Nähe und Distanz - Teil 1 Von Duzerei und Umarmung Es gibt etwas in diesen Tagen, bei dem sich kluge Menschen fragen: „Wär’s denn wohl richtig, wenn man’s tut? Und tut’s wohl der Beziehung gut?“ Es ist, als gäb’s ein inn’res Scheuen ... Und wirklich: Mancher muss bereuen, was er zu rasch und vorschnell tat! Es ist genau wie bei der Saat: Sind erst die Körner in der Erde, fragst du zu spät, was wohl draus werde? Es trägt in sich ein Samenkorn, die Rosenblüte und den Dorn, das Stroh, die Grannen und die Ähre! Wer sich erhofft und glaubt, es wäre bei ihm ganz anders, der ist dumm! Zu spät kommt nachher das „Warum?“! Man weiß, dass Rosen Dornen haben! Man weiß, es sind die Erntegaben nie Ähren nur, es gibt auch Stroh! Man wäge contra ab mit pro, bevor die „Samenkörner“ liegen und sollte contra schwerer wiegen, dann lasse man’s doch lieber sein! - Es wird konkret: Wir steigen ein, indem das Bild wir übertragen: Das „Korn“, ums deutlich jetzt zu sagen, ist unser angebot’nes „Du“. Stimmt auch die andre Seite zu, dann ist die Saat (das „Du“) im Boden. Für dieses Sähen gibt’s „Methoden“: Man nimmt sich sachte in den Arm und hält sich ein Minütchen warm, um sich den Rücken dann zu klopfen. Auch trinkt man manchmal einen Tropfen von gutem Wein und stößt auch an, so gut man es beim Küssen kann ... Und wenn sich beide wieder trennen, dann kann man sich nun „Duzfreund“ nennen, doch nimmt ein Risiko in Kauf: Jetzt nämlich geht die „Saat“ erst auf und die Entwicklung wird es zeigen, ob der Beziehung Werte steigen. Im Bild: Ob sie zur Blüte treibt, beziehungsweise stecken bleibt, um gar an Güte zu verlieren. Wenn erst die „Dornen“ sie „verzieren“, weil unser „Freund“ des Dus nicht wert, dann war die Saat des Korns verkehrt, was leider nicht mehr aufzuheben. - Um noch ein Beispiel hier zu geben: Man hat es leider ziemlich oft, dass Nähe, die man sich erhofft, nicht wachsen will, auch nicht in Jahren! So mancher hat es gar erfahren, wie durch das Du die Achtung sank. Man ließ sich duzen, doch zum Dank verlor der „Duzfreund“ alle Hemmung: Aufdringlichkeiten statt Verklemmung, verächtlich, wo er höflich war. Und bald schon wurde offenbar, auch immer neues Sich umarmen, ließ die Beziehung nicht erwarmen, sie war und blieb gestört und kalt, bekam durch’s „Du“ erst die Gestalt, die früh’r wir kaum für möglich hielten. Versuche, die auf Rettung zielten, sie brachten Ärger nur und Leid. - So mancher Bindung unsrer Zeit, die lange schon im „Du“ verflachte, wünscht man, dass sie am „Sie“ entfachte zu neuer Achtung hin und her. Doch leider geht’s im Duz-Verkehr nur stets nach vorn, ist er im Schwange! So fragen wir am Ende bange, „Wie kommt man denn zurück zum ‘Sie’“? Die Antwort lautet leider: „Nie!“ - Das war es, was ich sagen wollte, warum man lieber warten sollte, bevor man streut des Duzens Saat. Beim Ernten ... hat man den Salat! - Beim nächsten Mal geht’s um die zweite, auch leider nicht viel bess’re Seite des Duzens: Wie man es benutzt und wie sich mancher damit putzt! (Doch das erfahrt ihr, liebe Leute, in sieben Tagen erst, nicht heute!) Prüft vor dem Duzen die Chemie und bleibt im Zweifelsfall beim „Sie“! Manfred Günther Längs und quer zur Zeit - Gedichte für Alsfelder Allgemeine 44