Der Pfarrer beim Fasching ... kann auch zur Stimmung beitragen! Was früh’r nur Katholiken kannten, das kennen längst auch Protestanten. Gemeint ist hier der Karneval mit Fremdensitzung, Maskenball, mit Büttenreden, Faschingszügen und tollen Tagen zum Vergnügen, bevor man in der Fastenzeit, sich schließlich der Enthaltung weiht, denn dann gibt’s sieben lange Wochen, statt Spaß und Fleisch, Passion und Knochen mit etwas Grünzeug noch - sonst nichts! Soweit der Vorspann des Gedichts. - Ein Dorf - im Vogelsberg gelegen - ist seit Dezember, welch ein Segen!, nach langen Jahren der Vakanz, jetzt neu besetzt mit Pfarrer Schranz. Er ist ein Mann mit dem Bestreben, des Ortes Frömmigkeit zu heben, und außerdem bei Groß und Klein ein Helfer und ein Hirt zu sein, sie recht zu leiten, Not zu heilen und auch ihr Leben selbst zu teilen in Freud und Leid, bei Fest und Spiel ... Ein gutes, doch auch hohes Ziel. - So hört man Schranz in diesen Tagen zu seiner Frau Verena sagen (woran man jetzt auch klar erkennt, dass Schranz sich „evangelisch“ nennt!): „Mein Schatz, wir sind nicht eingeladen, doch denk’ ich mir, es kann nichts schaden, wenn wir heut’ mal zum Fasching geh’n, nur kurz, vielleicht von acht bis zehn, da seh’n, gewiss wird man sich freuen, auch Kirchenferne mal den ‘Neuen’, was sicherlich kein Fehler wär’!“ Im DGH tobt schon der Bär, als Schranzens abends ungebeten den Faschings-Sitzungs-Saal betreten. Die beiden kommen unvermummt, weshalb die Menge jetzt verstummt weil manche Pfarrer Schranz schon kennen und ihn jetzt laut „Herr Pfarrer“ nennen. So ist es rasch bei Publikum und Elferrat im Saal herum: „So sieht er also aus, der Neue!“ Darauf trifft Schranz so mancher scheue und ängstlich-ehrfurchtsvolle Blick (die Stimmung hat den ersten Knick!), doch Schranzens kann es nicht vertreiben. Und als man sieht, die wollen bleiben, kommt eilig jetzt ein Mann herbei und meint: „Dort vorne ist noch frei, da auf den beiden Ehrenplätzen, kann sich, Herr Pfarrer!, gerne setzen! Die waren“, lügt er ungeniert, „für unsern Pfarrer reserviert!“ So setzen Schranz und Frau sich nieder und ganz verhalten startet wieder das närrisch-heitere Programm, jedoch die Stimmung, die bleibt klamm. Der nächste Büttenredenmacher, erzielt nur einen leisen Lacher. Dem zweiten geht es ebenso. Man scheint im Saale nicht recht froh, dass auch des Perners Ohren lauschen. Wo sonst Applaus und Beifall rauschen, scheint alles wie vor Schreck erstarrt. Des Pfarrers stille Gegenwart bringt Spaß und Narrheit zum Erliegen. Nicht mal ein Schmunzeln ist zu kriegen und immer wenn es schlüpfrig wird, blickt alles nach dem Seelenhirt und prüft mit hochgezog’nen Brauen, ob seine Augen finster schauen und ob er, was er hört, verdammt. (Herr Schranz begreift, des Pfarrers Amt wird manchmal störend auch empfunden!) Dann endlich sind vorbei die Stunden, die Schranz und Frau im Saal verbracht. - Nach Zehn wird wieder laut gelacht, die Narren lärmen, schreien, singen. Die Reden in der Bütt gelingen, die derbsten Witze kommen an. Am Ende sagen Frau und Mann: „Es war so wie in früh’ren Jahren ... als Schranz und Frau gegangen waren!“ - Ein Satz, aus dem ich noch zum Schluss, hier diese Lehre ziehen muss: Auch Pfarrer sind recht gern gesehen, wenn sie vom Fasching heimwärts gehen! Doch nützt es, wenn er dort sich zeigt, weil hinterher die Stimmung steigt! Manfred Günther Längs und quer zur Zeit – Gedichte für alsfelder Allgemeine Zeitung 39