Welträtsel Was es nicht alles gibt! Ich möchte heut’ zwei Rätsel wählen und im Gedicht davon erzählen, die jeder mit Verwund’rung nennt, doch praktisch nur von andern kennt und nicht aus eigenem Erleben! Und grade dieses ist es eben, warum ich heute ungehemmt von dem berichte, was uns fremd: Zu euch wird keins der Rätsel passen! - Besonders schwer ist dies zu fassen (was schon das erste Rätsel ist): warum, wenn stets zur selben Frist - so um den dreißigsten November bis gegen Ende vom Dezember - die Temp’ratur sich langsam neigt und Frost mit Schnee und Reif sich zeigt, so viele Autofahrer staunen und: „Was, schon wieder Winter?“ raunen, gerade so, als gäb’s sie nicht, die Winterzeit mit wenig Licht, mit Minusgraden und mit Stürmen, die Flocken rasch zu Bergen türmen, was endlich dann in Dorf und Stadt oft Rutschgefahr zur Folge hat. Man könnte doch, so möcht’ man denken, zur rechten Zeit die Dinge lenken, sodass man, eh’ die Kälte kracht, das Auto wintertauglich macht - doch tut es nicht. Wer kann’s begreifen? Man fährt im Schnee mit Sommerreifen, der Scheibenwischer wischt nicht mehr, der Wischerwassertank ist leer und falls er voll, ist er gefroren, der Scheibenkratzer ging verloren und morgens früh, wenn’s stark pressiert, ist noch mehr Ärger garantiert: Der Batterie, weil ungewartet, misslingt’s, dass sie den Motor startet, denn lässt man an, bremst er den Lauf und schließlich gibt sie gänzlich auf. Soweit ganz ohne Übertreibung des Rätsels „Nummer Eins“ Beschreibung. - Ganz ähnlich ist’s bei „Nummer Zwei“, nur fügt ein Datum sich noch bei: Es geht - damit ich’s deutlich sage - ums Christfest und die Weihnachtstage. Die kommen (so wie Eis und Schnee!) auch jährlich um den selben Dreh, nur weiß man’s hier ja noch genauer und ist, so meint man, darum schlauer! Doch dies ist leider nicht der Fall, denn Heiligabend überall ist erst der Tag, da viele denken: Da war doch noch was ... mit Geschenken! Und dann, es ist ja doch ein Muss, geht’s los von Früh bis Ladenschluss, um nachzuseh’n, ob für die Lieben noch hier und da etwas geblieben, was einzig ist und was gefällt, was passt, als wäre es bestellt und tut’s das nicht, dann wird man patzig und der Bedienung geht es kratzig, denn eins steht immerhin ja fest: Wenn niemand uns das wissen lässt, dass Weihnacht kommt und immer jährlich, dann ist es, bitte schön, erklärlich, dass einer, dem man das verschweigt, sich erst an Heiligabend zeigt, die Einkaufstour auf heißen Sohlen in Hast und Hektik nachzuholen. Hier trifft wohl andere die Schuld! - Zum Schluss erbitte ich Geduld für Menschen, die, wie’s hier berichtet, in Versen und im Reim bedichtet, es nicht verstehen, so wie wir, bevor’s soweit ist, drei bis vier Bereitungswochen vorzuschalten, in denen wir am Auto walten, die Reifen wechseln, eh’ es schneit, und schau’n, ist alles sonst bereit? In denen wir die Weihnachtsgaben auch längst verpackt zu Hause haben, weshalb wir ganz gelassen sind. Es gibt halt Menschen, die sind blind und taub für Winke und für Zeichen, die uns in dieser Zeit erreichen: Sie seh’n nicht den entlaubten Wald. Sie spüren nicht: „Wie ist das kalt!“ und hör’n im Supermarkt kein Singen, im Kaufhaus „Jingle Bells“ nicht klingen ... Drum, liebe Leser, sind wir froh! Denn ginge uns das ebenso, wär’ dies Gedicht wohl nie geschrieben. Uns wäre immer fremd geblieben, was der, den’s trifft, beiseite schiebt und was es in der Welt doch gibt! Manfred Günther Längs und quer zur Zeit - Gedichte für Alsfelder Allgemeine Zeitung 34