Ein Versicherungsfall - Teil 1 Der Bauer Jost* ist krank gewesen, inzwischen doch soweit genesen, dass auf den Brief der AOK (der liegt schon gut drei Wochen da!) er langsam reagieren müsste. Da schreibt ihm ein Herr Hinz*, er wüsste doch gerne, was er nicht versteht: Wie’s wohl bei einem Menschen geht, dass der in vierundzwanzig Stunden allein schon so viel Zeit gefunden, dass ihm, was andern einmal nur im Leben, mehrfach widerfuhr? Womit er „sieben Schäden“ meine, die Jostens Arme, Kopf und Beine, dazu die Schultern, Füße auch, die linke Seite und den Bauch geschürft, geprellt und teils gebrochen! Weshalb er dann ja sieben Wochen (bei Eigenleistung „Null“ pro Tag!) im Krankenhaus in Gießen lag. „Ums also auf den Punkt zu bringen“, schreibt Hinz, „ging’s zu mit rechten Dingen, beziehungsweise war da wohl im Spiel auch etwas Alkohol, was den Erstattungsanspruch mindert?!“ Jost sei ja nun nicht mehr behindert, und könne sicher etwas Licht ins Dunkel bringen, seine Sicht des Ablaufs kurz skizzieren ... - So also - ohne Zeitverlieren - schreibt Bauer Jost den Antwortbrief. Er setzt sich nieder, atmet tief, besinnt sich, dass er für die Kasse den Schadensfall zusammenfasse. „Geehrter Hinz“, so fängt er an und ordnet die Gedanken dann: „Bevor vom Schaden ich berichte, zunächst die kleine Vorgeschichte: Ich brauchte beim Garagenbau (für den Ascona meiner Frau!) noch etwa Fünfzig Ziegelsteine. Besann mich dann, dass eine kleine, noch gut erhalt’ne Menge lag in meiner Scheune, im Verschlag ganz hoch im Dach. Sie liegt dort oben, vom Flaschenzug emporgehoben, in einer Kiste - Jahre schon! - Nun war an jenem Tag mein Sohn auf unserm Weizenfeld beschäftigt. So ging ich ganz allein, gekräftigt durch „Rabenhorster“ (!) dort hinauf, hing flugs die Ziegelkiste auf am Flaschenzug, an Seil und Rolle. Dann ging’s hinab. Schon schwang die volle, von Ziegeln schwere Kiste raus ... noch hielt ich sie, dann war es aus, sie sauste wie ein Blitz hinunter ... Ich hing am Seil, wodurch ich munter nach oben stieg fontänengleich. Wobei - im mittleren Bereich - die Kiste und mein Kopf sich trafen. Doch um mich doppelt zu bestrafen, riss mich die Kante seitlich auf. Dann traf im weiteren Verlauf die Kiste unten auf den Boden, dabei zerbarsten die maroden, verfaulten Bretter ihrer Wand. Es löste sich der Holzverband, was ihre Ziegellast befreite! Inzwischen rührte mich der zweite, unsanfte Hieb, denn unterm Dach schlug mich ins oberste Gefach, wo sich die grauen Zellen regen und die Gedanken sich bewegen, das Balkenholz vom Flaschenzug.“ - Ich denk’, für heut‘ ist’s lang genug! Ihr lest den Rest in sieben Tagen! Und sollte nun ein Leser fragen, ob dieser Fall denn wirklich wahr, dann sag’ ich euch nun kurz und klar: Es ist gerade so geschehen! Wie’s weitergeht? Ihr werdet sehen, doch lasst zum Reimen mir noch Zeit! Am nächsten Freitag ist’s soweit! Manfred Günther (Fortsetzung folgt!) * Namen geändert Längs und quer zur Zeit - Gedichte für Alsfelder Allgemeine Zeitung 20