Die Werbefahrt - Teil 3 oder: Wie man günstig einkauft Wenn Menschen „übersichtlich“ essen, dann kann sich keiner überfressen. So ist’s auch hier. Man möchte mehr! Doch weiter geht’s im Busverkehr. Nach einer wirklich kurzen Weile, treibt schon der Fahrer an zur Eile. Kaum sitzt der letzte Gast im Sitz, geht’s ab zu „Herta*“ wie der Blitz. Wie Karl und Frieda geht es allen: Schnell sind die Augen zugefallen, da ruft der Fahrer: „Wir sind da!“ Schon gibt’s im Bus manch Oh und Ah: Das Waldcafé, das hat man selten, könnt’ glatt als Nobel-Nachtclub gelten und Herta, sie steht vor dem Haus, sieht äußerlich entsprechend aus. Als weiteres Indiz erscheinen, fünf Damen jetzt mit langen Beinen beziehungsweise kurzem Rock. Die Frau’n im Bus sind starr vom Schock und nicht gewillt, hier auszusteigen. Der Karl und andre Männer zeigen hingegen Hektik jetzt und Hast! (Wie rasch ist etwas hier verpasst! Wie schnell ist weg ... die Erdbeertorte!) Der Fahrer richtet kurze Worte jetzt an die Frau’n der Werbefahrt: Das Waldcafé sei von der Art, wie manche sicher auch vermuten. Doch abends erst, denn die Statuten besagten klar: Am Nachmittag gilt hier ein anderer Vertrag. Es sei, weil andres sich nicht lohne, bis zehn verkehrsberuhigte Zone und daran hielte man sich auch. - Der Kaffeedurst, der leere Bauch treibt nun die Frauen doch ins Freie. Man bleibt zusammen, geht in Reihe und gibt sich irgendwie verklemmt, das (meist) doch Unbekannte hemmt und macht die Herzen sehr befangen. Doch andrerseits, man hat Verlangen nach Erdbeerkuchen mit Kaffee! Doch auf den Tischen drin, o weh!, steh’n leere Teller, leere Tassen. Denn erst, es will so gar nicht passen, tritt einer aus dem Hintergrund, vernarbt vom Auge bis zum Mund und geht jetzt federnd auf die Bühne. Ein Muskelprotz, ein echter Hühne, der sicher auch zum Haus gehört. (Vielleicht der Mann, der, wenn wer stört, befugt ist, diesen rauszuschmeißen?) Er heiße „John*“. Die Zähne gleißen in Weiß und Gold am Mikrofon: „Sie, liebe Gäste, freu’n sich schon, wo nicht, da will ich Freude wecken: Ich spreche über Rheuma-Decken, ein Thema, das an diesem Ort, wohl jedem einfällt - und sofort!“ Schon ruft er zweie von den Damen (Jeanett* und Mizzi* sind die Namen), die hüllen sich, als müsst’s so sein, jetzt in die Rheuma-Decken ein vom Kopf bis zu den nackten Waden. Es könnte wirklich gar nicht schaden, so denkt jetzt manche von den Frau’n, es bliebe so, gäb’ nichts zu schau’n ... Doch schon sieht man die Damen zucken, lasziv an ihren Decken rucken, dann fallen sie zu Boden sacht. Der Blick wird wieder frei gemacht auf Haut vom Hals bis zu den Zehen. Die Herren, wer kann’s nicht verstehen, sind von den Damen ganz entzückt, bestellen Decken wie verrückt und nicht nur eine, nein, in Paaren, denn nimmt man zwei, dann kann man sparen, zumindest glauben’s alle fest! - Hier kommt in Kürze noch der Rest der schönen Werbefahrt nach Hessen: Das Erdbeerstück war rasch gegessen, die Tasse Kaffee war gesund (man blickte leicht bis auf den Grund!), ansonsten gab es nichts zu trinken. Beim Abschied sah man Herta winken, die Damenriege stand Spalier, warf Küsschen noch von dort nach hier und war den Augen schon entschwunden. - Man fuhr zurück nun viele Stunden, doch jetzt die umgekehrte Tour mit Aus- statt Einstiegsprozedur. Der Fahrer vor den ersten Orten der Heimat fand zu diesen Worten: „Ihr lieben Leute, bitte seht noch ins Gepäcknetz eh’ ihr geht! Dort nämlich liegen vier Maschinen, die allesamt dem Haushalt dienen, für jedes Paar für sich getrennt noch je ein nützliches Präsent, woran Sie lange Freude haben!“ - Nun rätselt man, was wohl die Gaben, der Firma Bustouristik Weiß*? Viel kann’s nicht sein, bei diesem Preis auch Karl und Frieda wollen’s wissen! So wird das Päckchen aufgerissen, kaum dass der Bus die zwei entließ. Und es ist wahr, das erste hieß: „Ein Ding das rührt“ - es ist ein Löffel, mit Werbeaufdruck: „Firma Schöffel*“. Dann Nummer zwei (auch für die Frau): „Ein Ding das näht“ - es stimmt genau!, das tun die Nadel und der Faden! Das dritte Ding kann auch nicht schaden: Ein kleiner Bohrer für Metall. Das vierte schriebe überall, verhieß der Text der Werbesendung: Für eben diese Schreibverwendung - er hat der Spitzengrößen drei - liegt noch ein Faserschreiber bei. - Die Decken kommen - wie versprochen? - nach reichlich vierzehn kurzen Wochen und haben mind’re Qualität! Zu reklamieren ist’s zu spät, die Frist ist um seit sieben Tagen. - Um noch ein Fazit nachzutragen: Wer Geld zu viel hat, der geht aus. Am meisten spart der Mensch zu Haus! Manfred Günther * Alle Eigen-, Produkt- und Ortsnamen sind Fantasie bzw. geändert! Längs und quer zur Zeit - Gedichte für Alsfelder Allgemeine 52