Als Weihnachten ausfiel - aber nur fast! Am Totensonntag war’s gewesen, da meinte Hans beim Zeitunglesen zu seiner lieben Frau Brigitte: „Es war bei uns bisher so Sitte, wenn Feste vor der Türe stehen, dieselben feiernd zu begehen. So war’s zur Weihnacht unser Brauch, an Pfingsten und an Ostern auch ... besonders unsrer Kinder wegen! Nun sind ja diese, welch ein Segen!, inzwischen groß und aus dem Haus. So denk’ ich heut’ und sprech’ es aus: Es würde mir recht gut gefallen, wir setzten erst wenn Böller knallen mit Fest und Feier wieder ein und ließen Weihnacht diesmal sein!“ Nun will Brigitte etwas sagen: „Was du mir grade vorgeschlagen, war auch von mir an dich der Wunsch! Wir woll’n bis zum Silvesterpunsch von Rummel und vom Festgeschehen und aller Hektik mal nichts sehen, denn ich bin ehrlich: Diese Zeit, sie ist mir schon seit Jahren leid: Geschenke, Karten, all die Possen!“ Nun also war es denn beschlossen, was beider Wunsch und Absicht war: Kein Weihnachtsfest in diesem Jahr! - Gleich nach den Tagen des November begann Advent dann im Dezember, die Wochen, da in Dorf und Stadt man in der Stube Kränze hat und vor dem Haus den Baum mit Kerzen. Und wie die Freude in den Herzen wächst auch an Baum und Kranz das Licht ... Bei zweien aber wuchs es nicht, weil Hans und Frau ganz standhaft blieben: Was andre treiben, tun und lieben war für die zweie strikt Tabu: Zu Nik’laus kein gefüllter Schuh! Am Fenster keine Pyramide. Statt Plätzchenbacken großer Friede auf allen Blechen und im Herd. Kein Einkauf, der doch nur beschwert, kein Schreiben vieler Weihnachtskarten. Und dunkel blieb es auch im Garten: Ganz nackt und bloß stand jetzt der Baum der früh’r als bunter Lichtertraum nicht von Geschmack, doch Wohlstand zeugte! Kein Weihnachtsmann, kein Rentier äugte mit Birnchenaugen in die Nacht. Kurzum: Das was man sonst gemacht, es unterblieb in diesen Wochen. - Als Heiligabend angebrochen, geschieht jedoch, was ungeplant und für die beiden ungeahnt und vom Verstand her nicht zu fassen! - Es ist halb sechs. In allen Gassen des Städtchens geht man fast allein und überall kehrt Ruhe ein, man rüstet sich für die Bescherung. Da fasst - was ist wohl die Erklärung? - ein starker Trieb, ein dunkler Drang Brigitte, Hans ... Sie wirken bang ... schon steh’n sie da mit ihren Taschen ... Dann geht’s zum Supermarkt mit raschen, sehr großen Schritten, denn es eilt! Es fehlt die Zeit, dass man verweilt: Um sechs Uhr schließen hier die Türen! Schon trennt man sich. Die Wege führen Brigitte jetzt zum Kerzenstand, indessen Heinz im „Schlemmerland“ nach Glühwein sucht und Gänsekeulen. Die letzten beiden haben Beulen und scheinen nicht mehr ganz so frisch! Jedoch, wer ist schon wählerisch, ist Ladenschluss in zehn Minuten! Um kurz vor sechs muss man sich sputen, denn heute will, man kann’s versteh’n, die Kassendame pünktlich geh’n! Da naht nun auch Brigitte wieder. Pakete zieh’n die Schultern nieder! Sie wiederum schaut jetzt nach Hans, bei dem nebst Keulen einer Gans, noch säckeweise Apfelsinen ein Fuder Glühwein, Mandarinen, dazu auch Wal- und Haselnuss, dann Plätzchen mit und ohne Guss im vollbelad’nen Wagen liegen, dass sich die Bodenstäbe biegen. Schon wird bezahlt, dann geht’s hinaus. Minuten später dann zu Haus ist Tisch und Stube rasch geschmückt. Ein Tannenzweig wird noch bestückt mit Kerzen, Kugeln, Baumbehang ... Und dann, man ahnt es, währt’s nicht lang, da tönt so süß wie Zuckerwatte die „Stille Nacht“ von einer Platte. Die Weihnachtsmuffel seh’n sich an ... dann, weil man’s halt nicht lassen kann, holt er und sie auch noch Geschenke ... - Wir sind am Ende und ich denke, dass ihr der Verse Sinn begreift: Wenn je in euch der Vorsatz reift, das Fest des Herrn zu ignorieren, am Ende werdet ihr verlieren, denn keiner kommt an ihm vorbei! (Ihr seht’s, es gibt nur Lauferei nach Glanz und Schmuck für’s Weihnachtszimmer und Stress und Hektik werden schlimmer.) Viel besser wär’s, man sucht den Kern der Weihnacht und man folgt dem Stern, um an der Krippe neu das Wesen der Weihnacht wieder abzulesen ... das was beglückt und froh sein lässt! - In diesem Sinn: Ein schönes Fest! Manfred Günther Längs und quer zur Zeit - Gedichte für Alsfelder Allgemeine Zeitung 33