Nähe und Distanz - Teil 2 Wenn das Duzen zweckhaft wird Hier in Teil zwei geht’s um den Nutzen und darum, sich damit zu putzen, dass man sich leichthin duzen lässt. Denn eines steht ja sicher fest: Das Du soll oftmals auch was bringen (dem der’s gewährt vor allen Dingen!) wenn nach Gefühl und auch konkret der eine höh’r als andre steht und wo’s uns scheint infolgedessen: Es wär’ das Du nicht angemessen, weil’s weder passend ist noch echt. - Hier kommen zwei Exempel recht aus Praxis und gelebtem Leben: Der neue Chef betritt soeben zum ersten Mal das Schreibbüro der Firma Meierbär und Co. Man sieht die Damen, die dort sitzen jetzt wie sie ihre Lippen spitzen zu einem Gruß, wie sich’s gehört ... Da wird ihr Vorsatz jäh gestört: Der Chef, den sie noch gar nicht kennen, spricht laut: „Ihr dürft mich ‘Hansi’ nennen! Danach fügt Hansi noch hinzu: „Nicht ‘Chef’, nicht ‘Sie’, sagt alle ‘Du’!“ Dann geht er hin zu jeder Dame, gibt ihr die Hand, fragt, wie ihr Name und lacht und scherzt auch hier und dort ... Am Ende geht er wieder fort, um mittels „Hansi“, Scherz und Lachen bei allen sich beliebt zu machen. Von Archivar bis Prokurist weiß jeder bald, wer „Hansi“ ist! - Hier dieses Falles Nachbesprechung: Grenzt Hansis Tun nicht an Bestechung? Er ist’s, der diese Firma lenkt! Den Daumen hebt, den Daumen senkt, geht’s um Beförderung und Feuern. Hier Gleichheit, Freundschaft zu beteuern, ist nicht wahrhaftig und nicht gut, nein, etwas, was man zweckvoll tut! Das ‘Du’ ist echt nur unter Gleichen und nutzt man’s, etwas zu erreichen, dann treibt man Trug und Heuchelei! - Hier kommt das Beispiel Nummer zwei: Herr Pfarrer Keil, neu auf der Stelle, tritt grade eben auf die Schwelle am Eingang vom Gemeindesaal. Drin sitzen - vierzehn an der Zahl - des Kirchenvorstands Herrn und Damen. Schon nennt der Pfarrer seinen Namen: „Ich heiße „Philipp“ mit zwei ‘p’! Mehr braucht es nicht, wie ich es seh’, auch den „Herr Pfarrer“ lasst ihr bleiben, der würde mit dem ‘Du’ sich reiben!“ Dann gibt er jedem noch die Hand, als wäre das Gemeinschaftsband und auch das ‘Du’ damit besiegelt. Fast aller Leute Miene spiegelt indessen: sie sind fassungslos! „Was ist das für ein Pfarrer bloß, der gar nicht fragt, ob sie das wollen, wenn sie ihn einfach duzen sollen?“ Der „Philipp“ freilich merkt es nicht. Auch hat für ihn das kein Gewicht, was andre Menschen fühlen, denken ... Er will das Du den andern schenken, und das betrifft nur ihn allein! Wer wird denn auch nicht dankbar sein, hebt ihn der Pfarrer so nach oben!? Wer wird nicht gern empor gehoben und so von einem auserwählt, zu dessen „Liga“ er nicht zählt! - Ich will auch hier zusammenfassen: Geht’s drum, sich nur herabzulassen, dann ist das ‘Du’ ganz fehl am Platz! Es ist zu schade als Ersatz für echtes menschliches Int’resse! Glaubt unser „Philipp“ selbst, er messe viel größer als der andern Schar, dann wird dran eins nur offenbar: Auch Pfarrer werden überheblich! Doch hier zu bessern, ist vergeblich, weil’s doch wohl selbstverständlich scheint: Wer’s wirklich gut mit Menschen meint, wem daran liegt, dort mitzutragen, wo Kräfte anderer versagen und wer vor allem darum weiß, in wessen Auftrag und Geheiß wir in der Welt zu dienen haben, zu dessen allerbesten Gaben zählt sie wohl kaum: die Arroganz! Auch schafft das ‘Sie’ erst die Distanz, die Not tut, „Seelen zu versorgen“. Dem „Duz“-Freund hält man sich verborgen und was er sagt, das tröstet nicht. Ein Pfarrer hat zu schweigen Pflicht und ihn zu siezen, schafft Vertrauen. Auch wird das Du dort Mauern bauen, wo Menschen doch als Gottes Kind ganz gleich und wie Geschwister sind. Dem einen sich per Du verbinden, kann der uns siezt gerecht nicht finden und wenn der Pfarrer alle duzt, dann fühlt man sich mit Recht veruzt! - Hier die Moral aus beiden Teilen: Man soll das Du nicht übereilen! Und wird es einem aufgedrängt, dann fühlt man sich mit Recht beengt. Der Mensch, sofern er noch verständig, braucht die Bereitschaft innenwändig und stets den Willen auch dazu: Dann erst bereichert es: das Du! Manfred Günther (Ich mache kreative Pause bis nach Ostern!) Längs und quer zur Zeit - Gedichte für Alsfelder Allgemeine Zeitung 45