Brauchtum in Bayern Heute ganz ernst! Ein drittes Mal will ich beschreiben, was Bayern so in Bayern treiben ..., doch diesmal ohne Ironie, ganz ernsthaft, frei von Fantasie, nicht übertrieben, nicht zum Lachen! Hier geht es jetzt um solche Sachen, die zwar im ganzen deutschen Land nicht fremd sind oder unbekannt, jedoch als „typisch bay’risch“ gelten. Ein Hesse etwa zeigt sich selten in Lederhosen oder gar (bei starker Muskelrissgefahr!) beim Maßkrugstemmen mit den Armen. Auch Platteln kann uns nicht erwarmen, es sieht so nach Indianer aus! Gesanglich ist es uns ein Graus, die Stimme jodelnd einzusetzen. Auch sich den Hintern abzuwetzen bei Kirchweih und Oktoberfest, ist etwas, was der Hesse lässt. Er hält es mehr mit andern Dingen, die Kurzweil ihm und Freude bringen. - Doch jetzt wird’s wieder ganz konkret. Zwei Dinge sind’s, um die’s heut’ geht (man denkt an Kampf und Blutvergießen!): Das „Hakeln“ und das „Gästeschießen“. Das erste ist ein Wettkampfsport. Ein kleiner Tisch ist hier der Ort, an dem zwei Kontrahenten hocken. Die Mittelfinger formen Locken, wie Kettenglieder eng gezwängt und eins ins andre eingehängt. Man legt die Hände, so ist’s Sitte, genau nun auf des Tisches Mitte. Nach eines Sekundanten Pfiff, versucht man mit dem Fingergriff, den Gegner rasch, er kann nicht fliehen, zu sich nun übern Tisch zu ziehen. Wobei, so ist es leider meist, die Hornhaut vorn am Finger reißt und bay’risch Blut den Tisch besudelt. Doch weil ein Bayer niemals hudelt, gilt nur der Gegner als besiegt, der ganz und gar am Boden liegt, nachdem den Tisch er überquerte. Danach kriegt der erst halb versehrte am Finger einen Streckverband und tritt - jetzt mit der andern Hand und auf des Tisches andrer Seite - zum Hakeln an, wonach der zweite noch heile Finger hörbar platzt. Nun hat er es für heut’ verpatzt und muss mit zwei verbund’nen Händen und Blutverlust den Kampf beenden; das tut er mit geschwellter Brust. - Wir seh’n, das Hakeln schenkt viel Lust, gehört zu jenen Traditionen, die echtes Mannestum betonen und auch den Frauen imponiert! Doch ist es, das sei noch notiert, den Männern, die den Kampf verloren, recht hinderlich beim Nasebohren, drum spricht der Bayer nicht normal, vielmehr gepresst und leicht nasal! - Jetzt lernen wir noch etwas kennen, was Bayern „Gästeschießen“ nennen: Dazu - es muss genau so sein! - lädt man sich gerne „Preiß’n“ ein, das meint Berliner oder Hessen, auch Hamburger (nicht die zum Essen!) halt alles, was nicht Bayer heißt. Die hält man in Pensionen meist, auch in Hotels, auf Campingplätzen, um dann Termine anzusetzen für ihre Jagd durch Feld und Wald ... Entschuldigung! Jetzt wär’ doch bald die Fantasie mir durchgegangen! Die Leser müssen gar nicht bangen, es ist natürlich umgekehrt: Durch’s Fingerhakeln sehr versehrt, kann ja ein Bayer selbst nicht schießen! Doch statt sich drüber zu verdrießen, lässt er dafür die Gäste ran. Auch zielt man hier nicht auf den Mann, vielmehr auf kleine runde Scheiben! - Für heute will ich mehr nicht schreiben. Es wird sonst doch noch fabel-haft. Ein guter Gruß der Leserschaft! In Bayern gibt’s was zu erleben! Statt in die Ferne abzuheben, empfehle ich die Bayern-Kur, sie bietet Abenteuer pur! Manfred Günther Längs und quer zur Zeit - Gedichte für Alsfelder Allgemeine Zeitung 48