Verschwiegenheit oder: Ich hab’ doch nichts gesagt! Mein Thema heute ist das „Schweigen“. Geplant ist, einmal aufzuzeigen, wie’s in der Praxis oft gelingt, dass etwas doch nach außen dringt, obwohl der eine, dem wir’s sagten, uns glaubhaft schwor, als wir ihn fragten: „Von mir hört niemand je ein Wort!“ Warum weiß doch der ganze Ort, schon bald von dem, was wir besprochen? - Hat er wohl doch sein Wort gebrochen, der uns das schwor: „Ich werde nicht!“ - Mein Dichten bringt nun etwas Licht in diese rätselvollen Fragen. Ein Beispiel soll die Antwort sagen, mit welchen Tricks und welcher Art, man die Verschwiegenheit bewahrt und wir uns doch die Lust erfüllen, das Anvertraute zu enthüllen. (Noch eins zuvor: Ihr werdet seh’n, dergleichen ist schon oft gescheh’n - doch nicht durch uns! - na, selbstverständlich!) Wir kommen nun zum Beispiel endlich. Es ist sehr einfach nur gewählt, so dass es einen Fall erzählt, der weder irgendwie erregend noch wichtig oder weltbewegend. Es geht nur darum, wie’s passiert und wie genau es funktioniert, dass Menschen trotz der Schwüre sprechen und das versproch’ne Schweigen brechen. - Gerade sagt der Fritz zum Hans: „Die Ruth ist eine blöde Gans, ich kann sie nun einmal nicht leiden!“ Dann lässt der Fritz den Hans beeiden, dass niemand das von ihm erfährt. Worauf der Hans nun laut erklärt: „Du weißt es doch, ich bin verschwiegen! Da will ich doch die Schwindsucht kriegen, wenn je ein Wörtchen mir entweicht und eines Dritten Ohr erreicht!“ Danach - nur eine Stunde später - wird unser Hans bereits zum Täter! Er trifft (und ist darüber froh!) die Ruth und ihr Gespräch geht so: „Das passt ja gut, dich grad zu sehen“, meint jetzt der Hans, dann bleibt er stehen. Dasselbe tut jetzt auch die Ruth, man kennt sich schließlich lang und gut schon aus den fernen Grundschultagen. Nun spricht auch Ruth, man hört sie sagen: „Ach Hans, du bist’s! Du sagst, ‘es passt’, das hört sich dringend an und fast, als hättest du was mitzuteilen!“ „Hast du ein Weilchen zu verweilen“, fragt jetzt der Hans, „dann könnte ich dir etwas sagen, falls du mich nur recht befragst, denn ich musst’ schwören, von mir wird niemand je was hören.“ „Du machst’s ja spannend, lieber Hans. Geht’s um die Worte eines Manns und hast du ihm den Schwur geschworen?“ Hans nickt und Ruth kann weiter bohren: „Beginnt sein Name wohl mit ‘A’, mit ‘B’, ‘D’, ‘E’, ‘F’ oder ‘K’?“, so geht sie durch die Männernamen, die grad in ihr Gedächtnis kamen. Wir sehen, Ruth ist sehr geschickt ... und Hans hat schon beim ‘F’ genickt! „Dann also ‘Fritz’, was ich mir dachte!“ Der Hans nickt wieder, doch nur sachte, dann zeigt er noch auf seinen Mund. „Aha, ein Schimpfwort ist der Grund, für seine Forderung zu schweigen! Was ist, kannst du mir’s näher zeigen?“ Worauf der Hans sich gar nicht ziert, die Frage Ruths nun so quittiert, dass seine Arme „Flügelschlagen“. Und wieder muss er gar nichts sagen, denn Ruth ist gut geübt und schlau: „Ein Vogel also, was genau?“ Nun muss sich Hans ganz kurz besinnen, dann sieht man seine Hand beginnen, als ob sie einen Vogel rupft und kräftig seine Federn zupft ... und Ruth zeigt ihres Geistes Größe: „Dazu gibt’s Rotkraut noch und Klöße ... dann weiß ich es, mein lieber Hans: Der Fritz nennt mich ‘ne ‘blöde Gans’!“ Jetzt sagt der Hans ein Ja ganz leise! - Wir sind am Ziel: Auf diese Weise umgeht man gerne einen Schwur. Man gab doch nickend Antwort nur und hat kein Wort dabei gesprochen und also nicht den Schwur gebrochen! - Hier kurz vor Schluss (er kommt sofort!) wie stets persönlich noch ein Wort: Wer so verfährt, der darf zwar sagen, ich nickte nur, doch muss sich fragen, ob’s hier nicht auch um „Wortbruch“ geht? Denn unser Kopf ist sehr beredt man kann ihn schütteln, nicken, schwenken und manchmal dient er gar zum Denken - wohin ich meistens führen will. Wem etwas anvertraut, sei still und lerne Mund und Kopf zu halten! Stets ist das Denken einzuschalten, das sagt uns klar, was Schweigen ist und wann du ein Verräter bist. Manfred Günther Längs und quer zur Zeit – Gedichte für Alsfelder Allgemeine Zeitung 43