Einmal im Advent Die Nacht, in der die Tiere sprechen können Ich hab’ mir heute vorgenommen, euch einmal fabel-haft zu kommen. So handelt dies Adventsgedicht zum ersten Mal von Menschen nicht, vielmehr von Tieren: großen, kleinen, mit vier, mit sechs und noch mehr Beinen, gepanzert und mit Flügeln auch, mit Hörnern, wie’s bei Ochsen Brauch und mit Gehörn, so wie bei Rehen. Bei allen diesen woll’n wir sehen, was auch als Menschen, Frau und Mann, man von den Tieren lernen kann? - Jetzt im Advent gibt’s jene Nächte, in denen gute, starke Mächte von Mitternacht bis früh um vier die Welt verändern dort und hier, auch unsre Zeit und unser Leben. So soll’s zum Beispiel Stunden geben, in denen Zukunft sich enthüllt und manchmal gar ein Wunsch erfüllt, von dem wir jahrelang nur träumten. (Doch wenn wir diese Zeit versäumten, dann dauert’s wiederum ein Jahr!) Nun gibt es aber, es ist wahr!, auch eine Nacht, da Tiere sprechen, ihr gottgegeb’nes Schweigen brechen und eins das andere versteht. Wer sonst mit seinesgleichen geht, der wird in dieser Nacht gesellig! Der Fuchs wird einer Gans gefällig und achtet, dass ihr nichts geschieht. Der König Löwe selbst versieht den Kellnerdienst in diesen Stunden. Die Katze hat zur Maus gefunden und grault ihr zart das Rückenfell. Doch früh um vier, es geht zu schnell!, ist alles wieder dann beim Alten! - In diesen milden Stunden halten die Tiere unter Assistenz der Eule jährlich Konferenz, um stets auch int’ressante Themen zur Diskussion sich vorzunehmen. - So war dies Jahr das Thema dran: „Wie’s richtig Weihnacht werden kann?“ Der Untertitel: „Was uns Tieren zu wertvoll wär’, es zu verlieren?“ Persönlich hieß es: „Was ist Kern für mich vom hohen Fest des Herrn?“ Schon piepst das Mäuschen in die-Runde: „Für mich ist das die Weihnachtskunde, dass alle meine Lieben satt! Wenn jeder was zu fressen hat, dann kann’s ein schönes Christfest werden!“ Nun brummt der Wolf: „Wenn Lämmerherden von Menschen nicht noch Hund bewacht, dann ist für mich die Heil’ge Nacht!“ Jetzt aber spricht der Lämmer eines, ein flauschig weißes, noch ganz kleines: „Für mich wird’s schöne Weihnachtszeit, schenkt Mensch und Hund Geborgenheit!“ „Und Sicherheit!“, haucht nun der Hummer. „Meist heißt das Fest für uns nur Kummer und Abschied mit dem Tod als Preis in Wassertöpfen siedend heiß!“ Der Pfau schlägt Rad und sagt: „Ich denke, beim Christfest geht es um Geschenke! Bekäme ich kein neues Kleid, mir wär’ die Weihnacht jetzt schon leid!“ Der Bär ist dran: „An Weihnachtstagen mag ich’s, den Wanst mir vollzuschlagen, mit Mandeln, Honigseim und Nuss ...“ Jetzt lässt sich - weil er zeigen muss, dass er der Chef - der Löwe hören: „Mich soll am Fest bloß niemand stören, das schönste nämlich ist der Schlaf!“ „Genau!“, sagt da das wilde Schaf, „das kann ich frohe Weihnacht nennen, wenn Löwen und Hyänen pennen!“ Nun nimmt die Eule selbst das Wort: „Für mich wird’s Weihnacht an dem Ort, wo’s schummrig ist und ganz gemütlich! Dann tu’ ich mir an Stimmung gütlich, denn Stimmung, ja, die muss halt sein!“ „Ach, Blödsinn“, fällt die Elster ein: „Mich kann zum Fest nur eins beglücken, kann ich mit Glanz und Schmuck mich schmücken!“ Nun endlich fasst der Ochse Mut: „Ich sag’ es kurz und sag’ es gut, mir braucht man Bier und Schnaps nur kaufen, das Wichtigste am Fest ... ist Saufen!“ Jetzt tönt’s „I-ah“, der Esel schreit: „Ihr seid doch alle nicht gescheit! Ihr sucht den Kern der Weihnachtstage? Gestattet, dass ich euch da frage, ob wir nicht alle Esel sind: Das wichtigste ist doch das Kind!“ Die Tiereschar blickt sehr betroffen. Des Esels Meinung, man ist offen, teilt jedes Tier, das scheint jetzt klar! Die Eule schließt für dieses Jahr die Sitzung. Es ist kurz vor viere. Am Ende fragt sie noch die Tiere, ob, was hier „Kern des Fests“ genannt, wohl auch den Menschen noch bekannt, ja, ob nicht Menschen gern vergessen: Dass Schmücken, Feiern, Trinken, Essen, die Gaben auch für dich und mich nicht wichtig sind und wesentlich vielmehr, dass alle Nebensachen das echte Christfest gar nicht machen, weil wahre Freude nur gewinnt, wer in die Krippe sieht ... zum Kind!? - So ist am Schluss mir dies geblieben, zu fragen, was am Fest wir lieben? Heißt’s dann, wenn wir ganz ehrlich sind wohl auch bei dir und mir: DAS KIND!? Manfred Günther Längs und quer zur Zeit - Gedichte für Alsfelder Allgemeine Zeitung 31