätzchen, getigert, grau mit weißem Lätzchen, die Augen grün, wie Glas so blank, auf meiner Gartenfensterbank. Sein Alter? - etwa vierzehn Wochen. War’s seinem Frauchen ausgebrochen? Verlief sich’s, hat’s mit letzter Kraft, es eben noch zu mir geschafft? Auf jeden Fall: Es wollte fressen, das sah man schnell, ich unterdessen, begriff: Die Chance ist nicht schlecht, die Katze kommt dir grade recht, um gleich und ohne Zeitverlieren hier etwas durchzuexerzieren für meine Töchter und die Frau ... (Da hätte sonst schon ein Miau des Kätzchens wohl das Hirn benebelt! Doch ist Verstand erst ausgehebelt, Beschützertrieb und Herz geweckt, kommt der Verhätschelungseffekt!) So also rief ich meine Damen. Sie war’n im Haus und alle kamen und meinten prompt: „Ach, ist das klein, das holen wir mal schnell herein!“ „Ich werde rasch zum Kaufmann laufen und etwas Katzenfutter kaufen!“ Hier war nun klar mein Machtwort dran: „Das fangen wir erst gar nicht an! Ich rief euch, um euch was zu zeigen: Sich flugs der Katze zuzuneigen, ist falsch und gegen die Natur! Die Tiere sind halt Tiere nur und haben ihr ganz eignes Leben. Sie dürfen niemals Weisung geben, ob wir sie mögen oder nicht. Sie zu erziehen ist uns Pflicht, doch niemals soll’n sie uns erziehen!“ Inzwischen war’s schon weit gediehen: Die Tür zum Garten, sie stand auf, die Tochter kam vom Futterkauf, das Kätzchen schlich bis an die Schwelle, verschlang ein Pfund so auf die Schnelle, kaum fertig fielen dann im Nu dem Tierchen fast die Augen zu. Schon lag die alte Babydecke in meinem Zimmer in der Ecke und Mieze drauf in süßem Schlaf. Was die Verhätschelung betraf sprach ich sehr streng zu meinen Damen: „Das Tier heißt Tier, kriegt keinen Namen, denn Namen haben Menschen bloß!“ - Inzwischen ist die Katze groß, ganz wunderschön und so gesellig! Ihr Blick ist rein, ihr Fell gefällig und herrlich, wenn man drüber streicht. Sie ist so klug und federleicht, graziös, voll Anmut, wenn sie schreitet. Die Aura, die sie stets verbreitet: geheimnisvoll und zauberhaft. Schon lange hat sie es geschafft, mir abends auf dem Bauch zu liegen und meine Atemzüge wiegen sie in den Schlummer ein ganz zart. Ihr Name „Putzi*“ passt zur Art sich ständig irgendwo zu putzen. Doch scheint es meistens nichts zu nutzen, denn gleich beginnt sie anderswo. Was macht uns doch ein Kätzchen froh und wie verändert es dein Leben! Es muss den Katzenhimmel geben, sie haben Seelen, das ist klar! Was andres ist nicht vorstellbar! - Genug von Putzi. Ich will schließen, schon um das Tier nicht zu verdrießen: Denn wieder liegt’s auf meinem Bauch (ganz sacht gestreichelt wird es auch), doch gleich ist’s Zeit fürs Futtertöpfchen. Kommt einmal näh’r bis an ihr Köpfchen, da ist was ... wie ein Täubchen gurrt ... Seid leise! Hört ihr, wie sie schnurrt? Manfred Günther * Der Name ist nicht geändert! Längs und quer zur Zeit - Gedichte für Alsfelder Allgemeine 53